Alle Jahre wieder stellt das steirische Unternehmen Böhler Edelstahl GmbH mit der Herausgabe des Böhler Kunstkalenders sein kulturelles Engagement unter Beweis. Mit der Gestaltung für 2016 wurde der steirische Künstler Wolfgang-Peter Zottler betraut. Das Leitmotiv „Roter Faden“ inspirierte den Kapfenberger zu insgesamt 18 Arbeiten, in denen die vielfältige Wirkung der Farbe Rot zum Ausdruck kommt.
Wie der Zufall so will
Wolfgang-Peter Zottler wurde 1960 in Graz geboren. Nach Absolvierung der Höheren Technischen Lehranstalt für Maschinenbau in Kapfenberg, trat er 1983 seine Laufbahn als Techniker bei Böhler Edelstahl an. Seiner technischen Karriere immer treu geblieben, arbeitet er heute als Senior Design Engineer im Bereich Turbinenschaufel. Doch schon seit seiner Kindheit übte die bildnerische Gestaltung eine besondere Faszination auf ihn aus. Das erste Mal bewusst mit der Materie auseinandergesetzt hat er sich aber erst 1987 im Rahmen von Malkursen an der Volkshochschule. Ab 1991 intensivierte sich die künstlerische Auseinandersetzung des Autodidakten mit verschiedenen Techniken, wie Gouache, Aquarell, Acryl- und Ölmalerei bis er schließlich in letzteren seine favorisierten Ausdrucksmöglichkeiten fand. Bereits 1992 feierte Zottler seine erste Ausstellungseröffnung. An sie knüpfen bis heute zahlreiche regionale Werkschauen an. Neben Ausstellungen widmete sich Zottler unterschiedlichen künstlerischen Projekten wie der Zeitkartengestaltung der Grazer Verkehrsbetriebe, der Gestaltung von Kunstkalendern für die Firma Uniplan und verschiedenen Illustrationen und Logoentwicklungen. Sein malerisches Können teilt er seit 1993 im Rahmen von verschiedenen Malseminaren. Warum hat Wolfgang-Peter Zottler trotz sicherer Erfolge der Technik nie den Rücken gekehrt und sich ganz der Kunst gewidmet? „Ich genieße die Freiheit, meine Kunst unabhängig von finanziellen Zwängen zu leben. Ich male nicht, weil ich muss, sondern, weil ich es will. Durch die finanzielle Unabhängigkeit muss ich den Menschen weniger gefallen und mich zum Trendmaler degradieren lassen. Ich kann experimentieren und mich immer wieder neu erfinden, ohne Angst haben zu müssen, dass niemand mehr meine Bilder kauft.“
Die Bilder des Kapfenbergers gefallen nicht nur ihm selbst, sondern auch anderen. Das beweisen neben privaten Sammlern auch der Auftrag zur Gestaltung des Böhler Kunstkalenders 2016. „Es war eine große Ehre und zugleich große Herausforderung für mich, den Böhler Kunstkalender gestalten zu dürfen.“ In fünf Monaten entstanden insgesamt 18 Bilder, von denen Zottler zwölf für den Kalender ausgewählt hat. Der Titel Roter Faden fasst die einzelnen Werke zu einer Einheit zusammen, die stimmiger und intensiver nicht sein könnte. „Rot hat mich gefunden“, meint der Künstler und spricht damit die Wirkmacht jener Farbe an, die den Menschen seit Jahrhunderten begleitet. Mit Rot werden Signale gesetzt, Aktivität dargestellt, aber auch Emotionen zum Ausdruck gebracht. Daneben findet es sich in leuchtenden Sonnenaufgängen und im wichtigsten Elixier des menschlichen Lebens, im Blut. Die unterschiedlichen Aspekte der Farbe begleiten Zottler schon seit Beginn seines Schaffens. Dabei liegt die Herausforderung in der stetigen Neuentdeckung des bereits Bekannten. Im Ausloten neuer Grenzen der eigenen Person und Vorstellungskraft und dem Material, mit dem man arbeitet. Unter dem Titel Roter Faden ist nun für den Böhler Kunstkalender 2016 eine Bildserie entstanden, die Walter Flecker, kunstaffiner Unternehmer und langjähriger Freund von Zottler, als „abstrakte, mit rätselhaften Zeichen durchwobene Bilderwelt“ beschreibt und als „abstrakten Symbolismus“ zusammenfasst. In der Metapher des Fadens verborgen liegt für ihn der Hinweis auf „das Kontinuum, das stetige Schaffen, das Streben nach Weiterentwicklung“ seines Freundes.
Als favorisierte Maltechniken beschreibt der Künstler die Acryl- und Ölmalereien. Acryl trocknet sehr schnell, es drängt. Öl hingegen gibt mehr Zeit. Für schnelles Arbeiten in Serien ist Acryl deshalb die erste Wahl. Zottler arbeitet in pastoser Malweise. Dazu verwendet er reine Pigmente, die er selbst anreibt. Seine Affinität zur Farbe Rot hat ihn dabei über die Jahre ähnlich intensiv begleitet wie die Wahl der Maltechnik. Inwiefern kann nun aber von einem Streben des Künstlers nach Weiterentwicklung gesprochen werden? Zottler startet immer mit einer globalen Idee und verdichtet sie bis ins Detail. Rot wird zu Purpurrot, Karminrot, oder Englischrot. Damit gelingt es ihm, von Sammelbegriffen zu einem facettierten, individuellen Ausdruck zu gelangen. Rot ist nicht gleich Rot, es hat viele Gesichter. Oder um es mit den Worten von Gitta Mallasz zu sagen: „Rot ist eine Welt mit Sonnen, Monden, Welten, …“. Zottler hat es sich zur Aufgabe gemacht, immer neue Stimmungen und Töne der scheinbar gleichen Farbe zu entdecken und damit ihre Vielgestalt vor Augen zu führen. Eine Motivation, die ihn Bilder gestalten lässt, die den Betrachter auf Anhieb berühren oder ihn zu einem zweiten Blick herausfordern. In den Arbeiten für den Böhler Kunstkalender 2016 tritt der Wandel von der allgemeinen Kategorie zum individuellen Ausdruck besonders stark hervor. Indem Zottler ein einheitliches Format von 70 x 70 Zentimeter wählt, wird der Fokus des Betrachters stärker auf den zentralen Aspekt der Arbeiten gelenkt: Die Wirkung seiner Farben und die inhaltlichen Details, die sich aus jener Wirkung ergeben. Wenn es am 5.November 2015 bei der Präsentation des Böhler Kunstkalenders 2016 „Die Ausstellung ist eröffnet!“ heißt, dann gilt es sich also Zeit zu nehmen. Zeit, sich auf die einzelnen Arbeiten einzulassen, damit sich deren Kraft in ganzer Form entfalten und sich im Auge des Betrachters weiterentwickeln kann.
Text: Barbara Jernej