Volle Flüchtlingsboote oder alltäglich wirkende Menschenmengen. Die Malerei von Anton Petz verleiht bekannten Bildmotiven eine neuartige, eindringliche Präsenz. Anlässlich seiner aktuellen Ausstellung im Quartier Leech bat „Achtzig“ den Künstler zum Interview.
Ihre Bilder, die volle Flüchtlingsboote zeigen, sind heute so nahe am Puls der Zeit, wie die Berichterstattung im Fernsehen. War die heutige Flüchtlingsproblematik für Sie vorherzusehen?
Das Flüchtlingsschiff als Motiv habe ich schon vor 12 Jahren gemalt. Die Flüchtlingsthematik war damals schon ein drängendes Problem und hat mich beschäftigt, vielleicht weil ich über die Lebensgeschichte meiner Mutter schon sehr früh mit dem Themenkomplex Flucht und Vertreibung konfrontiert wurde. Jenes Ausmaß, wie es nun ganz Europa in Atem hält, war für mich damals allerdings nicht absehbar, auch wenn mich die Apathie und der Mangel an Empathie in unserer Gesellschaft schon schockiert hat. Es schien ja alles sehr weit weg zu sein.
Kommt der Kunst in Zeiten wie diesen eine besondere Aufgabe zu? Muss Kunst gerade jetzt politisch sein?
Kunst hat ja schon immer gesellschaftliche Situationen reflektiert, selbst die Flucht ins Private, wie etwa im Biedermeier, spiegelte ja auch nur die Machtlosigkeit der Bürger zu Zeiten Metternichs. Wenn wir die Demokratie ernst nehmen, sollten sich ja alle am gesellschaftlichen Leben beteiligen und dieses dadurch mitgestalten, also auch die Künstler. Natürlich werden Menschen, die meine Bilder betrachten, dazu angeregt, über gewisse politische Zusammenhänge nachzudenken.
Als Motive Ihrer Bilder wählen Sie immer wieder Ansammlungen von Personen. Entpuppt sich für Sie das eigentliche Wesen der Menschen in der Masse?
Ich würde sagen, dass das Individuum von der Masse bedroht wird. Nicht nur wenn es ihr gegenübersteht, sondern auch in seiner Individualität, wenn es sich in ihr befindet. Das ist für mich ein spannendes Thema.
Ihre Motive stammen oft aus der Welt der Medien – sehen Sie sich als Medienkünstler? Und: wie kam es zu den Medienbildern?
Ich sehe mich als Maler, der sich mit Medien beschäftigt. Ich hinterfrage die Verwendung von Bildern. Fotos aus den Nachrichten sind ja zeitlich begrenzt, sie tauchen kurz auf und sind leicht wieder aus dem Blick zu bekommen. Ein Flüchtlingsschiff hingegen, das man aus dem Fernsehen oder aus Zeitungen kennt, in ein klassisches Medium wie die Malerei zu transferieren, führt dazu, dass das Bild an Bedeutung gewinnt. Ein gemaltes Bild ist ein Objekt, das an der Wand hängt und eine permanente optische Präsenz entfaltet.
Dienen die Fotos als Inspiration oder als Skizze?
Als Grundlage für ein Bild dient in der Regel nicht ein Foto alleine. Es werden vielmehr mehrere Fotos zu einem Bild verwoben. Es gibt auch Bilder, bei denen ich nur Ausschnitte aus Fotos verwende. Sie sind eine Grundlage und in diesem Sinne mehr als reine Inspiration. Ich suche Bedeutungsträger, die optisch interessant sind.
Es fällt schwer, sich an Ihren Bildern sattzusehen. Wie entstehen Ihre Arbeiten?
Ich habe eine gewisse Vorstellung, wie ein Bild komponiert werden kann. Erst danach entstehen die Fotos als Vorarbeit. In Kuba zum Beispiel habe ich die Orte genau untersucht, bevor ich fotografiert habe. Man sucht den Ort also mehrmals auf und fotografiert immer wieder. Nach etwa 200 Fotos geht es daran, etwa 15 herauszusuchen, die man für die Malerei verwendet.
In Ihrer Bildsprache ist das Motiv der Menge genauso markant wie die typische Farbgebung. Werden die Farben selbst zur Aussage?
In meiner Farbwahl steckt nichts Kryptisches. Der Wunsch ist, eine strahlende Farbigkeit zu erreichen und dem Bild dadurch eine höhere Präsenz zu verleihen. Mittlerweile ist die Farbgebung Ergebnis einer jahrzehntelangen Praxis. Es fasziniert mich, Farben in ein Extrem zu treiben, indem ich zum Beispiel ein Lila neben ein Zitronengelb setze.
Aktuell ist Ihnen eine Ausstellung im Quartier Lech gewidmet. Die Arbeiten dazu entstanden in China und Kuba. Wie politisch wurden diese Bilder? Sind sie als persönliche Bilanz über den Kommunismus zu sehen?
Sie spiegeln eine sehr persönliche Betrachtung von utopischen Hoffnungen wider, die man einmal gehabt hat. Sie haben nicht unbedingt etwas mit dem Kommunismus zu tun. Es geht um die Hoffnung einer sozial gerechteren Welt. Obwohl die Länder kommunistische, ja diktatorische Regierungen haben, ist der Drang der Bevölkerung an der Teilhabe am Konsum oft größer als der an gesellschaftlicher Mitbestimmung. Dies wirft ja auch Fragen auf, die unsere westliche Welt zutiefst betreffen.
Kapitalistische Phänomene waren immer wieder Thema in Ihren Arbeiten. Hat die freie Marktwirtschaft ebenso versagt?
Geld und Waren können über den gesamten Globus verschickt werden, Menschen hingegen brauchen ein Visum – wenn sie keines haben, wird es schwierig. Eigentlich ist das zum Lachen.
Die Ausstellung „Bilanz China–Kuba“ ist noch bis zum 8. Jänner im Quartier Leech zu sehen: Afro-Asiatisches Institut Graz, QL-Galerie, Leechgasse 24, 8010 Graz. Darüber hinaus ist Anton Petz in Graz exklusiv bei der Galerie Reinisch Contemporary vertreten.
Text: Stefan Zavernik