„Seasons“ heißt die neue Produktion des Cirque Noël. Ein Stück, das wie der Frühling in den Ohren klingt. Sich wie der Sommer in der Seele anfühlt. So bunt und ungestüm vor den Augen wirbelt, wie belaubter Herbstwind. Und Gänsehautmomente bereithält, die man von langen Winterspaziergängen kennt.
„Mit seiner neuen Inszenierung „Seasons‟ nimmt der Regisseur des legendären Circus Klezmer sein Publikum mit auf eine spannende Reise, bei der sich die Bilderwelt Pieter Brueghels, der Wechsel der Jahreszeiten und die Zyklen des Lebens kunstvoll miteinander verweben“, lautet die pragmatische Beschreibung jenes akrobatischen musikalischen Zirkus-Theater-Stücks von Adrian Schvarzstein, dessen Magie sich niemand entziehen kann. Warum sollte man auch? Denn bei aller Vielfalt die, die Inszenierung bietet, bleibt am Ende nur eines zu erwarten: pure und unverfälschte Freude für Jung und Alt!
Ein Vorgeschmack
Schon bevor der letzte Zuschauer Platz genommen hat, regt und bewegt sich etwas im halbdunklen Bühnenraum. Das Häppchen besteht aus dem, als eifrigen Briefmarkensammler getarnten, Regisseur. Und aus einem Musikanten, der mit seiner Viola da Gamba einen ersten Vorgeschmack auf den musikalischen Hauptgang des Stückes liefert: Die jüdische Volksmusiktradition Klezmer, in seiner unverfälschtesten Form. Dann geht das Licht aus im Zuschauerraum!
Der erste Gang
Die nächsten eineinhalb Stunden wird ohne Pause erzählt. Vom Frühling, vom Sommer, vom Herbst und vom Winter. Also vom Lauf der Natur und dem Mitlaufen des Menschen als Teil davon. Doch passiert diese Erzählung nahezu ohne Worte. Stattdessen bilden, neben den akrobatischen Einlagen vor allem die als Hintergrundbilder eingesetzten Arbeiten vom niederländischen Künstler Pieter Brueghel, wichtige narrative Elemente des Stückes. Eine inspirierende Entscheidung, wenn man die Motivik des alten Meisters vor Augen hat. Denn in seinen Malereien spiegelt sich die bäuerliche Lebenswelt des 16. Jahrhunderts wider, die in „Seasons“ zu einem gelungenen Sinnbild für das Zusammenspiel von Mensch und Natur werden. So stimmig sich diese Bilder und ihre langsame Transformation auch gestalten: Dem Zuseher bleibt nicht viel Zeit sich damit zu beschäftigen. Denn es gibt so viel mehr zu entdecken.
Die Hauptspeise ist angerichtet
Da wird Laub aufgewirbelt. Dort regnet es Briefmarken vom Tisch. Dann wird mit Gemüse jongliert, oder mit Champagnerflaschen. Das Kleiderwaschen wird zum akrobatischen Akt. Das Wäscheaufhängen dann zum Seiltanzen. Und so treibt es einen weiter und fort. „Sei frech und wild und wunderbar“, hat Astrid Lindgren gesagt und obgleich „Seasons“ kein kleines Mädchen ist, lässt es sich indirekt als solches beschreiben. Denn die Inszenierung strotzt vor Impulsivität, die authentisch und unerprobt wirkt und die, das Spektakel zu einem herrlich unkontrollierbaren Rausch für die Sinne macht. Einem Rausch, der mindestens bis zum nächsten Tag anhält, aber sich nicht mit Kopfschmerzen verabschiedet, sondern an den man sich auch Tage später noch mit einem Lächeln und einem wohlig warmen Gefühl im Bauch erinnert. Ein Rausch ohne Altersbeschränkung. Ein Rausch, bei dem sich alles dreht, ohne zu überfordern. Und ausnahmsweise ein Rausch, der sein Geld wert ist. Prädikat: Unbedingt erlebenswert!
Text: Barbara Jernej