Im Steirischen Feuerwehrmuseum Groß Sankt Florian ist eine Ausstellung entstanden, die ihre Besucher noch bis Ende August weit über die Grenzen von Österreich hinausführt. Eine Reise in eine Welt, in der Reichtum nicht mit Geld gemessen werden kann, weil es die jahrtausendealten Traditionen sind, die ihren unschätzbaren Wert ausmachen.
Vom Aufbrechen und Ankommen
Menschen können reisen, weil sie die Sehnsucht dazu zwingt, Neues entdecken zu wollen, oder weil sie glauben, die Sicherheit des Alltags hinter sich lassen zu müssen, um sich aus der Unsicherheit heraus wieder auf sich selbst besinnen zu können. Solche Menschen reisen, um irgendwann wieder zu Hause anzukommen. Aber genauso viele reisen, um von zu Hause zu fliehen. Um der persönlichen Verfolgung oder den Kriegen zu entkommen, die sie und ihre Familien bedrohen. Diese Menschen reisen mit dem Ziel, der Unsicherheit zu entkommen, die ihren Alltag bedrängt. In jedem Fall bedarf das Reisen des Mutes, sich mit Unbekannten auseinandersetzen. Trommeltanz und Drachenkrone bietet die Möglichkeit einer solchen Auseinandersetzung und vereint dabei auch jene zwei Möglichkeiten, warum Menschen sich auf Reisen begeben. Denn es war der Fluchtgedanke, welcher die ethnischen Minderheiten Chinas einst in die Bergwelt rund um das heutige Guizhou trieb. Dort abgeschottet, pflegten sie über Jahrhunderte ein kulturelles Erbe, das den Besuchern des Steirischen Feuerwehrmuseums Groß Sankt Florian heute eine intellektuelle Reise der besonderen Art ermöglicht, weil sie am Ende vor Augen führt, wie eng kulturelle Vielfalt mit der Einheitlichkeit menschlicher Bedürfnisse verwoben ist.
„Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“ (Franz Kafka)
Die steirische Partnerprovinz Guizhou gilt einem alten Spruch zufolge als ein Gebiet in dem es „keine drei Fuß flachen Landes, keine drei Tage ohne Regen und keinen Menschen mit drei Yuan“ gibt. Vor vielen Jahrhunderten sahen sich zahlreiche ethnische Minderheiten in China dazu gezwungen, den beschwerlichen Weg in die südchinesischen Berge auf sich zu nehmen, um der Verfolgung durch die Han-Chinesen zu entkommen. Da, wo kein Mensch zuvor leben wollte, haben sie sich niedergelassen und behütet von den rauen Bedingungen der Berge ihren Frieden gefunden. Fernab fremder kultureller Einflüsse haben sie jene jahrtausendealte Traditionen und Geschichten gepflegt, von denen einige derzeit im Steirischen Feuerwehrmuseum Groß Sankt Florian gezeigt werden. Spannend dabei ist nicht allein die ungeheure Pracht der fremden Schätze, sondern auch die Gegenüberstellung mit heimischen Traditionen, die das Team rund um Leiterin Anja Weisi-Michelitsch in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für China- und Südostasienforschung und dem Schiff Verein Wien über den Zeitraum von über einem Jahr herausgearbeitet hat.
Die Miao, ein chinesisches Bergvolk, deren Festen und Traditionen ein großer Teil von Trommeltanz und Drachenkrone gewidmet ist, hat keine eigene Schrift. Viele der Geschichten, die sich das Volk bis heute erzählt, wurden mündlich tradiert oder sind in feingliedrigen Stickereien festgehalten. Immer wieder begegnet einem dabei das Motiv des Schmetterlings. Jenes Schmetterlings, der einer Legende nach als „Mutterschmetterling“ verehrt wird, weil der Mensch einst aus einem seiner zwölf Eier geschlüpft ist. Nun kann man diese Geschichte als unwissenschaftlich und albern abtun. Oder man besinnt sich darauf, dass auch in unserer Kultur lange Zeit Geschichten über die Entstehung des Menschen kursierten, die Darwin ein mächtiger Dorn im Geist waren. Oder wie heißt es in Gen 1, 26: „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.“
Neben den vielen kostbaren Geschichten, die einem die ausgestellten Batiken und Stickereien eröffnen, gibt es im Rahmen von Trommeltanz und Drachenkrone auch eine Reihe von Silberschmuck zu bestaunen, in dem sich die eindrucksvollen Schmiedefertigkeiten der Miao zeigen. Silberschmuck, der in der heimischen Trachtentradition ebenso zu finden ist wie in vielen anderen Volkskulturen, hat bei den Miao einen ganz besonderen Stellenwert. Denn je wohlhabender eine Familie ist, desto mehr Schmuck tragen die Frauen des Hauses bei einem Fest. Bis zu 15 kg wiegen die feingearbeiteten Kronen und Ketten, die ihre Körper zieren und die nicht nur aufgrund ihres Gewichtes, sondern auch wegen ihres kulturellen Wertes schwer wiegen. Ein kleiner Exkurs über steirische Trachten greift nicht nur die Frage nach dem Wandel der Tradition in einer globalisierten Welt auf, sondern unterstreicht auch die Partnerschaft beider Regionen.
Neben der Beschäftigung mit Textilien und Schmuck wird im Rahmen der Ausstellung auch ein Exkurs in die Welt des chinesischen Maskentheaters geboten. Dabei ist zu bemerken, dass das Lokaltheater von Guizhou das einzige Theater Chinas ist, in dem auch heute noch mit Holzmasken gespielt wird. Ebenfalls im Rahmen der Ausstellung zu sehen sind sogenannte Bauernmalereien der Dong, einer weiteren ethnischen Minderheit aus Guizhou, die in ihren farbenprächtigen Malereien mit robuster Formsprache von ihren Alltagserlebnissen erzählen.
Was bleibt, ist das, was zählt
Trommeltanz und Drachenkrone lädt seine Besucher auf einen eindrucksvollen Streifzug durch eine fremde Kultur ein. Auf engem Raum wird einem das reiche und bunte Erbe einer Lebenswelt vor Augen geführt, die tausende Kilometer entfernt und über Jahrhunderte versteckt in den Bergen lag. Doch wer die Leihgaben des Österreichischen Instituts für China- und Südostasienforschung, der Schell Collection, des Kammerhofmuseums, des Stadtmuseums Trofaiach und zahlreicher privater Leihgeber aufmerksam studiert, wird am Ende erkennen, dass es nicht die Andersartigkeit des Gesehenen ist, die beeindruckt, sondern die Einsicht, wie viel die eigene und die fremde Kultur doch gemeinsam haben.
Trommeltanz und Drachenkrone. Alltag und Feste südchinesischer Bergvölker im Wandel
Ausstellungsdauer bis 28. August 2016, Di–So, 10–17 Uhr; letzter Einlass 16.30 Uhr
Steirisches Feuerwehrmuseum, Marktstraße 1, 8522 Groß St. Florian, Tel. 03464 88 20, www.feuerwehrmuseum.at
Text: Barbara Jernej