Seit dem Jahr 2008 lädt die AK Steiermark zu Kunstausstellungen in die hauseigene Galerie. Denn: Kultur und Arbeit liegen näher beisammen, als man es auf den ersten Blick vermuten möchte. „Achtzig“, die Kulturzeitung, sprach mit dem AK Steiermark Präsidenten Josef Pesserl über die Schnittpunkte zwischen Arbeit, Wirtschaft und Kunst.
Vernissagen, Lesungen oder tiefgreifende Bildungsinitiativen: Kultur ist in der AK zum Fixpunkt geworden. Wie eng liegen Kultur und Arbeit tatsächlich beieinander?
Kultur und Arbeit sind untrennbar miteinander verbunden. Aus diesem Grund sieht sich die AK auch in der Verantwortung ihre Mitglieder für Kultur zu begeistern. Kultur ist jener Raum, in dem Gedanken und Visionen entstehen. Vermeintlich Unmögliches wird angedacht. Arbeit lässt viele dieser Ideen dann im Alltag lebendig werden.
Kultur findet nicht nur in der Kunst ihre Ausdrucksformen, sondern auch in den Umgangsformen einer Gesellschaft. Wie viel Kultur steckt in der österreichischen Wirtschaft?
Ehrlich gesagt könnte mehr in ihr stecken, nicht nur in der österreichischen, sondern global betrachtet. Alles was momentan zählt, ist der betriebswirtschaftliche Erfolg. Viele scheinen zu vergessen, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist – zumindest in einer kultivierten Betrachtung. Wirtschaft sollte allen dienen, nicht nur ein paar wenigen. Unser System, in dem wir momentan leben, fährt gegen die Wand. Und zwar sichtbar. Wir produzieren jeden Tag mehr Arbeitslose. Gleichzeitig wird ein immer kleiner werdender Kreis immer reicher. Es stellt sich die Frage einer vernünftigen Verteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen. Und es geht auch um eine vernünftige Verteilung von Belastungen. Es darf auch nicht weiterhin so sein, dass Einkommen aus Arbeit, wo Wertschöpfung entsteht, hoch besteuert wird und reiner Vermögenszuwachs ohne Wertschöpfung nur in geringem Ausmaß. Das halte ich für unfair. Es geht nicht um Neid. Es geht um eine einigermaßen verträgliche Verteilung der Kosten zur Finanzierung des Gemeinwohls. Hier gibt es noch großen Handlungsbedarf.
Viele große Konzerne verlagern ihre Produktionsstätten in Länder mit billiger Arbeitskraft, auch innerhalb der EU. Steckt dahinter wirtschaftliches Denken oder ein kulturloser Denkfehler?
Als die EU gegründet wurde, war es die Idee, dass jene Länder mit zu billigen Arbeitskräften ihre Niveaus an Länder wie Deutschland oder Österreich anpassen. Nun ist das Gegenteil der Fall. Manche Vertreter der Wirtschaft schielen immer nach dem Billigeren. Wenn ich das zu Ende denke: Es wird immer jemanden geben, der noch billiger ist. Überspitzt gesagt wäre der Normalzustand für manche wohl erst dann erreicht, wenn die Arbeit quasi nichts mehr kostet. Aber: Wenn niemand mehr etwas verdient, wer soll dann etwas kaufen? Eigentlich müsste hohes Interesse daran bestehen, dass die Menschen gut verdienen.
Gerade in Österreich stehen immer wieder die Lohnnebenkosten in der Kritik. Sie seien zu hoch und machen das Land als Wirtschaftsstandort immer weniger attraktiv. Wie stehen Sie dazu?
Wenn es um die steuerliche Belastung von Arbeitsleistung geht, gibt es sicherlich Handlungsbedarf. Über was man diskutieren sollte, ist der Familienlastenausgleich. Auch darüber, dass die Lohnnebenkosten generell unfair aufgeteilt sind. Man muss aber rigoros zwischen steuerlichen Belastungen und den sogenannten Lohnnebenkosten unterscheiden. Lohnnebenkosten sind zum Beispiel Urlaubsgelder, Weihnachtsgelder, der Beitrag zur Krankenversicherung, jener zur Arbeitslosenversicherung oder zur Pensionsversicherung. Das sind alles Dinge, welche die Menschen absichern sollen. Wollen wir zum Beispiel, dass die Leistungen der Krankenversicherung verringert werden? Das würde dazu führen, dass diejenigen mit gutem Einkommen eine gute medizinische Versorgung bekommen und alle, die wenig verdienen, nicht. Und zur Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sage ich, dass diese nicht mit einem Kostensenkungsprogramm hinsichtlich der Sozialabgaben gesteigert wird, sondern mit Innovationen in den Bereichen Forschung und Entwicklung. Mit intelligenten Produkten. Daran wird sich zeigen, ob wir in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben.
Dennoch: Wie könnte man die Lohnnebenkosten optimieren?
Ein konkretes Beispiel: Ein Betrieb beschäftigt 1.000 Mitarbeiter und macht einen Umsatz von einer Milliarde Euro. Der andere beschäftigt 100 Mitarbeiter und macht auch einen Umsatz von einer Milliarde Euro. Der erste Betrieb zahlt das Zehnfache an Sozialabgaben. Hier muss man umdenken und zwar in Richtung einer fairen Lastenverteilung unter den Betrieben. Für die Beitragszahlungen sollen nicht mehr alleine die Lohn- und Gehaltssummen den Ausschlag geben, sondern auch der generelle Betriebserfolg. So könnte man personalintensive Betriebe entlasten, die Lohnnebenkosten senken und kann jene Betriebe, die „verschont“ werden, auch in die Verantwortung ziehen. Eine ähnliche Herangehensweise wäre für mich auch für die Lehrlingsausbildung denkbar. Es kann nicht sein, dass immer weniger Unternehmen Lehrlinge ausbilden, die Kosten dafür alleine tragen müssen und andere Betriebe sich dann die fertigen Fachkräfte abholen, ohne etwas dazu beigetragen zu haben. Lehrlingsausbildung ist eine Investition, von der alle Betriebe profitieren. Also sollten auch alle Betriebe investieren.
Wie zufrieden ist man aus Sicht der AK mit der Steuerreform?
Bei der Steuerreform haben wir als Arbeitsinteressensvertretung Gewaltiges erreicht. Lange wurde ja behauptet eine Steuersenkung könnten wir uns nicht leisten. Dennoch ist diese nun Realität geworden. Rund fünf Milliarden Entlastung wurde erreicht, 90 % davon fließt in das niedrige Einkommen und in den Mittelstand. Die Senkung der Lohnsteuer wird 2016 das Wirtschaftswachstum ordentlich ankurbeln. Die Massenkaufkraft wird steigen. Die Steuerreform trägt den Versuch in sich für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.
Eine Ausstellung in der AK Steiermark Galerie aus der jüngeren Vergangenheit beschäftigt sich mit dem Phänomen der „Panikblüten“. Zeigt Kunst in diesem Falle einen möglichen Lösungsvorschlag für wirtschaftlich schwierige Zeiten?
In meinen Augen schon. Die Pflanzen entwickeln in der Krise noch einmal ihre schönsten Blüten, um Insekten anzulocken. Sie machen das genaue Gegenteil von dem, was bei uns momentan in der Wirtschaft und in der Politik passiert. Man redet alles schlecht, oft sogar noch schlechter als es in Wirklichkeit ist. Anstelle die schönsten Blüten zu zeigen, um die Menschen zu motivieren, wird Angst geschürt. So wird sich kaum etwas zum Positiven verändern.