Start Interviews Paul Pizzera: Der neue Kabarett-König

Paul Pizzera: Der neue Kabarett-König

Foto: Moritz Schell

Ausverkaufte Hallen ohne Ende: Shootingstar Paul Pizzera ist mit 28 Jahren am Gipfel der österreichischen Kabarettszene angelangt. „Achtzig“ traf das Multitalent im Vorfeld seines Auftrittes in der Grazer Stadthalle.

Bevor du selbst deinen ersten Auftritt als Kabarettist im Grazer Theatercafé hattest, hast du dort als Kellner gearbeitet. Gab es für dich damals Vorbilder oder wusstest du: „Ich kann das alles noch viel besser“?

Ich hatte definitiv Vorbilder. Ich wollte zwar nicht genauso sein oder aussehen wie sie, aber sie haben mich mit ihrem Humor wahnsinnig inspiriert. Mike Supancic war so ein Vorbild. Mittlerweile ist er ein guter Freund von mir. Auch die Soloprogramme von Martin Puntigam fand ich immer schon sehr mutig. So mutig könnte ich nie sein. Ihm geht es nicht darum, dass er den Leuten gefällt, sondern dass er schockieren kann. Mike ist für mich der Lustigste. Und Martin der Beste in ganz Österreich.

Deine Shows sind auf Monate hin ausverkauft. Du hattest bereits einen Nummer-1-Hit im Radio. Hast du noch Träume?

Karrieremäßig jage ich nichts hinterher. Aber ich möchte immer mit der Musik weitermachen. Mein Traum wäre es, irgendwann einmal ein kleines Studio auf Kreta zu haben, wo ich vier bis fünf Monate im Jahr bin, um zu produzieren, um neue Lieder aufzunehmen. Den Rest der Zeit genieße ich dann in der Sonne.

Foto: Moritz Schell

Kabarettkenner meinen, du hast mit deiner Art zu spielen ein neues Genre erfunden. Siehst du dich als Musiker, Kabarettisten oder Künstler?

Auch wenn ich Kunst machen würde, würde ich mich selbst nie als Künstler bezeichnen. Da gibt es einfach schon zu viele schreckliche Beispiele, die irgendetwas machen und sich als Künstler bezeichnen. Ich mache Kabarett und Musik. Ich unterhalte einfach. Gott sei Dank kann ich damit mein Geld verdienen. Das ist doch das Wichtigste? (lacht)

Du hast den Bachelor in Germanistik. Wie lange warst du im Zwiespalt, dein Masterstudium abzuschließen oder hauptberuflich Kabarettist zu werden?

Mit dem Kabarett habe ich ja gerade angefangen, als ich mit dem Bachelor fertig geworden bin. Ich wollte ursprünglich mein Studium fortsetzen. Da aber in einigen Kursen Anwesenheitspflicht vorausgesetzt war, ist das Ganze kompliziert geworden. Aber bei aller Liebe: Mit einem guten Skriptum ist es noch überall gegangen! Trotzdem durfte ich die Kurse nicht machen. Ich dachte mir irgendwann, dann eben nicht. Mir war es dann egal.

Kommst du noch zum Lesen? Oder hat das Germanistikstudium gereicht?

Während des Studiums musste ich andauernd lesen. Wirklich wieder lesen zu wollen, ist erst mit der Zeit wieder gekommen. Darüber bin ich aber sehr glücklich. Weil das Lesen ablenkt, inspiriert und mich vor allem beruhigt.

Foto: Moritz Schell

Wie wichtig ist Bildung generell für dich?

Es ist beeindruckend, wenn jemand viele Fakten aus der Hüfte schießen kann. Ich denke aber, am wichtigsten ist der angeborene Intellekt.

Wie kann man sich dein Arbeiten an den Gags vorstellen? Sitzt du im Büro und textest?

Sehr unedel kann man sich das vorstellen: Die Arbeit passiert meist in der Jogginghose mit der Gitarre in der Hand auf der Couch. So entstehen gut 90 % meiner neuen Gags. Davon streiche ich dann 90 %, weil es einfach Blödsinn ist, und mit dem Rest arbeite ich dann weiter und nehme es auf. Die Testnorm ist es, selbst darüber lachen zu müssen. Wenn ich während des Schreibens lachen muss, ist es meist die richtige Richtung. Es macht aber auch Spaß, etwas selbst total lustig zu finden, damit auf der Bühne dann trotzdem als Rohrkrepierer zu enden. Oft liegt es dann allerdings an der Umsetzung und nicht am Schmäh selbst.

Du bist als „unechter“ Deutschlandsberger in Graz zur Schule gegangen und hast in Hitzendorf am Land gewohnt. Was gibt dir für die Bühne mehr Inspiration, Stadt oder Land?

Es gibt in der Stadt lustige Phänomene, am Land ebenso. Wenn ich es mir aber recht überlege, bietet das Land schon mehr Nährboden für mein Kabarett. Es stechen dort Bräuche und Gewohnheiten stark heraus. Am Land kannst du die Geschichten auch dialektal besser verarbeiten. Die Grazer haben ja keinen richtigen Dialekt. Sie glauben es zwar, aber es ist nicht viel mehr als ein gschlampertes Hochdeutsch. Dafür ist die Hässlichkeit in der Stadt präsenter. Du siehst bald einmal jemanden, der betrunken auf die Straße speibt. Das inspiriert genauso. Am Land siehst du so etwas nur auf kultischen Festen, da ist der Schein noch viel wichtiger als im urbanen Raum. Aber ganz ehrlich: Ob in der Stadt oder am Land, Dodln gibt es da wie dort.

Hat der Humor Grenzen? Gibt es Dinge, über die du dich niemals lustig machen würdest?

Grenzen gibt es keine. Warum sollte man nicht über alles Witze machen dürfen? Der Künstler auf der Bühne muss mit der Reaktion des Publikums leben. Früher oder später wird er gestraft oder gefeiert. Aber es gibt für mich ganz klar Dinge, über die ich persönlich keine Witze machen würde. Doch es ist für mich nicht logisch, dass es Themen geben soll, über die man nicht lachen darf.

Foto: Moritz Schell

Wird es in Zukunft auch ernstere Themen geben, mit denen du dich beschäftigst?

Kann sein. Kommt wahrscheinlich alles mit dem Alter. Ich werde heute aber einem 50-Jährigen nicht viel über sein Leben erzählen können. Weil ich einfach die Erfahrung nicht habe. Ich würde es auch nicht authentisch von einem Mitte-Zwanzig-Jährigen finden, wenn er sich auf die Bühne stellt und der Welt zu erklären versucht, wie das Leben läuft. Momentan möchte ich nicht in eine seriösere Richtung gehen. Von dem, was ich mache, fühlen sich vor allem relativ viele Twens angesprochen. Es geht ihnen in vielen Lebenslagen gleich wie mir. Das passt so.

Du erzählst im aktuellen Programm von Sex, Drugs & Kleinkunst. Wie viel Drogen braucht es, um jeden Abend gut gelaunt auf die Bühne zu spazieren?

Warum, denkst du, stellt sich Mick Jagger noch mit über 70 Jahren auf die Bühne? Obwohl er sich alles hineingedröhnt hat, was es gibt? Das Auftreten selbst ist die Droge. Es ist dieser Kick, dieses Adrenalin, dieses Ausgeliefertsein. Das ist ein Gefühl, das man kaum beschreiben kann. Das wird selbst zur Sucht. Du bist auf so einem irren Hoch, das es unvorstellbar ist. Und am nächsten Tag dann, wenn du den Geschirrspüler ausräumst, applaudiert niemand mehr. (lacht) Natürlich kann man nicht jeden Abend, an dem man auftritt, gut gelaunt sein. Hin und wieder macht die Freundin mit dir Schluss oder es gibt einen Todesfall in der Familie. Hatte ich alles schon. Aber man muss halt professionell sein. Das ist man dem Publikum schuldig. Darunter sind Leute, die warten seit vier Monaten auf die Show und freuen sich.

Es ist nachgewiesen, dass du sehr viele weibliche Fans hast. Wie schwierig ist es für dich als Shootingstar, treu zu bleiben? Du hast ja eine Freundin …

Treu zu bleiben ist nicht das Problem. Diese Homebase, wo du Vertrauen, Zuflucht und Stärke kriegst, ist für mich unverzichtbar. Ich würde das Vertrauen meiner Freundin nie missbrauchen. Doch die eigentliche „Arbeit“ liegt bei ihr. Sie muss sehr viel Verständnis aufbringen. Dazu muss man wirklich ein starker Mensch sein, um damit leben zu können, dass der Partner sehr viele Optionen hätte, und ihm  Erfolg und Aufmerksamkeit zu gönnen. Ich könnte es umgekehrt wahrscheinlich nicht so gut, wenn ich ehrlich bin.

Siehst du dich mittlerweile selbst als Vorbild?

Nein, denn wenn man sich selbst als Vorbild sieht, würde man berechnender vorgehen, als man es sollte. Ich versuche einfach, authentisch zu sein. Ich bin auf der Bühne im Grunde derselbe wie im Privatleben. Natürlich stimmen viele Geschichten nicht 1:1, denn so lustig ist mein Leben nicht. Aber Paul Pizzera ist Paul Pizzera. Würde ich mir vorstellen, was sich das Publikum von mir denken könnte, würde ich meine Kreativität beschneiden. Wahrscheinlich auch mein Ich.

Foto: Moritz Schell