Start Kunst & Kultur RESANITA: Die wilde Frau

RESANITA: Die wilde Frau

Tschechien, 2015

Das Projekt „Die wilde Frau“ ist eine künstlerische Recherche, in der sich das Duo RESANITA auf die Suche nach Gestalt(ung), durchaus auch Inszenierung und nach der Breite der Bedeutung dieser mythologischen Figur begab. Ausgangspunkt war sowohl ein emanzipatorischer als auch eine Neuerfindung der frühzeitlichen archetypischen Figur des „Wilden Mannes“ mittels Naturmaterialien. Die daraus entstandene Fotoserie ist ab 5. April im Kunsthaus Graz zu sehen.

Der „Wilde Mann“ ist eine bekannte archetypische Figur, die sich als Konstante in nahezu allen Kulturen wiederfindet. Als mythisches Wesen lässt er die archaische Kraft der Natur, die tiefe Verbindung mit ihr sowie deren Überwindung durch den kulturalisierten Menschen sichtbar werden. RESANITA erlauben sich in ihrem aktuellen Projekt – unterstützt von der Steirischen Kulturinitiative – anhand freier, fiktiver „Rekonstruktionen“, diesen männlichen Archetypus zur „Wilden Frau“ werden zu lassen, und machen sie zu einer gleichwertigen, starken anthropomorphen Gestalt. Das Projekt kann auch als feministische Intervention und Reaktion auf die Fotoserie „Wilder Mann“ von Charles Fréger, speziell auf die Figur „des Grünen“, einer in Zentraleuropa tradierten mythologischen Figur mit Ganzkörperkostüm aus organischem Material, bevorzugt Laub und/oder Zweige, gelesen werden. Konsequenterweise antworten RESANITA in der Ausstellung auch im Medium der Fotografie und mittels zweier Animationen.

Ungarn, 2015
Ungarn, 2015

„Beängstigend. Verstörend.“

Wurden die wilden Männer nach verschiedensten Konnotationen zu den zwischen braun und bräunlich changierenden Ereignissen in abgelaufenen Zeiten bereits in die Welt der Comics verräumt, so ist das Ziel für die wilden Frauen also kein Nachholprozess, sondern das Auffinden von „folgenreichen Fehlstellen der mythischen Überlieferung“. Möglich wäre auch, das in heutigen (allenfalls gestrigen) industriellen Chiffren zu identifizieren. Man denke nur an das Motiv weiblicher Kraftwesen im Technopark. Aber das wäre eine andere Ikonographie des wilden Weiblichen. Nein, RESANITA zieht es in einer Art Road-Movie in neun Länder (Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Ukraine, Polen, Tschechien, Slowakei und Österreich), hinaus in die sich wieder mehr Raum zurückholende Natur, in siedlungsferne, bewaldete oder steppenartige Räume im geographischen Osten Zentraleuropas. Entstanden sind dabei eindrucksvolle Fotografien, die am 5. April in einer Ausstellung im Space05 des Kunsthaus Graz präsentiert werden. „Ein Bündel Zweige, dichtes Blattwerk, oder Getreidehalme, geformt zu seltsamen Gestalten, nicht Mensch, nicht Tier, verschmelzend mit der sie umgebenden Natur. Beunruhigende Erscheinungen. Beängstigend. Verstörend. Die fremdartigen Gewächse verbergen weibliche Wesen, die sich den Blicken entziehen möchten. Die vermeintlich harmlose Natur erscheint mit einem Mal bedrohlich. Furchteinflößend. Wir denken an Unsichtbar machen, an Tarnung“, so der österreichische Schriftsteller und Journalist Martin Pollack über die Arbeiten von RESANITA. „Der emanzipatorische Antrieb, die Brauchwelt umzukehren oder besser gesagt, die Rollen gerecht zu verteilen, schien bisher nicht gekommen. So lebten die einen Frauenwesen in Sage und Märchen fort, die anderen waren in Wirklichkeit camouflierte Männer. Erst mit der „Emanzipation als Kunst“ scheinen die wilden Frauen erstmals Gestalt anzunehmen. Die anthropomorphen Heu- und grasartigen Grünen von RESANITA lassen die zu „Geschichtchen sein verdammten“ Wesen aufleben. Die Illusion nimmt dadurch Gestalt an. Die moosigen, grasigen, strohigen Gestalten wurden aus dem tausendjährigen Schlaf gerissen, zum Leben erweckt und finden endlich Eingang in die Welt, aus der wir ohnedies nicht fallen können, da wir nun mal in ihr drinnen sind, wie einst ein kluger Geist formulierte“, so die Philosophin Elsbeth Wallnöfer.

Österreich, 2013
Österreich, 2013

Die Position der Frau im Wandel der Zeit

Für den Initiator dieses Projekts – die Steirische Kulturinitiative – erweist sich „Die wilde Frau“ (nach mehr als 20 Jahren) als künstlerischer wie ideenkritischer Quantensprung. Damals waren Veronika Dreier, Doris Jauk-Hinz, Erika Thümmel oder Eva Ursprung – orchestriert von Ria Grabner – auf der Suche nach der Position der Frau in der Kunst, auch von Theoriebeiträgen begleitet. Seither hat sich einiges verändert, zumindest verschoben. Die damalige „Wirklichkeit“ der Starkstromtechnologie, des Massenverkehrs oder der Geschlechterparität in der Kunst ist etwas aus dem Fokus gerückt. In diesem Projekt will die Position von Frauen auch Platz in einer Überlieferung außerhalb der Geschichte. Das heißt, die von den Machthabenden kanonisierte Beschreibung des Vorlaufs unseres Seins reicht nicht aus. Visualisiert wird dieser weibliche Impetus von großformatigen Fotos, die uns in jeder denkbaren Umgebung Bekanntes aus weiter Fremde zeigen.

Anlässlich der Ausstellung entsteht ein Katalog mit Textbeiträgen von Martin Pollack (Publizist, Schriftsteller, Journalist), Elsbeth Wallnöfer (Kulturanthropologin, Philosophin), Lucas Gehrmann (Kurator Kunsthalle Wien, Kulturpublizist) und Elisabeth von Samsonow (Künstlerin, Philosophin). Die Publikation „Wilde Frau“ erscheint zeitgleich zur Ausstellungseröffnung im Verlag Bibliothek der Provinz.

Kroatien, 2015
Kroatien, 2015

 

RESANITA

Hinter RESANITA verbergen sich die beiden Künstlerinnen Resa Pernthaller und Anita Fuchs. Sie beschäftigen sich mit temporären Eingriffen in den urbanen Raum, mit nomadischen, kollektiven Prozessen, unterschiedlichsten Formen der Nature Art sowie Performances, die in subjektiven Mythen und feministischen Haltungen wurzeln. Ihr Handlungsfeld ist nicht selten der öffentliche Raum, der durch diese Interventionen belebt und mit sinnlicher Energie aufgeladen wird. Ihre gleichsam flexiblen wie spontanen Gemeinschaftsarrangements sind asylartige Stationen für zwischenmenschliche Kommunikation. RESANITA steht auch für einen eigenwilligen Naturtransfer – immer wieder treten in ihren Arbeiten Pflanzen als Metaphern für das gesellschaftlich, politisch und institutionell geformte Individuum auf. Die Orte des Betriebssystems Kunst werden zu einem vegetativ-heimeligen Erlebnisparcours. Das gebaute, narrative Umfeld zeugt von atmosphärischer Dichte, von Vertrautheit und Intimität. In diesen installativen Wahrnehmungsräumen verbinden sich autobiographische Geschichten und unaufdringliche Zivilisationskritik. Das Spiel mit Formen, Inszenierungen und Bedeutungsebenen kündet von einem von Leichtigkeit geprägten Umgang mit elementaren Themen, von Eigenständigkeit und (Selbst-)Ironie.

Anita Fuchs und Resa Pernthaller. Foto: Jürgen Fuchs
Anita Fuchs und Resa Pernthaller.
Foto: Jürgen Fuchs

 

RESANITA – Die wilde Frau / Vernissage: 5. April, 19 Uhr

Ausstellungsdauer: 6. 4. – 17. 4., 10 – 17 Uhr

Kuratiert von Katrin Bucher Trantow.

Zur Eröffnung sprechen Karl-Heinz Herper (Kulturstadtrat a.D. und Vorsitzender der Steirischen Kulturinitiative) und Katrin Bucher Trantow (Chefkuratorin des Kunsthaus Graz). Impulsvortrag von Elsbeth Wallnöfer (Philosophin & Kulturanthropologin).

Kunsthaus Graz / Space05

Eintritt frei!

 

Steirische Kulturinitiative

Die Steirische Kulturinitiative entdeckt und forciert Projekte, mit denen KünstlerInnen die Weiterentwicklung ihrer Arbeit in der und für die Steiermark realisieren können. Sie versteht sich als Ergänzung zu öffentlichen und privatwirtschaftlich punzierten Einrichtungen, die mit der künstlerischen Potenz im Lande nicht mithalten können. Eine in Richtung Innovationsfähigkeit, Kreativität sowie geistige und räumliche Flexibilität immer stärker geforderte Gesellschaft verlangt das – nicht nur für KünstlerInnen. Karl-Heinz Herper, Vorsitzender.

Facebook: Steirische Kulturinitiative Ki

Text: Wolfgang Pauker