Am 5. März 2016 wird an der Oper Graz die Premiere von Bohuslav Martinu˚s Oper „Die Griechische Passion“ gefeiert. Eine Oper in vier Aufzügen, die neben einer allzeit brisanten Thematik auch ein spektakuläres musikalisches Ereignis verspricht.
Im griechischen Dorf Lykovrissi zieht der Sommer ein. Es ist kurz vor Ostern und die Vorbereitung für die jährlichen Passionsspiele läuft auf Hochtouren. Doch kurz nachdem die Rollen dafür vergeben sind, wird das eingespielte Treiben rund um die vorösterliche Idylle des Dorfes jäh erschüttert. Grund dafür ist das Eintreffen einer Gruppe von Menschen, die auf der Suche nach Schutz und Zuflucht sind. Denn ihr Heimatdorf wurde bei einem feindlichen Angriff zerstört. Das unumstrittene Oberhaupt der schutzsuchenden Fremden ist der Priester Fotis, gespielt von Markus Butter. „Fotis ist ein prophetischer Anführer, nicht nur in Glaubensfragen, sondern auch in politischen und sozialen Angelegenheiten. Er vereinigt in seiner Person den Prediger, den Philosophen, den Staatsmann, den Heerführer und gleichzeitig den Friedensbringer und Heiligen“, charakterisiert Butter seine Rolle. Nicht verwunderlich, dass eine so vielseitige Persönlichkeit von den Dorfältesten mit großem Misstrauen wahrgenommen wird. Misstrauen, das sich auch auf die Dorfgemeinschaft überträgt. Denn die Mehrheit der Gemeinde weist die Hilfesuchenden ab. Lediglich die Passionsdarsteller solidarisieren sich mit den Ankömmlingen. Allen voran der Schafhirte Manolios, dem im österlichen Passionsspiel bezeichnenderweise die Rolle des Christus zugesprochen wurde. Seine real gelebte Nächstenliebe überträgt sich alsbald auf viele der anderen Bewohner des Dorfes. Eine Entwicklung, die die Dorfältesten in immer größeren Argwohn versetzt und in einer Katastrophe zu enden droht. Gespielt wird der zur Exkommunizierung verdammte Manolios von Rolf Romei, der damit sein Debut an der Oper Graz gibt.
Was muss geschehen, damit die Welt endlich gerecht und friedlich wird?
Wie es so weit kommen kann, dass sich eine Gemeinschaft, die sich vom Fremden bedroht fühlt, letztlich gegen die eigenen Leute richtet, also jene, die sie vermeintlich zu verteidigen versucht, ist nur eine der Fragen, die das Stück aufwirft. Dazu kommt nach Meinung von Markus Butter auch die Frage, wie unsere Gesellschaft mit hilfesuchenden Menschen umgeht: Wie kann die Hilfe des Einzelnen im Gegensatz zu der des Kollektivs aussehen? Welche Bedeutung kommt dem Glauben in dieser Debatte zu? Kann der Glaube noch helfen? Und wenn ja, welcher Glaube? Kann man in einem westlichen Sozialstaat leben, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen? Oder was muss geschehen, damit die Welt endlich gerecht und friedlich wird?
Zwischen zwei Welten
Abgesehen von diesen hochaktuellen gesellschaftspolitisch motivierten Fragestellungen regt das Stück aber auch auf anderen Ebenen zur Reflexion an. Beispielweise über das Zusammenwirken von Realität und Fiktion. Denn wenn Manolios, der Schafhirte, der die Rolle des Jesus in den Passionsspielen einnimmt, die damit verbundene Barmherzigkeit spiegelbildlich in die Realität übersetzt, so stellt sich die Frage, wo die Darstellung und damit die Fiktion aufhört und wo die Realität beginnt.
Ist es der Schauspieler, der die Rolle prägt, oder prägt die Rolle ihren Spieler? „Ich war Schüler einer katholischen Klosterschule und habe viele aufrichtig glaubende Menschen kennengelernt. Aber die Auseinandersetzung mit einer neuen Rolle beinhaltet auch das Kennenlernen neuer Perspektiven, neuer Lebensweisen und neuer Kulturkreise. Ich bringe ein großes Interesse mit, mich auf dieses Kennenlernen einzulassen“, so Markus Butter.
Wenig Worte, viel Musik
Der Inhalt der Griechischen Passion basiert auf der Novelle des griechischen Autors Nikos Kazantzakis (1883–1957), der für die Vertonung seines Werkes eng mit dem tschechischen Komponisten Bohuslav Martinu˚ (1890–1959) zusammengearbeitet hat. „Wenig Worte, viel Musik“, lautete die Devise bei der Arbeit an der Adaption. Entstanden ist ein Bühnenwerk, dessen „Musik in allen Farben schillert. Pathetisch, zärtlich, volkstümlich, wohltuend, modern, bedrohlich und ausufernd, immer ausdrucksvoll und deshalb ungemein fesselnd“, beschreibt Markus Butter das musikalische Feuerwerk, dass die Zuseher der Griechischen Passion erwartet.
Ein musikalisches Meisterwerk
„Die Sprache des Komponisten Martinu˚ schöpft aus Topoi der christlichen Liturgie. Allerdings weiß man oft nicht, ob gerade der Muezzin singt oder ob man sich in einer orthodoxen Messe befindet. Die Emotionen der Figuren werden sehr eindringlich, hochexplosiv, aber immer verständlich fürs Publikum in Töne gesetzt“, beschreibt Chefdirigent Dirk Kaftan die musikalische Diversität des Stückes. „Martinu˚ hat die Musik unabhängig vom Zeitgeist der 50er Jahre komponiert. Emotionen, Pathos, Tonalität, Archaik waren verpönt in dieser Zeit des musikalischen Neuanfangs. Das schien ihm egal zu sein! Er knüpfte nahtlos an Janácek und die Musik vor dem Krieg an“, fügt Kaftan hinzu. Bei der musikalischen Umsetzung geht es dem Chefdirigenten der Oper Graz vor allem darum, die „Sprache spürbar zu machen und das nackte Erleben dieses ehrlichen Bekenntnisses unter die Haut gehen zu lassen.“ Für die Regie des hochaktuellen und hochemotionalen Meisterwerks, das am 5. März seine Premiere feiert, zeichnet der Schweizer Regisseur Lorenzo Fioroni verantwortlich.
Text: Barbara Jernej
Premiere: 5. März 2016, 19.30 Uhr
Weitere Vorstellungen:
9., 12., 17., 23. März, 15. April, 22. April 2016, 19.30 Uhr
3. April, 10. April 2016, 15 Uhr
Kostprobe:
Der Besuch einer Bühnenorchesterprobe als Vorgeschmack auf die große Premiere.
27. Februar 2016, 9.30 Uhr
Treffpunkt im Foyer
Vor der Premiere:
Ein authentischer Blick auf die Arbeit an der Produktion.
28. Februar 2016, 11 Uhr (Malersaal)