Im Sommer 2008, am 27. August, verlor Graz mit Herwig von Kreutzbruck einen seiner schillerndsten Dichter und vermutlich auch seinen größten Bohemien. Eine Erinnerung.
Seine Glanzeiten habe ich nicht mehr miterlebt. Ich kenne sie nur vom Hörensagen. Mit seinem unglaublichen Sprachtalent inspirierte er berühmt gewordene Dichterfreunde aus der Grazer Literaturszene, wie Wolfgang Bauer oder Gunter Falk. Als Vortragssaal diente meist ein einfaches Wirtshaus, seine Gedichte schrieb er gerne auf Papierservietten. Als ich Herwig das erste Mal begegnete, war er bereits über 60 Jahre alt. Es war auf der Geburtstagsfeier eines Freundes im ehemaligen Hilmteichschlössl. Ich entdeckte ihn, als er bereits gut gelaunt nach einigen Gläsern Rotwein, mit einer selbstgedrehten Zigarette in der Hand, an einem der Tische eine seiner legendären, poetischen Reden hielt. Ob seine Zuhörer den intellektuellen Höhenflügen wirklich folgen konnten, sei dahingestellt. Sicher war jedoch, dass sein aristokratisches Auftreten einen nahezu magnetische Anziehungskraft ausübte. In den letzten Lebensjahren wuchs in ihm der Wunsch, sein Werk in Buchform zu bringen immer stärker.
Es ist schade, dass der sprachgewandte Dichter so gut wie keine Spuren in Graz hinterlassen hat. Als er im Sommer 2008 verstarb, wurde ihm von der Stadt Graz eine Gedenkbank an einem seiner Lieblingsplätze, dem Rosenhain, aufgestellt. Schon nach wenigen Wochen war diese verschwunden. Es bleibt zu hoffen, dass derjenige, der sie entwendet hat, das gute Stück zu schätzen weiß.
Die Treffen mit ihm in seiner gemütlichen Wohnung, in einer herrschaftlichen Villa in Mariatrost, wirken im Nachhinein wie ein surreales Kunstwerk. Herwig thronte in seinem alten Ohrensessel und ließ sich von einem seiner Anhänger – es waren immer Freunde zugegen – seine Zigaretten drehen. Durch die offene Balkontür klang das rhythmische Klopfen der Tennisschläger vom gegenüberliegenden Tennisplatz – ein beruhigendes Geräusch, das entschleunigende Wirkung ausübte. Kreutzbrucks scharfsinniger Geist war auch in seinen letzten Jahren, in denen eine Lungenkrankheit seinen körperlichen Verfall unaufhaltsam vorantrieb, eine Bereicherung. Man konnte ihn in so gut wie in jeder Angelegenheit um Rat fragen, und konnte sich einer klugen und zugleich erheiternden Antwort sicher sein.
Kreutzbruck wurde am 27. Dezember 1939 in Graz geboren. Er absolvierte Volksschule und Gymnasium. Geprägt durch seine Mutter, die er Zeit seines Lebens verehrte, studierte er Germanistik und Theologie. In den Jahren 1970 bis 1990 war er Lektor im Styria Verlag. Ebenso begründete er den Künstlerverein Odysseus in Domino Graz. Er ist Autor zahlreicher Werke der Lyrik, der satirischen Lyrik, von Bühnenwerken und einiger Prosa. Als eines seiner Hauptwerke gilt die Narrenballade, die erst nach seinem Tod im Jahre 2009 im Gedichtband Trommel und Geige (Leykam Verlag) veröffentlicht wurde. Das kleine rote Buch ist der einzige offizielle Nachlass, der seinen Fans geblieben ist.
Schriftsteller Gerhard Roth über Herwig von Kreutzbruck:
„Er ging mit einem Spazierstock, obwohl er ihn gar nicht gebraucht hat, benutze ihn in Lokalen zum Herumdirigieren während seiner Reden und poetischen Ansprachen.
Für mich war Herwig von Kreutzbruck eng mit meinem Beginn als Schriftsteller verbunden. Er war es, der mir den Weg in die Moderne gewiesen hat… in der Schule waren es Goethe und Schiller, Kleist und Büchner. Er überraschte mich mit einer Literatur, von der ich bis dahin nichts gewusst hatte, zum Beispiel mit Rimbaud, Verlaine, Baudelaire oder Villon. Ich kann nur hoffen, dass man ihn in Graz nicht vergessen hat und seine Poesie für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich macht.“
Text: Stefan Zavernik