Auch SPAR Steiermark hat Kultur als Grundnahrungsmittel entdeckt und beschenkt diesen Sommer seine Kunden mit insgesamt 200.000 Gratis-Eintritten für die Museen des Universalmuseums Joanneum. Doch wie viel Kultur steckt im Lebensmittelhandel selbst? Wo fängt die Moral an? Wohin führt die sogenannte „Rabattitis?“ Ein Gespräch mit Christoph Holzer, dem Geschäftsführer von SPAR Steiermark.
Wie kommt es, dass eine Lebensmittelhandelskette an seine Kunden Museumseintritte verschenkt?
Für uns spielt Regionalität eine große Rolle. Regionalität kann aber nicht einfach im Regal aufhören. Es reicht nicht, nur zu sagen, die Kuh, von der die Frischmilch kommt, soll in der Steiermark stehen. Im Grunde genommen geht Regionalität viel weiter. Es geht darum, mit regionalen Lieferanten zusammenzuarbeiten – aber natürlich auch mit regionalen Kulturanbietern. Das ist der Kreis, der sich dann schließen muss.
Haben Lebensmittel mehr mit Kultur zu tun, als man glauben möchte?
Meiner Überzeugung nach haben Essen und Trinken extrem viel mit Kultur zu tun. Mit Kultur, die, wenn man an die österreichische Esskultur und Trinkkultur denkt, über viele Jahrhunderte gewachsen ist und eigentlich ein Spiegelbild der österreichischen Geschichte darstellt. Ich finde es immer wieder traurig, dass von dieser Kultur ganz viel verloren zu gehen droht. Das klassische Kochen und Essen im Familienkreis verschwindet bis zu einem gewissen Grad. Gleichzeitig erleben wir aber auch, dass mit einer Bewusstseinsbildung in Bezug auf Regionalität und mit Kochen als Hobby wiederum sehr viel an neuer Kultur, an internationaler Esskultur und Trinkkultur dazukommt.
Und der Lebensmittelhandel selbst, trägt er auch Kultur in sich?
In unserem Fall schon. Nehmen wir das Murbodner Rind als Beispiel. Es war eine Rasse, die über Jahrhunderte in der Alpenregion stark verankert war und dann fast verschwunden ist. Vor einigen Jahren wurde sie dann gemeinsam von einigen Züchtern und uns wiederbelebt. Mittlerweile handelt es sich wieder um eine starke Qualitätsrasse, weil das Fleisch außergewöhnlich gut ist.
Gibt es bei SPAR weitere Produkte, auf die man sich als Foodie in nächster Zeit besonders freuen kann?
Wir haben letztes Jahr eine neue Kooperation mit den Murbodner Erdäpfelbauern im Produktionsgebiet. 700 Meter Höhe, da kommt die Kartoffel ursprünglich her, da wächst sie geschmacklich einfach am besten. Mit denen haben wir heuer auch das Thema Zwiebel und Karotten entwickelt. Wir haben heuer also auch Murbodner Zwiebel und Murbodner Karotten im Angebot. Und ja, die sind ein Grund zur Vorfreude.
Gefragt nach dem Motto „Du bist, was Du isst!“: Welche Bedeutung haben Lebensmittel generell in unserer Gesellschaft?
Vor 30 Jahren hat der österreichische Haushalt im Schnitt um die 30 % vom Monatseinkommen für Lebensmittel ausgegeben. Heute liegen wir bei 11 %. Das heißt: Lebensmittel haben an Bedeutung, an Wertigkeit verloren. Die Menschen sind bereit, für das dritte Handy enorm viel Geld auszugeben. Bei den Lebensmitteln schauen sie allerdings noch auf das letzte Flugblatt-Angebot. Aber das ist eben diese Mentalität, die wir als Handelslandschaft auch mitbegründet haben. Das muss man offen sagen. Deswegen versuchen wir, unter anderem mit Regionalität ganz bewusst Kontrapunkte zu setzen. Dennoch werben viele Discounter in erster Linie mit kleinen Preisen an Stelle von Qualität. Wohin führt diese „Rabattitis“ Ihrer Meinung nach auf Dauer?
Auch wir machen den Umsatz natürlich über die Menge, die ehrlich gestanden genauso über Aktionen zustande kommt. Wir haben in Österreich eben einen Aktionsanteil von 40 %. Das Thema Preis wird somit weiterhin eine große Rolle spielen. Wir erleben auch, dass der Discount in Österreich an Bedeutung gewinnt. In Deutschland wurde dieser Hype bereits bis zum Exzess ausgelebt. Doch dort geht es allerdings auch wieder in Richtung Regionalität und in den feinen, gut sortierten Supermarkt. Also ich bin optimistisch. Auf Dauer wird es um die Qualität gehen.
Ist Regionalität die Antwort auf alles im Lebensmittelbereich?
Im Grunde schon. Das Gefühl der Verunsicherung durch geopolitische Entwicklungen, durch wirtschaftspolitische Entwicklungen bis hin zu Überforderung mit elektronischer Geschwindigkeit wird größer. Wir erleben, dass die Menschen das Thema Regionalität immer stärker als etwas aufgreifen, das mit Sicherheit zu tun hat. Die Menschen wollen wissen, wo die Dinge herkommen.
Und deswegen ist das Thema bei SPAR omnipräsent?
Nicht nur. Es liegt schon in der Natur des Unternehmens. Wir sind ein österreichisches Familienunternehmen, das stark in den Regionen verankert ist. Eine der großen Eigentümerfamilien von SPAR kommt aus der Steiermark, eine weitere Familie kommt aus Tirol und eine aus Vorarlberg. Aus dieser Herkunft heraus und aus diesen gebliebenen regionalen Verwurzelungen – wir haben sechs regionale Zweigniederlassungen – resultiert diese regionale Stärke.
Ein Thema im Lebensmittelhandel ist auch die Frage nach der Moral. Was kann man guten Gewissens ins Regal stellen? Wo zieht man als Unternehmen die Grenze?
Wir haben z. B. beim Thema Fisch in den letzten Jahren sehr intensiv daran gearbeitet. SPAR hat fast das gesamte SPAR-Eigenmarken-Angebot auf verantwortungsvolle Quellen umgestellt. 2015 waren 95 % des gesamten SPAR-Sortiments an Fischen und Meeresfrüchten in Bedienung, Kühlung, Glas, Dose und verarbeiteter Form nach Einstufung des WWF Österreich verantwortungsvoll gefangen oder gezüchtet. Da kann man als Unternehmen schon sehr viel steuern. Wir erleben auch, dass das Bewusstsein der Konsumenten diesbezüglich in alle Richtungen stärker wird. Natürlich gibt es nach wie vor Produkte wie den Pangasius, diesen Massenfisch. Aber er wird auch gekauft, er wird gefragt.
Liegt die Verantwortung dafür beim Lebensmittelhandel – was gekauft wird, und was nicht?
Ich glaube, die Verantwortung liegt sowohl beim Konsumenten als auch beim Handel als auch bei der Politik. Darüber hinaus bin ich mir nicht sicher, ob es überhaupt eine Frage von mehr Geld-Ausgeben ist. In den heimischen Haushalten wird fast ein Drittel der Produkte weggeworfen. Wenn ich gleich viel Geld ausgebe, aber etwas bewusster einkaufe, haben wir weniger Menge und die Leute würden im Grunde wieder höherwertige Produkte kaufen. Das wäre für alle in Ordnung. Da müssen wir in Zukunft auch hinkommen.