Miami entwickelte sich als Hotspot des internationalen Jetsets in kulinarischer Hinsicht zu einer coolen Angelegenheit. Egal ob asiatisch, südamerikanisch oder europäisch: als Schmelztiegel der Kulturen präsentiert sich die Stadt erfrischend abwechslungsreich. Eine „Achtzig“-Reportage über Miamis Vorliebe für peruanische Küche, zarte Steaks und heiß begehrte Steinkrebse.
Brickell Key – ein idealer Ausgangspunkt
Brickell, eines der am schnellsten wachsenden Finanzviertel der USA, gilt als das „Manhattan des Südens“. Dementsprechend exklusiv entwickelt sich auch die dortige Wohnsituation mit Luxusappartements und Hotels. Der Stadtteil bietet sich für all jene an, die es weniger auf die Partymeile Miami Beach abgesehen haben und neben Sonne und Strand auch die anderen, nicht weniger interessanten, Seiten der Stadt entdecken wollen. Das Kunstviertel Wynwood ist schnell zu erreichen. Litte Havanna liegt quasi vor der Haustür und nach Miami Beach ist es nur ein Katzensprung. Auf Brickell Key, einer kleinen idyllischen Insel, befindet sich das Luxushotel Mandarin Oriental (www.mandarin-
oriental.com/miami). Ein eigener Privatstrand, perfektes Service und die geniale Lage machen es zu einer Ausnahme unter den Luxus-Hotels Floridas. Als zurückgezogenes Urlaubsdomizil für Berühmtheiten hat es sich nebenbei als kulinarische Adresse einen Namen gemacht. Für sein Restaurant La Mar wurde die peruanische Kochikone Gaston Acurio als Patron gewonnen. Seit Jahren schon erobert die peruanische Küche die Herzen von Feinschmeckern auf der ganzen Welt. Auch in Miami ist sie groß angesagt und das La Mar „the place to be“, wenn einem der Geschmack nach Südamerika steht.
Peruanische Küche in Miami
Wer ins La Mar kommt, wird den Geschmack Perus kennenlernen. Sollte einem das Glück zuteil werden, einen Tisch fürs Abendessen auf der Terrasse zu bekommen, dauert es allerdings ein paar Minuten, bis man sich auf die vielversprechende Speisekarte konzentrieren kann. Der Grund dafür ist die wohl schönste, nahezu surrealistische Aussicht auf die Skyline der Stadt und Biscayne Bay, die kein anderes Restaurant in ganz Miami zu bieten hat. Die ideale Gelegenheit, sich erst einmal mit einem Pisco Sour zurückzulehnen und das Setting zu genießen. Sind die ersten Eindrücke verdaut, geht’s mit dem nicht weniger spektakulären Essen los. Der Klassiker der peruanischen Küche schlechthin ist Ceviche. Es handelt sich um rohen, weißen Fisch bester Qualität, der in einer Art Limettenmarinade („Tigermilk“) mariniert und danach als Salat mit roten Zwiebeln und Gemüse zubereitet wird. Chefkoch Diego Oka serviert neben der klassischen Variante auch modern interpretierte Rezepturen, unter anderem mit Oktopus oder Shrimps. Auch eine asiatische Ausführung mit Lachs, Ingwer und Erdnüssen überzeugt.
Neben Cheviches sind es die Anticuchos, die in der Küche Perus zum verführerischen Standard zählen. Dabei handelt es sich um Spieße vom Holzkohlengrill in den unterschiedlichsten Ausführungen wie mit Seebarsch, Hühnchen oder Lobster. Abgerundet wird das Menü von größeren Gerichten, die man mit Freunden teilt. Zum Beispiel dem sogenannten Arroce: gebratener Reis aus dem Wok in zahlreichen Varianten.
Amerikanische Kochkultur
Typisch amerikanisches Essen ist als solches schwer zu definieren. So gut wie alles, was es an Kochkultur in den USA zu finden gibt, entspringt europäischen oder asiatischen Traditionen. So kann man in Miami zwar eine kulinarische Weltreise absolvieren, es fällt allerdings schwer, an authentisches einheimisches Essen zu gelangen. Typisch amerikanisch sind Hamburger und Steaks. Ersteres ist klassisches Fast Food für zwischendurch. Der vermutlich beste Burger Floridas, der Umami-Burger mit einem halben Pfund Angus-Rind, Chipotle-Gouda, Tomate und Speck im Brioche-Brötchen, wird am Food-Truck Garbos Grill auf Key West zubereitet. Dieser Traumburger ist vermutlich ein ernstzunehmender Mitgrund – neben der malerischen Fahrt über den Ocean Highway und den legendären Sonnenuntergängen – um die von Miami circa 200 Meilen entfernte karibische Insel zu besuchen. In Sachen Steaks gibt es in Miami unzählige Restaurants, um einen gemütlichen Abend zu verbringen. So gut wie alle großen, berühmten Steakhausketten wie Morton oder Smith & Wollensky haben Niederlassungen. Die Qualität ist gut und die Preise ebenso saftig wie das Stück Fleisch auf dem Teller. Ihr Nachteil: ihr Charakter von unpersönlichen Massenbetrieben. Der Hotspot unter den Steakhäusern in Miami Beach ist das Prime 112 – die Lieblingsadresse von Profi-Footballspielern, Starlets und Hip-Hop-Größen. Jeden Abend ist es voll bis an den Rand. Laute Musik und horrende Preise zählen zur Grundausstattung. Ein originales Steakhaus mit Miami-Charme ist das Meat Market in der Lincolnroad. Ebenfalls ziemlich angesagt, aber wesentlich gemütlicher. The Grill im legendären Setai-Hotel ist der Geheimtipp unter Reich & Schön. Um aber das traditionelle Miami auf den Teller zu bekommen, gibt es nur eine Adresse, und zwar das Joe’s Stone Crab in der Washington Avenue.
Joe’s Stone Crabs
Eine kurze Zeitreise: Wir befinden uns in einem kleinen Seefood-Restaurant in Miami Beach der 20er-Jahren. Hausherrin Jennie „adelt“ einen Stammgast mit den Worten: „Wissen Sie, wenn mir jemand unsympathisch ist, darf er nicht bei uns essen. Sie aber sind immer ein Gentleman gewesen und gehören zu meinen liebsten Gästen.“ Der glückliche Mann nennt sich selbst „Al Brown“ und kommt jeden Tag bereits um 17 Uhr zum Abendessen, um dem Trubel im Speisesaal zu entgehen. Meist mit einer Entourage an Begleitern. Brown revanchierte sich für die Gastfreundschaft mit einem großen Blumenstrauß an jedem Muttertag. Dass „Al Brown“ in Wirklichkeit Al Capone war, würde Jennie nie erfahren … In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich das Restaurant des Ehepaars Weiss zu einem gesellschaftlichen Anziehungspunkt, ist heute eine Institution in ganz Amerika und das kulinarische Wahrzeichen der Stadt. Streng genommen ist das Restaurant sogar älter als Miami Beach, denn es wurde bereits 1913 gegründet – zwei Jahre vor der offiziellen Stadtgründung. Im Jahre 1921 war es dann soweit. Ein Gast hatte die Idee, die im Überschuss vorhandenen Steinkrabben der Florida Keys in die Küche zu bringen. „Stone Crabs“ (Steinkrabben) waren zu dieser Zeit in Florida zwar bekannt, allerdings war man der Meinung, dass sie geschmacklich nichts hergaben. „Die wird ja niemand essen!“, meinte Joe. Sein Gast Howard Parker blieb hartnäckig und brachte am selben Tag einen Sack voller noch lebender Krebse. Die beiden experimentierten in der Küche und entdeckten die kulinarischen Qualitäten des Meeresgetiers. Von einen Tag auf den anderen schlug das neue Gericht ein wie eine Bombe und machte Joes Restaurant – heute Joe’s Stone Crab – weltberühmt. Al Capone sollte nicht der einzige Prominente bleiben. Hollywoodstars wie Sylvester Stallone, Johnny Depp oder Al Pacino speisten hier ebenso wie Gianni Versace, Puff Daddy oder John F. Kennedy.
Begehrte Steinkrabben
Auch heute noch werden die Krebse auf traditionelle Art gefangen und zubereitet. Die Fangsaison dauert von Mitte Oktober bis Mitte Mai. Die Fischer schneiden den Krebsen ihre großen Scheren ab und werfen das Tier dann lebendig zurück ins Meer. In einigen Monaten wachsen die Scheren der Krebse wieder nach. Noch am Fischerboot werden die Scheren gekocht, danach auf Eis gelegt und zum Fischmarkt gebracht. Die Kunst in der Zubereitung der „Stone Crabs“ liegt darin, die Schere mit einem Holzhammer so zu „knacken“, dass die Schale nicht splittert und man beim Essen kleine Teile in den Mund bekommt. Bei Joe’s reicht man dazu eine hausgemachte Senfsauce und „Coleslaw“ (Krautsalat). Je nach Größe kostet eine Portion zu sieben Stück zwischen 38 und 100 Dollar. Eine üppige Rechnung ist bei einem Besuch des Restaurants ebenso „Pflicht“ wie die lange Wartezeit auf den Tisch, denn seit dem Eröffnungstag vor über 100 Jahren werden keine Reservierungen angenommen. Es sei denn, man ist ein weltberühmter Gangster, Hollywoodstar oder der Präsident der USA.
Text: Stefan Zavernik