Start Kunst & Kultur Naturkundemuseum: Gefährliche Weltenbummler

Naturkundemuseum: Gefährliche Weltenbummler

Wunderschöner Waschbär entspannt sich in warmer Herbst Sonne.

Ökosysteme sind komplex und sensibel. Mit an Bord des globalisierten Personen- und Warenverkehrs sind häufig – ungewollt – blinde Passagiere. Die „Exoten“ aus der Tier- und Pflanzenwelt haben abseits ihres natürlichen Lebensraumes erheblichen Einfluss auf das ökologische, gesundheitliche und wirtschaftliche System der neuen „Heimat“.

Inwieweit bedrohen Neobiota unsere heimische Artenvielfalt?
Inwieweit bedrohen Neobiota unsere heimische Artenvielfalt?

Österreichs Großlandschaften – Alpen, Alpenvorland, Ebenen, Hügelländer, Plateaus der Böhmischen Masse – bieten auf kleinstem Raum rund 67.000 verschiedenen Organismen einen über Jahrhunderte gewachsenen Lebensraum. Eines macht dem Besucher die großformatige Österreichkarte gleich am Beginn der Ausstellung „Weltenbummler – Neue Tiere und Pflanzen unter uns“ deutlich: 32 der rund 100 abgebildeten, wild wachsenden Pflanzen gehören ursprünglich nicht zur heimischen Artenvielfalt. Umgelegt auf das gesamte Ökosystem Österreichs bedeutet das, dass ein Drittel der von vielen wohl als heimisch deklarierten Pflanzenwelt-„Exoten“ aus mehr oder weniger fernen Ländern sind. Nach der Entdeckung Amerikas 1492 nach Europa gelangt, bezeichnet man sie als Neobiota.

Neobiota

Das Kuratorenteam Stockinger und Rabitsch.
Das Kuratorenteam Stockinger und Rabitsch.

 

Im Fokus der Ausstellung stehen jene 33 europaweit als am gefährlichsten klassifizierten „Aliens“ aus Flora uns Fauna. Jene der invasiven Art, die das heimische Ökosystem negativ beeinflussen und bis zum Aussterben von in Österreich heimischen Tieren und Pflanzen führen kann. In acht thematisch angeordneten Räumen erfährt der Besucher mithilfe anschaulicher Tier- und Pflanzenpräparate, rekonstruierter Lebensräume, Filmen und Infotexten, in wie weit er selbst am Import und der Verbreitung der Neobiota verantwortlich ist. Genauer hinschauen auf kleine Übeltäter ermöglicht das 50:1 Modell des Asiatischen Marienkäfers. Das Universalmuseum Joanneum ist das erste Museum, das zur Herstellung des ausgestellten Insektenmodells ein 3-D-Basismodell verwendete, das mithilfe eines Mikro-CT-Vermessungsverfahrens hergestellt wurde. Der Käfer demonstriert in seiner monströsen Größe folgenschwere Eingriffe in bestehende Ökosysteme durch den Menschen. So entkam der Käfer – zur Schädlingsbekämpfung in belgischen Gewächshäusern eingesetzt – seinem „Gefängnis“ und beeinflusst seither das Ökosystem vor Ort negativ. In Österreich sind unter anderem der Europäische Flusskrebs und die Bachforelle durch Exoten bedroht.

Schadensbegrenzung

Schwan (Medium)Weltweit nehmen die Wanderbewegungen zu und mit ihnen die Gefahr die Balance gewachsener Ökosysteme zu stören und langfristig unvorhersehbare ökologische, ökonomische und gesundheitliche Probleme zu schaffen. Österreich hat sich 1994 mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt verpflichtet. Daher ist steirischen Initiativen, die sich mit dem Umgang von Neobiota beschäftigen, ein eigener Ausstellungsraum gewidmet. Jahrhunderte lange Traditionen, wie die Jagd, kurzzeitige Hypes wie das Sportfischen oder der Wunsch die schönsten Exoten aus der Tier- und Pflanzenwelt in nächster Nähe zu haben, tragen zur aktuellen Entwicklung bei. Unbewusst werden wir als Käufer von Glücksbambus und gebrauchter Autoreifen, als Touristen unbewusst zu Transporteuren von gefährlichen, blinden Passagieren. Die Ausstellung hilft, das Bewusstsein für unser ausgeklügeltes Ökosystem zu schärfen. Ansicht_12 (Medium)

 

Text: Natalie Resch