Die Bezeichnung UNESCO City of Design will mehr sein als ein Titel. Sie steht für eine kreative Grundhaltung und der damit einhergehenden Förderung der heimischen Kreativszene. Design ist dadurch für Graz zu einem neuen Markenzeichen geworden.
Graz hatte schon viele Titel. In den 70er-Jahren galt sie dank Gerhard Roth, Peter Handke und Wolfgang Bauer als heimliche Literaturhauptstadt. Im Jahre 2003 wurde sie zur offiziellen Kulturhauptstadt Europas gekürt. Und seit 2008 trägt sie nebenbei noch den Titel Genusshauptstadt. Zu verdanken hat sie ihre Auszeichnungen alle demselben Nährboden, der heimischen Kreativszene. Es lag also nahe, Graz als das zu präsentieren, was es immer schon war. Als außergewöhnliche Kreativstadt. Als einen Ort, der offen ist für Neues und an dem vielversprechende Experimente auf fruchtbaren Boden stoßen. 2011 erhielt Graz nach erfolgreicher Bewerbung durch die CIS (Creative Industries Styria) somit einen weiteren Titel, der treffender nicht hätte sein können: City of Design.
Was ist in den letzten fünf Jahren gelungen?
Zahlreiche Projekte, Calls, Wettbewerbe, Vorträge und Diskussionen haben Design seither zu einem omnipräsenten Thema in Graz werden lassen. Mit dem Designmonat Graz erschuf die CIS im Jahre 2009 ein dichtes, interdisziplinäres Programm in dem jährlich das Potenzial der heimischen Kreativwirtschaft gebündelt nach außen hin sichtbar wird. Eine Leistungsschau der steirischen Kreativwirtschaft, mit Ausstellungen, Festivals und einem umfangreichen Diskursprogramm, die auch international Bedeutung erlangen konnte. Das Thema Design hat Graz auch als internationalen Bildungs-standort gutgetan. So wurde zum Beispiel der Studiengang Industrial Design vom US-amerikanischen Magazin Business Week unter die besten Designschulen der Welt gewählt. Wenn es um Design geht, gewinnt Graz zunehmend an Anziehungskraft, immer mehr Studierende aus der ganzen Welt entscheiden sich dazu, ihre Ausbildung in Graz zu absolvieren.
Kreativität als Wirtschaftsmotor
Der in der Steiermark ohnehin aufstrebenden Kreativwirtschaft hat Graz als City of Design einen zusätzlichen Schub gegeben. Es ist gelungen, die Kreativszene noch intensiver mit Handwerk, Gewerbe und Industrie zu vernetzen und dadurch den ohnehin beträchtlichen Anteil an der gesamten Wertschöpfung der Steiermark weiter auszubauen. Seit Juli 2015 hat die Stadt Graz eine eigene Koordinationsstelle der City of Design ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, Potenziale zu erkennen, eine Wertehaltung zu entwickeln und Design im öffentlichen Raum verstärkt sichtbar zu machen. „Schon immer war es die kreative Intelligenz der Stadt, die Graz zu etwas Besonderem werden ließ. Dieses Potenzial wollen wir in Zukunft noch mehr ausschöpfen. Vor allem muss es gelingen, erfolgreiche Kreativunternehmer in der Stadt Graz zu halten“, so Wolfgang Skerget, Leiter der Koordinationsstelle City of Design.
Design betrifft uns alle
Was aber versteht man unter Design? Welche Bereiche betrifft es? Fest steht: Ein zeitgenössischer Designbegriff konzentriert sich nicht auf die nachträgliche Gestaltung von Oberflächen unterschiedlicher Art, sondern ist vielmehr ein ganzheitlicher Gestaltungsprozess in allen Phasen der Entwicklung von Produkten, Dienstleistungen und Services für die Gesellschaft. „Design ist keine nachträgliche Behübschung“ bringt es Wolfgang Skerget auf den Punkt. „Design verkörpert eine ästhetische Grundhaltung und befruchtet sämtliche kreative Disziplinen. Kunst, Kultur, Wissenschaft und Architektur profitieren gleichermaßen. Letztlich dient Design dem Menschen.“ Lebensqualität durch Design ist es auch, welche Graz in einer Reihe mit Weltmetropolen wie Shanghai, Berlin oder Buenos Aires im Netzwerk der Creative Cities Network bestehen lässt. „Graz als City of Design hat nicht den Anspruch, zu New York zu werden. Graz steht für sich selbst, als eine lebenswerte Stadt, in der man als Unternehmer der Kreativwirtschaft ein fruchtbares Umfeld vorfindet.“
Designkultur hautnah
Wer die heimische Kreativszene kennenlernen möchte, hat am 23. April eine Vielzahl an Möglichkeiten. Verschiedene Rundgänge und Bustouren entführen ihre Teilnehmer auf Erkundungstouren quer durch Graz und präsentieren dabei lebendige Designkultur. Am Vorabend, dem 22. April, findet auf der Grazer Murinsel eine große 5-Jahresfeier statt. Alle Programmpunkte sind kostenlos.
Die Bedeutung der Kreativwirtschaft steigt ständig
Creative Industries Styria (CIS). City-of-Design-Koordination. Zwei Schnittstellen, ein Ziel: Das kreative Potenzial der Stadt weiterhin zu fördern.
Eberhard Schrempf im Interview: „Die CIS ist Katalysator und Kompetenzzentrum“
Design ist in Graz sehr präsent. Doch was ist Design eigentlich genau?
Der Begriff ist insofern nicht ganz einfach, weil er bei uns völlig falsche Konnotationen erzeugt. Viele Menschen verbinden Design mit der nachträglichen optischen Aufwertung von Produkten. Das wird dem Begriff aber überhaupt nicht gerecht. Design ist vielmehr Teil des Entstehungsprozesses von Produkten und Dienstleistungen. Es ist keine Hülle, die übergestülpt wird, sondern ein zentrales Werkzeug in der Entwicklung. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Design makes the difference, könnte man sagen – den Unterschied nämlich zwischen einem nur guten Produkt und einem exzellenten Produkt. Das ist übrigens ein Anspruch, den die gesamte Kreativwirtschaft an sich selbst stellt.
Stichwort Kreativwirtschaft: Welche Bedeutung hat die Creative Industries in der Steiermark?
Die Kreativwirtschaft ist eine der am stärksten und schnellsten wachsenden Branchen. Jedes zehnte steirische Unternehmen zählt mittlerweile zur Kreativwirtschaft, in der rund 4.000 Betriebe aktiv sind. Das reicht vom klassischen Grafik- und Designbüro über Architektur bis hin zu Medien und Mode. Ganz besonders ist in der Steiermark übrigens auch der Bereich Software- und Gamedesign, der sich überdurchschnittlich entwickelt. Das hat auch Auswirkungen auf die Beschäftigung und auf die Wertschöpfung: Die kreativen Unternehmen beschäftigen rund 14.000 Menschen und erzielen einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Der ganze Designsektor ist in 2 Jahren um 25 % gewachsen. Die Steiermark liegt damit deutlich über dem Österreichschnitt und das prägt natürlich auch das Bild der Stadt und der Region im Ausland. Ein Aspekt ist dabei besonders augenfällig: Design und Kreativität sind eindeutig urbane Phänomene. Die Hälfte der Kreativen ist in Graz tätig, im Großraum Graz sind es sogar zwei Drittel.
UNESCO bedeutet immer auch Internationalität. Was heißt das für Graz als UNESCO City of Design?
Es leistet einen Beitrag zur weiteren Internationalisierung der Stadt. Das Creative Cities Network umfasst im Moment 116 Städte aus 54 Ländern, 22 davon sind wie Graz City of Design. Mit ihnen sind wir auch intensiv im Austausch und haben dadurch die Möglichkeit, Graz auf internationaler Ebene zu präsentieren und beispielsweise innovative Stadtentwicklungsprojekte wie die Smart City einer interessierten Öffentlichkeit vorzustellen. Unser Netzwerk umfasst dabei Designstädte wie Montréal, Nagoya, Shanghai oder Buenos Aires, um nur einige zu nennen. Als Creative Industries Styria sorgen wir dafür, dass steirische Unternehmen dieses Netzwerk auch nutzen können und dabei geht es nicht allein um die Kreativwirtschaft, sondern um alle Bereiche der Wirtschaft. Die CIS übernimmt dabei die Rolle des Katalysators und des Kompetenzzentrums, um diese Vernetzungsarbeit voranzutreiben.
Wie sehen Sie die Zukunft der kreativen Arbeit und damit der Kreativwirtschaft?
Die Bedeutung der Kreativwirtschaft wird in Zukunft weiter ansteigen. Die Zuwachsraten in den kreativen Branchen deuten eindeutig darauf hin. Das verweist nicht zuletzt auf den Übergang von der Produktions- hin zu einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft. Dieser Strukturwandel ist eine große Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Wir werden Wirtschaft und Arbeit neu denken müssen, neue Antworten auf neue Fragen finden müssen. Auch dabei kann Design eine Rolle spielen, weil es mit herkömmlichen Lösungsstrategien aufräumt und neue Ansätze in die Diskussion einbringt.
Eberhard Schrempf war von 1985 bis 1990 Technischer Direktor und von 1990 bis 1992 Organisationsleiter des Avantgarde-Festivals „steirischer herbst“. Von 2001 bis 2004 war er Geschäftsführer und stellvertretender Intendant von „Graz 2003 – Kulturhauptstadt
Europas“. Seit 2007 ist er Geschäftsführer der Creative Industries Styria.
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Wolfgang Skerget im Interview: „Es geht um eine gelebte Haltung“
Wie wurde Graz zur „City of Design“?
Weil es den geeinten Willen in Stadt und Land gab, sich um diesen Titel zu bewerben, und weil die Creative Industries Styria (CIS), die die Bewerbung aufbereitet und abgewickelt hat, einen tollen Job gemacht hat. Daher hat die UNESCO vor mittlerweile 5 Jahren die Stadt Graz als City of Design in das Netzwerk der Kreativstädte (Creative Cities Network) aufgenommen. Und weil Graz natürlich als Stadt der klugen Köpfe im Kreativbereich in vielen Disziplinen (z. B. von der Literatur über Avantgarde-, Film-, Theater- und Musikfestivals bis zur Mode) viel vorzuweisen hat. Schließlich war Graz ja auch nicht zufällig 2003 Kulturhauptstadt Europas. Da gibt es schon eine hervorragende Szene und sehr viel Potenzial.
Was hat die Stadt von diesem Titel!
Zuallererst kommt Graz damit wieder auf eine internationale Landkarte. Das ist ein wesentliches Asset im Standortwettbewerb der Städte. Damit wird Graz für junge Kreative – vor allem auch für Studierende, so hat ja etwa die FH JOANNEUM vier designrelevante Studiengänge – interessanter. Und es richtet gewissermaßen auch die strategische Stadtentwicklung aus – in Richtung Hirnschmalz sozusagen. Das Kapital der Stadt sind ja ganz eindeutig die Kreativität und Intelligenz der Menschen, die hier leben. Nicht umsonst gibt es neben den vier Universitäten zwei Fachhochschulen und viele andere Ausbildungseinrichtungen. Eine Stadt der klugen Köpfe eben. Und als Designstadt im Netzwerk der Kreativstädte versuchen wir auch noch pfiffiger zu werden. Ich glaube, dafür müssen wir eine klare städtische Haltung zur Ästhetik entwickeln. Ein hohes Designbewusstsein wird nur als Ausdruck einer entsprechenden Wertehaltung sichtbar.
Wie bemerkt man als Grazer, dass die Stadt eine Designstadt ist?
Einerseits durch das kreative Stadtklima, durch originelle und mutige Lösungen und auch Experimente auf allen Ebenen. Die positiven Folgen kreativer Interventionen haben sich ja sehr schön an den 2003-Kulturbauten beispielsweise mit der Aufwertung des rechten Murufers rund um das Kunsthaus gezeigt. Die City of Design als gelebte städtische Haltung hat meiner Überzeugung nach auch das Zeug, alle städtischen Lebensbereiche zu durchlüften. Wenn uns das gelingt, wird sich das natürlich auch immer stärker im äußeren Erscheinungsbild widerspiegeln – gutes Design im öffentlichen Raum ist das Gegenteil von Behübschung, sondern hebt mit klug durchdachter und ästhetischer Funktionalität die Lebensqualität. Sowohl die Entwicklung einer entsprechenden Haltung als auch die stärkere Sichtbarmachung des Themas sind Aufgabenfelder der seit wenigen Monaten in der Stadtverwaltung eingerichteten City-of-Design-
Koordinationsstelle – also eine Art Mischung zwischen Netzwerkknoten, Wanderprediger und Unterstützer.
Was steht als Nächstes auf dem Programm?
Die Koordinationsstelle bereitet anlässlich „5 Jahre City of Design“ für den 22. April ein kleines Fest auf der Murinsel und am 23. April kreative Stadtführungen für alle Grazerinnen und Grazer vor und dann beginnt natürlich am 30. April mit dem von der CIS organisierten Designmonat gleichsam der thematische Haupt-event des Jahres. Da kann man nur eine Anleihe bei Karl Farkas nehmen: Schauen Sie sich das an!
Wolfgang Skerget begann als Journalist, war dann PR-Unternehmer und ist seit 25 Jahren bei der Stadt Graz beschäftigt – zuerst in der Öffentlichkeitsarbeit, dann 17 Jahre im Stadtratsbüro (bei Helmut Strobl und Gerhard Rüsch); seit Sommer 2015 leitet er das neu geschaffene Referat „City-of-Design-Koordination“ mit Sitz in der Mariahilferstraße 2.
[…] 80 (2016). Graz, die Stadt der kreativen Köpfe: Jahre City of Design. Retrieved from: https://achtzig.com/2016/04/graz-die-stadt-der-kreativen-koepfe/ [Accessed at […]