Start Interviews Iris Laufenberg: „Theater darf keine Angst haben“

Iris Laufenberg: „Theater darf keine Angst haben“

Iris Laufenberg Foto: Lupi Spuma

Mit ihrem Schwerpunkt auf Gegenwartsdramatik beweist Iris Laufenberg Mut zu politischem Theater. Ein Gespräch über zeitgenössische Stücke, Angst und unsere sich verändernde Gesellschaft.

Text: Wolfgang Pauker

Eine Bilanz Ihrer bisherigen Zeit in Graz?

Ich finde es zu früh, Bilanz zu ziehen, wenn man noch so viele Pläne und Ziele hat. Es fühlt sich jetzt eher wie ein Ankommen in Graz an: Mit meinem Team, das ich zusammengestellt habe, mit den Stücken, unserem Profil. Was wir erzählen wollen, hat sich vermittelt und wir bekommen dafür viel Zuspruch in unterschiedlichster Art. Auch das Gefühl, mit dem Publikum im Dialog zu sein, ist mir sehr wichtig und das haben wir mit den Stücken, die sehr an- und teilweise auch sehr aufregend sind, auf jeden Fall geschafft.

Wie wurde Ihr Schwerpunkt der Gegenwartsdramatik angenommen?

Nach anfänglichen Schwierigkeiten erstaunlich gut. Das „Problem“ ist nicht, dass die Stücke neu sind, sondern dass unser Publikum schon im Vorfeld mehr über Autor und Stück wissen will. Darauf haben wir reagiert und bringen nun nicht nur die Trailer im Internet, sondern bieten auf unserer Website auch Audioaufnahmen an, die in das Stück einführen und schon zu Hause einen Eindruck vermitteln können, worum es uns geht. Und dann gab es auch den Wunsch vonseiten der Abonnenten, das Programmheft im Vorfeld zugesandt zu bekommen. Auch diesem sind wir nachgekommen. Es gibt also eine Vielzahl von Angeboten, die es dem Zuschauer einfacher machen, mit uns auf diese Reise der internationalen Gegenwartsdramatik zu gehen.

Foto: Lupi Spuma
Foto: Lupi Spuma

Auch die neue Spielzeit bleibt der Linie treu. Verlangt unsere sich verändernde Gesellschaft geradezu danach?

Ja. Thomas Arzt zum Beispiel, ein junger Autor, der sehr gesellschaftskritisch und politisch denkt und sich leidenschaftlich an Themen wie Heimat abarbeitet, wurde von uns beauftragt, mit Die Neigung des Peter Rosegger zur Eröffnung der zweiten Spielzeit ein Stück zu schreiben. Das hat sehr stark damit zu tun, dass es schwer ist, ein Stück zu finden, das dieses Auseinanderfallen der Gesellschaft – was man ja auch an der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl sieht – widerspiegelt. Und dieses Stück versucht anhand verschiedener Charaktere, ein breiteres Panorama von Gesellschaft auszumachen und aufzuzeigen, dass auch bei Konflikten das Wichtigste ist, miteinander zu reden. Eine wunderschöne Szene ist für mich etwa, als bereits die Gewehre ausgepackt sind, man sich aber trotzdem noch gemeinsam an den Tisch setzt, Schnaps trinkt und die Situation deeskaliert.

Was kann politisches Theater bewegen?

Es kann dabei helfen, Dialog zu stiften. Wichtig ist, dass Theater sich nicht für eine Seite positioniert, sondern unterschiedlichen Standpunkten auf der Bühne Raum gibt. Es ist ein sozialer Ort, an dem man auch nach dem Stück zusammensteht und über das Gesehene diskutiert. Das führt zu lebendigeren Auseinandersetzungen mit Themen, als andere Medien vielleicht in der Lage sind zu initiieren.

Wie politisch darf/muss Theater sein?

Das Theater darf vor allen Dingen keine Angst vor polarisierenden Themen haben. Ich glaube, Angst ist ein schlechter Berater und vorauseilender Gehorsam ist noch schlechter. Beides hat im Theater nichts verloren und muss draußen bleiben. Deswegen dürfen wir so frech und analytisch sein, wie es nur geht, aber gleichzeitig müssen wir dem Publikum und allen Interessierten immer Angebote machen, mit auf diese Reise zu gehen.

Junge Autoren vs. große Klassiker – wie wichtig ist Ihnen die Quote?

Quote ist sicher nicht das Wichtigste. Und ich glaube, dass wir auch den Auftrag haben, große Klassiker zu zeigen und ihnen eine gewisse Aufmerksamkeit im Spielplan zu geben. Das machen wir sehr gerne und proben beispielsweise gerade für Romeo & Julia und präsentieren bald Cyrano de Bergerac auf den Kasematten – zwei Klassiker, denen wir viel Zeit, Sympathie und Liebe entgegenbringen und die wir für heute lesbar machen.

Unter Ihrer Intendanz inszenieren verstärkt Frauen – bewusst so gewollt?

Ja. Schon während meiner Ausbildung und danach war auffällig, dass das Theater sehr stark männlich dominiert war – von Regieteams bis hin zu den leitenden Funktionen im Theater. In der Ausbildung gab und gibt es aber auch Frauen und mir ist total wichtig zu zeigen, dass eine Frau ganz selbstverständlich auch Regisseurin, leitende Dramaturgin oder eben auch Intendantin sein kann. In puncto „Können“ sind männlich oder weiblich keine Kategorien mehr, in denen gedacht werden sollte. Deswegen achte ich darauf, dass es sehr viele talentierte Regisseurinnen am Schauspielhaus Graz gibt.

Mit dem Dramatiker*Innen-Festival blickt man auch 2017 wieder weit über den theatralen Tellerrand Österreichs.

Vom Erfolg des diesjährigen Festivals waren wir regelrecht beflügelt und glücklich über diesen Zuspruch – gerade in einer Jahreszeit, in der das Theater bei Schönwetter schon mal gegen den Gastgarten ausgetauscht wird. Das war aber gerade nicht der Fall. Wir hatten nicht nur Zulauf aus Wien und internationale Gäste, sondern tatsächlich ein großes lokales, interessiertes Publikum und da dachte ich mir schon: Wow, hier ist wirklich etwas aufgegangen und das gibt uns Mut: für die Neuauflage des Dramatiker*innenfestivals im kommenden Juni und damit einer weiteren Schärfung des Gesamtprofils.