Start Interviews Wolfgang Muchitsch: Vieles in der Kunst ist bereits ausgeschöpft

Wolfgang Muchitsch: Vieles in der Kunst ist bereits ausgeschöpft

Wolfgang Muchitsch im Interview über Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum und Freie Szene.

Das Jahr 2015 hatte es für das Universalmuseum Joanneum in sich. Zuerst die Diskussion rund um das Grazer Kunsthaus und dann der – für viele plötzliche – Rücktritt von Peter Pakesch. Wie schwierig ist es, unter diesen Umständen die Zukunft zu planen? Was wird sich ändern? Was fehlt? „Achtzig“ führte ein Gespräch mit dem neuen alleinigen Geschäftsführer, Wolfgang Muchitsch.

Landesrat Christian Buchmann bezeichnet die großen Kulturinstitutionen gerne als „Tanker“ der Szene. Gerät das Universalmuseum Joanneum womöglich in Seenot?

Es ist klar, dass solche Diskussionen und Entwicklungen zu einer gewissen Unruhe führen. Gerade aber in unruhigen Zeiten besteht die Chance, sich weiterzuentwickeln, etwas zu verändern und womöglich zu verbessern. Das Programm der nächsten Zeit ist bereits entwickelt. Das wurde gemeinschaftlich mit Peter Pakesch umgesetzt. Wir fallen also nicht in ein großes Loch. Erst ab 2017, 2018 geht es wieder darum, eine neue Planung zu beginnen. Es gibt auch hier schon Überlegungen zu Schwerpunkten und keine Planungskrise. Genauso wenig sehe ich uns als Tanker. Ein solcher ist doch etwas Träges, Schmutziges und befördert meist giftige Stoffe. Er verkörpert kein positives Bild. Ich sehe uns als Flotte mit kleinen und größeren, schnelleren und langsameren Schiffen. Als Flottenverband, in dem es verschiedene Rollen gibt.

Die einzelnen Häuser im Joanneum sollen nun gestärkt werden. Wie viele Freiheiten wird es zukünftig geben?

Es geht darum, dass wir in vielen Bereichen Einsparungspotenziale erkennen. So viel wie möglich soll ins Programm und in die einzelnen Ausstellungen fließen. Autonomie und Freiraum empfinde ich als wichtig, absolute Freiheit kann es aber nicht geben. Weiterhin sollen gemeinsame Ziele gesetzt werden, denn das Universalmuseum muss ein gemeinsames Ganzes bleiben. So wie bei einem Vogelschwarm: Jeder Vogel fliegt zwar individuell, aber in dieselbe Richtung und in einer gemeinsamen Formation. Diesen Spagat müssen die Leiter der einzelnen Häuser nun bewältigen. Sie müssen das Beste für ihren Standort herausholen, zugleich aber auch das Gesamtinteresse vertreten.

Wie straff waren unter Peter Pakesch in der Vergangenheit die Vorgaben an die einzelnen Häuser? 

Alles wurde immer sehr kollegial im gesamten Führungsteam beschlossen. Stringente Vorgaben von oben gab es eigentlich nicht, es waren Teamentscheidungen. In den Jahren, in denen ich im Haus tätig bin, habe ich gelernt, es ist wichtig demjenigen, der verantwortlich ist, zum Beispiel, einem Kurator, den Freiraum zu lassen, das zu tun, wofür er „brennt“. Das werden dann die guten Projekte. Es macht wenig Sinn, wenn man Themen oder Ausstellungen irgendwo „bestellt“. Es geht vielmehr um die Fragen: Was würdet ihr gerne tun und wie kann ich euch als Geschäftsführer dabei unterstützen? Wie können sich einzelne Ideen und Wünsche zu einem größeren Ganzen fügen?

P1050170 (Medium)Zum Kunsthaus: War die Diskussion – ausgehend von Bürgermeister Nagl – im Nachhinein berechtigt? Und vor allem, war sie fruchtbar?

Sie führte zu einem wertvollen Feedback, was im Kunsthaus bisher geleistet wurde. Peter Pakesch hatte immer ein sehr gutes Feedback aus der Kultur- und Museumsszene erhalten. Die Politik hat es offenbar anders gesehen. Vor allem die Diskussion über die Öffnung des Hauses, über die damals alles andere als optimale Lösung mit dem Café, war wichtig. Die Art der Entstehung der Debatte ist allerdings zu bedauern. Hier hätte ich mir schon gewünscht, dass sich die Politik zuerst mit uns an einen Tisch setzt, bevor sie in die Medien geht. Aber wie auch immer: Es ist nun einiges passiert. Das neue Kunsthauscafé ist ein Erfolg geworden. Und der neue Space05 ebenfalls.

Können Sie es nachvollziehen, warum sich die Freie Szene darüber mokiert, zu wenig eingebunden zu werden?

Im Nachhinein kann ich festhalten, dass sich Kollege Pakesch zu Beginn seiner Amtszeit sehr darum bemüht hat, auf die Szene zuzugehen. Er hat den Dialog mit ihr gesucht. Ob die Szene genauso dialogwillig war, wie es die Situation erfordert hätte, darüber könnte man nun streiten. Ich denke, es ist nicht nur an Peter Pakesch gescheitert, warum man heute meinen könnte, die Szene sei nicht gut genug eingebunden. Fakt ist auch, dass wenn man zu einer Ausstellung ins Kunsthaus Graz eingeladen wird, die Arbeit gewissen Qualitätsnormen und Ansprüchen gerecht werden muss. Neben noch mehr Offenheit und Transparenz ist es aber definitiv ein Ziel, die heimische Szene in Zukunft noch mehr einzubeziehen.

Anders gefragt: Was sollte mit dem Kunsthaus keinesfalls passieren?

Es gab in den letzten Jahren immer das Schreckgespenst im Hintergrund, dass das Kunsthaus zu einer beliebigen Einrichtung verkommt, in der jedermann ausstellen kann. Nur weil man lange keine Ausstellung mehr hatte oder vor kurzem einen runden Geburtstag gefeiert hat, steht einem keine Kunsthaus-Ausstellung zu. Genauso wenig wünsche ich mir, irgendwelche Freizeitausstellungen. So etwas zu verhindern, ist aber nicht nur unsere Aufgabe, sondern auch jene der Kulturpolitik. Es gibt verschiedene Spielstätten und Ausstellungsmöglichkeiten in Graz. Alle von ihnen haben ihr eigenes Profil. Die Kunsthaus-Diskussion hat mir auch gezeigt, dass es in Graz keine Stadtgalerie gibt, aber eine hohe Nachfrage danach besteht. Die Grazer Szene bräuchte ihre eigene Ausstellungsmöglichkeit. Hätte Graz eine städtische Galerie, hätte es viele Diskussionen gar nicht erst gegeben. Es gibt eine Lücke zwischen dem Kunsthaus und der Merkur-Galerie, wenn man so will.

Das Kunsthaus wird diese Lücke auch in Zukunft nicht schließen. Welche Einrichtung käme sonst in Frage?

In meinen Augen wäre das Künstlerhaus, das KM-, geeignet. Zur Zeit wird sie am ehesten aber von Johann Baumgartner und seiner Hofgalerie im Steiermarkhof geschlossen – sehr erfolgreich, wie ich meine.

Wäre das Kunsthaus besser aufgehoben, wenn man es aus dem Universalmuseum ausgliedert?

Sicher nicht. Es ermöglicht viele Synergien für das gesamte Museum, ein Herauslösen hätte in meinen Augen keinen Vorteil, im Gegenteil. Diese Struktur zu zerstören, würde nur Mehrkosten verursachen.

Für das Kunsthaus wird eine neue Leitung gesucht. Wie wird die Ausschreibung aussehen, und bis wann möchte man die Position besetzt haben?

Die Ausschreibung hat im Oktober begonnen, die Bewerbungsfrist läuft bis Ende des Jahres. Bis Februar 2016 möchten wir eine Entscheidung getroffen haben. Hierzu wird eine Hearing-Kommission gebildet, bestehend aus Personen der Direktion, des Aufsichtsrates und des Kuratoriums. Und aus drei internationalen Experten – das ist mir persönlich sehr wichtig. Diese werden als Gutachter für das Verfahren herangezogen.

Wie wichtig ist es Ihnen, die neue Leitung des Kunsthauses international zu besetzen?

Man kann davon ausgehen, dass sie aus einem internationalen Verfahren heraus ermittelt wird. Ich würde es aber nicht von vornherein ausschließen, dass die zukünftige Leitung eine regionale Person sein kann. Wer auch immer es wird, wäre gut beraten auf internationale Erfahrung und Netzwerke zurückgreifen zu können. Ich würde es mir nicht wünschen, dass jemand diese Funktion einnimmt, nur weil er ein gutes Standing und eine Nähe zum Joanneum oder gar zur Politik hat.

Pakesch nennt die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen als einen Hauptgrund für seinen Rücktritt? Wie schwierig ist es wirklich? Wie unzufrieden macht die aktuelle Kulturpolitik?

2003 bis 2011 hatten wir sehr gute Rahmenbedingungen. Geld war zwar immer zu wenig da, aber dennoch hat rundherum vieles gepasst. Nun, durch die Reformbudgets, wurden die Rahmenbedingungen schwieriger. Solche erfordern in meinen Augen schon ein gewisses Maß an Vertrauen in jene Personen, die unter diesen arbeiten müssen. Schwierige Herausforderungen zu schaffen und zugleich neue Forderungen zu stellen, immer mehr zu fordern, macht die gesamte Situation nicht einfacher.

Die großen Ziele in Ihrer ausstehenden Periode bis Ende 2017?

Weiterhin wird ein Schwerpunkt auf Kunstvermittlung gelegt. Ich selbst sehe auch noch sehr viel Potenzial im Bereich der Naturwissenschaft, in der Volkskunde und bei den multimedialen Sammlungen. In der Kunst hingegen ist schon vieles ausgeschöpft. Eine immer größer werdende Herausforderung ist folgende: Im Grunde hat das Joanneum zu viel Infrastruktur in Relation zu seinem Programmbudget. Wir haben fast zu viel Ausstellungsfläche. Vielleicht haben wir auch zu viele Standorte. Wirklich alles ausreichend zu bewerben, ist kaum möglich.

Oft wird die Albertina als Vorbild in Sachen Werbewirksamkeit herangezogen…

Stimmt. Das hört man auch im Kuratorium des Öfteren. Die Albertina macht acht Ausstellungen im Jahr an einem Standort und wir machen etwa 40 Ausstellungen an 12 Standorten. Und das mit einem bescheidenen Marketingbudget. Wie kann man da erwarten, jede Ausstellung in der ganzen Steiermark mit Plakaten zu bewerben?

Wie sehr ist das Joanneum von den Touristen abhängig?

Eine unserer großen Hoffnungen liegt darin, dass der Kulturreferent des Landes nun auch Tourismusreferent ist. In den letzten Jahren hat sich der Steiermark-Tourismus eigentlich nur auf Skigebiete und Thermen spezialisiert. Mit Kulturthemen wurde überhaupt nicht reüssiert. Unsere Museumsarbeit unterscheidet sich von jener in Wien sehr stark, denn wir sprechen immer wieder dieselben Personen an. Das regionale Publikum ist für uns auf Grund der geringeren Touristenzahlen wesentlich wichtiger. Wir müssen also versuchen, unsere Besucher dazu zu bewegen, immer wieder zu kommen. Da muss man realistisch bleiben. Wir haben keine Touristen, die zu Hunderttausenden kommen und eben auch im Museum vorbeischauen.

Wie schwierig ist es eigentlich, Sponsoren aufzutreiben?

Im Rahmen der Landesmuseen sind wir weit voraus, was unsere Sponsoreneinnahmen betrifft. Natürlich wäre, diese noch zu steigern. Unser Glück ist, dass wir zwei, drei große Sponsoren haben, die uns immer sehr treu gewogen sind. Es gelingt uns auch immer wieder, sehr projektbezogene Sponsoren an Bord zu holen.

Wie hoch ist der Anteil am Gesamtbudget?

2015 sind wir bei rund 350.000 Euro Sponsorenvolumen, Spenden nicht eingerechnet.as Gesamtbudget für 2015 beläuft sich auf rund 25 Millionen Euro. Davon werden rund 90 % durch öffentliche Förderungen finanziert, 10 % erwirtschaften wir selbst durch Kartenverkäufe, Sponsoring, Vermietungen.

Braucht das Universalmuseum einen zweiten Geschäftsführer?

Alleine zu sein, macht manches einfacher, vor allem bei Entscheidungsfindungen. Vieles aber wird schwieriger. Man kann sich nun nichts mehr aufteilen. Die alleinige Geschäftsführung funktioniert aber auch sehr gut, vor allem deswegen, da wir dahinter sehr starke Teams haben. Wenn diese nun gestärkt werden, könnte auch in Zukunft ein Geschäftsführer reichen. Es gibt ja auch noch zwei Prokuristen. Ich könnte mir die Struktur so auch in Zukunft gut vorstellen. Die Entscheidung liegt aber bei den Eigentümern, dem Land Steiermark und der Stadt Graz.

 

Text: Stefan Zavernik