Start Interviews Helge Schneider: „Winter mit dick Schnee finde ich auch gut!“

Helge Schneider: „Winter mit dick Schnee finde ich auch gut!“

Er hat schon die passenden Klamotten an. In hellen Jeans, abgeschrabbeltem T-Shirt und mit Strohhut auf dem Kopf heißt Helge Schneider, 57, uns im Münchner Hotel „Bayerischer Hof“ willkommen. Zu besprechen gibt es einiges. Schneider hat einen neuen Film gemacht, „00 Schneider – im Wendekreis der Eidechse“ kommt diesen Herbst ins Kino. Seine aktuelle Tournee ist am laufen, und nach langer Zeit gibt es auch wieder ein neues Studioalbum. Es heißt „Sommer, Sonne, Kaktus!“ und  erreichte in Deutschland unlängst sogar den Spitzenplatz der Albumcharts.

Downoad am Brunnen
Multitalent Helge Schneider

Helge, in Deinem neuen Lied „Sommer, Sonne, Kaktus!“ singst Du über „blauen Himmel“, „gute Laune“, ein „beautiful girl on the Schoß“. Wie inspirierst Du Dich für so einen Song?

Gar nicht, die Inspiration kommt von selbst. Das sind so Träume. Der Typ in dem Lied stellt sich das alles so schön vor in seiner Phantasie, doch in Wirklichkeit geht er nur ins Duisburger Hallenbad.

Bist Du ein Sommermensch?

Nö, ist mir egal. Winter mit dick Schnee finde ich auch gut. Zwischen minus 25 Grad und 0 und dann zwischen 12 und 45 Grad – das ist in Ordnung, das mag ich. Der Rest ist so Egalwetter.

Das Album „Sommer, Sonne, Kaktus!“ ist Dein erstes seit über sechs Jahren und eine Mischung aus englischen Coversongs wie „Somewhere over the Rainbow“, eigenen englischen Liedern und selbstkomponierten deutschen Stücken. Wie ist es entstanden?

Am Anfang stand meine Lust, wieder einen Film zu machen, daran hatte ich plötzlich richtig Spaß gekriegt. Dann habe ich die Filmmusik gemacht, und dann kriegte ich auch Spaß am Aufnehmen. So entstand die CD. Dass das Album jetzt noch vor dem Film rausgekommen ist, liegt am Thema. Was soll ich mit Sommersongs im September?

Komm Presse1
Der Meister des Grotesken

Hattest Du nicht letztes Jahr angekündigt, weniger arbeiten, mal nicht auf Tournee gehen und Dich mehr um Deine Freizeit kümmern zu wollen?   Hast Du den Vorsatz mit dem Kürzertreten also wieder begraben?

Ich hatte plötzlich so einen Schaffenskick gekriegt. Meine Arbeit ist ja nicht nur Beruf, sondern auch Hobby und Leidenschaft und Lebensinhalt.

Das ganze Album hat so eine spanische, überhaupt mediterrane Grundstimmung.

Ja. Das Hauptinstrument auf der Platte ist die klassische spanische Gitarre. Ich finde diese Art von Musik einfach gut – Flamenco, Akkordeon, kleines Bongo, das ist schön. Das hat so etwas Lagerfeuer mäßiges. So wollen wir es auch auf die Bühne bringen. Insgesamt ist es ein folkloristisches Album. Ein Folklorealbum.

Sitzt Du manchmal mit Freunden am Lagerfeuer oder Grill und stimmst Lieder an der Gitarre an?

Och, doch, das kommt vor.

Du hast vor „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ ewig lange keinen Film mehr gemacht. Wie hat sich 00 Schneider entwickelt?

Der ist auch gereift, genau wie ich, aber in eine ganz andere Richtung.

Die „Eidechse“ wird von Rocko Schamoni gespielt. Seid ihr Freunde?

Ja, wir kennen uns schon seit 25 Jahren. Damals, als ich noch nicht berühmt war, hatte er mir geschrieben und gefragt, ob ich nicht bei Ted Gaier von den Goldenen Zitronen im Wohnzimmer auftreten wolle. Ja, klar,  das habe ich gemacht und vor fünf Leuten Lieder wie „Texas“ oder „Mädchen wollen küssen“ gespielt. Das ist unvergesslich.

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Live unschlagbar…

Den „00 Schneider“-Film hast Du sowohl in Spanien als auch und im Ruhrgebiet gedreht.

Genau, in Spanien hatten wir ein ganz anderes Licht, eine ganz andere Farbe. Wir haben das dann einfach hintereinander geschnitten. So fährt 00 Schneider erst am Meer vorbei und durch die Wildnis, und im nächsten Moment kommen Thyssenhütte und Straßenbahn. Ist doch egal. Soviel zur Globalisierung.

Stichwort Globalisierung: Wie bist Du auf die Idee gekommen, in „Nachtigall, huh (Es zittert unser Haus, was ist nur draußen los?)“ den „Gangnam Style“ zu interpretieren?

Das ist mir einfach so rausgerutscht.

Kannst Du den Tanz?

Mit dem Lasso und dem Pferd und so? Ha, ich könnte das wohl, doch, doch.

Der Gangnam-Sänger Psy kam plötzlich aus dem vermeintlichen Nichts und wurde zum Star. Ihm erging es also ähnlich wie Dir vor 20 Jahren, als Du nach jahrelanger Jazzclub-Tingelei auf einmal mit „Katzeklo“ den großen Durchbruch hattest. Siehst Du Parallelen zwischen dir und Psy?

Auf den Vergleich wäre ich jetzt nicht gekommen. „Katzeklo“ war ja ein Fliegenschiss gegen das, was dieser Typ weltweit erreicht hat. Ich finde den Psy aber lustig. Der hat es wider alle Gesetze der Unterhaltungsbranche geschafft. Das finde ich gut.

Deine eigene Fernsehsendung „Helge hat Zeit“ hast Du nach nur zwei Ausgaben aufgegeben. Wieso das?

Ich hatte keine Lust mehr. Ich fand mich total scheiße als Gastgeber einer Fernsehshow in der Art. Also, für mich kommt infrage: Entweder die große Showtreppe oder ernster, seriöser Gesprächsteilnehmer in einer Talkshow. Aber diese Sendung war mir zu piefig, weder bei der Einrichtung noch bei der Auswahl der Gäste wurde auf mich gehört. Ich mag auch keine Gäste toll finden, die ich in Wirklichkeit gar nicht toll finde. Ich lüge nicht gerne.

Würdest Du in eine Talkshow zur Bundestagswahl gehen?

Nein. Ich lasse mich politisch vor keinen Karren spannen, egal, von welcher Partei. Das finde ich blöd. Als Künstler muss man vollkommen autark und unabhängig bleiben.

Wo würde 00 Schneider denn Edward Snowden verstecken?

Das ist ein interessantes Thema. 00 Schneider hört im Film ja auch ab, er hat sogar ein Gerät. Was hat der Snowden eigentlich verbrochen? Der hat doch nur gesagt, was Sache ist und praktisch seine Vorgesetzten verpfiffen. Klar, gut, das macht man nicht. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“

Du musstest im vergangenen Jahr Konzerte absagen wegen einer plötzlichen Krankheit. Was hat Dir gefehlt?

Ich hatte auf einmal so einen totalen Brechdurchfall. Irgendwie war das ein Virus. Wenn du viel auf Tournee bist und viel rumkommst, hast du auch viel Stress, und das Essen ist nicht immer gut. Dadurch leidet deine Widerstandsfähigkeit, und die musst du dann erst wieder aufbauen.

Gitarre 2Achtest Du jetzt besser auf Deine Gesundheit?

Ich habe meine Ernährung ein bisschen umgestellt. Wenn ich sonst auf Tour war, habe ich zu viel gefressen. Ich bin zwar nicht dick, aber das ist nicht gut fürs Blut, das ganze Fleisch, der Käse, die Sahne, die drei Bier jeden Abend in der Hotelbar. Es ist natürlich verführerisch: Vor Konzerten baut man uns oft schon gegen 15 Uhr ein Buffet auf, bis abends steht das dann da, und du gehst immer wieder dran. Man hat ja auch Hunger, weil so ein Konzert körperlich anstrengend ist. Tja, und dann frisst du dir einen Wanst an. Jeder, der bis jetzt mit mir auf Tournee war, hat dabei zugenommen. Dem Treiben musste ein Riegel vorgeschoben werden.

Was hast Du konkret geändert?

Eine Zeit lang habe ich komplett auf Fleisch, Fisch und Milchprodukte verzichtet, insgesamt habe ich diese Sachen jetzt reduziert. Das macht echt agiler, und seitdem fühle ich mich fit.

Spürst Du das Alter?

Natürlich. Ich kann nicht mehr so gut gucken und rechts nicht mehr so gut hören. Ich brauche eine Lesebrille, auch wenn ich das erst gar nicht einsehen wollte.

Und körperlich?

Fühle ich mich fitter als vor zehn, 15 Jahren. Ich weiß noch, wie ich teilweise am Stock gegangen bin. Durch das viele Tanzen auf der Bühne und die hohen Schuhe hatte ich meine Knie ziemlich kaputt. Ich hatte auch mal einen spektakulären Skiunfall, bei dem ich mich drei Mal überschlug und wieder auf den Skiern landete und weiterfuhr. Das waren so Racing-Ski. Ich dachte, mir wäre nichts passiert, aber ich hatte mir wohl die Kniebänder überdehnt und jahrelang danach Sandalen auf der Bühne tragen müssen.

Du hast mal erzählt, dass Du als junger Mensch immer Opas beobachtet und ihr Verhalten und ihre Unterhaltungen in Dein Programm eingebaut hast. Inzwischen bist Du selbst ein Opa. Schaust Du Dir jetzt Sachen bei der Jugend ab?

Ich beobachte alle gerne, vom Kleinkind bis zum Opa. Ich habe immer das normale Leben im Kopf und baue es in die Auftritte ein. Aber obwohl ich mittlerweile vier Enkelkinder habe, fühle ich mich gar nicht als Opa.

…sondern?

Ich fühle mich seit einiger Zeit wieder: jünger. Das beobachte ich auch bei anderen Leuten in meinem Alter.

Woran liegt das?

Man wird wieder so herrlich naiv. Unbeschwerter. Anderes wird wichtiger als in jüngeren Jahren, in denen man seinen beruflichen Zielen hinterherrennt, Karriere machen will. Irgendwann braucht man das nicht mehr.

Die Gelassenheit des Alters?

Ja, klar, ich bin auf jeden Fall gelassener geworden. Den Tod vor Augen fühlt man sich befreit von dem Leben (schmunzelt). Das ist natürlich ein harter Satz, aber er stimmt.

Du bist 58.

Wer weiß, wie lange ich noch lebe. Es kann jeden Tag zu Ende sein. Aber so lange bin ich noch der Helge. Wer weiß, vielleicht lebe ich ja noch 60 Jahre. In Japan ist gerade einer mit 116 gestorben, wenn ich Glück habe, ist also gerade erst Halbzeit für mich.