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Thomas D: „Wir machen unser Ding und nennen es Hip-Hop“

Thomas D

Anfang September beehren die Fantastischen Vier Österreich im Zuge des Nuke-Festivals am Gelände der Messe Graz. Mit im Gepäck ihr aktuelles Album und jede Menge Lust, die Arena zu rocken. Als Vorgeschmack ein „Achtzig“-Interview mit Thomas D über Hip-Hop, Erfolg und fliegende Stühle.

Wir schafft man es, als Hip-Hop-Star eine so lange Karriere wie eure ohne jegliche Skandale hinzubekommen?

Das mit den Skandalen ist so eine Sache. Heute einen zu machen ist mit Sicherheit schwieriger als zu Beginn unserer Karriere. Aber auch damals waren wir daran nie interessiert. Uns ging es immer nur darum, uns musikalisch weiterzuentwickeln. Vielleicht liegt darin auch das Geheimnis unseres Erfolgs. Wir haben uns nie nach irgendetwas gerichtet, was gerade aktuell ist oder was für Schlagzeilen sorgen könnte.

Euren Durchbruch hattet ihr mit „Die da“. Damit berühmt zu werden war kein Ziel?

Wir haben natürlich schon versucht, einen Song zu schreiben, der vielleicht hier und da einmal im Radio läuft. Aber dass er so eine Welle auslöst, haben wir nicht einmal geahnt. Das hat uns dann natürlich gefallen. Doch die deutsche Hip-Hop-Szene hat uns deswegen nicht akzeptiert. Im Gegenteil, umso erfolgreicher wir wurden, umso mehr hat sie sich in das Gegenlager gestellt und uns vorgeworfen, nur Kommerz zu machen.

 

DIE FANTASTISCHEN VIER (c) Robert Grischek2 (Medium)
Seit Jahrzehnten auf einer Welle des Erfolgs: Die Fantastischen Vier. Foto: Robert Grischek

Hat es euch gestört, dass die Hip-Hop-Szene euch nicht akzeptiert hat?

Wir haben uns gesagt, dass wir denen nichts beweisen müssen: Wir machen unser Ding und nennen es Hip-Hop. Wir haben uns dafür mit zunehmendem Erfolg immer mehr gefragt, was wir selbst eigentlich wollen. Was wollen wir den Leuten mitteilen? So haben wir mit der Vierten Dimension ein Album rausgebracht, das dem vorherigen komplett entgegenstand. Es war eine psychodelische, introvertierte Platte. Das hat uns als Gruppe zusammengeschweißt. Wir haben gezeigt, dass wir eine ernstzunehmende Band sind, die auch tiefere Themen angeht. Hauptsache gängige Texte und gängige Musik war nie unser Ding. Sondern sich selbst „troy“ zu bleiben und sich nie damit zufriedenzugeben, was man schon erreicht hat. Wir freuen uns über Erfolge, aber spätestens zwei Jahre nach einer Platte drängt sich wieder das Gefühl auf, einen neuen Nagel reinzuhauen, in diese Zick-Zack-Linie, die man Karriere nennt. Zurückblickend kann man sagen: Wir haben alles richtig gemacht. Nach vorne blickend lässt sich aber nie sagen, ob etwas richtig ist, was man tut. Du musst auf dein Herz hören und den Mut haben, etwas zu riskieren.

So gut wie alle großen Bands in der Musikgeschichte haben sich einmal in ihrer Karriere aufgelöst – gab es bei den Fantastischen 4 niemals Krach untereinander? Seid ihr seelenverwandt?

Es flog in 28 Jahren einmal ein Stuhl. Das war die Spitze der Auseinandersetzung. Heute will aber keiner mehr der gewesen sein, der ihn geschmissen hat. Wir sind als Künstler eigentlich viel zu harmoniesüchtig, als dass wir uns zerstreiten könnten. Auf eine gewisse Art sind wir vielleicht seelenverwandt. Trotzdem sind wir alle sehr unterschiedlich, was auch die Qualität der Band ausmacht. Vermutlich führen wir eine vorbildliche Ehe. Heute hat diese aber mit viel räumlicher Distanz zu tun. Früher hingen wir in Stuttgart täglich miteinander ab. Wir hatten nichts anderes zu tun. Heute haben wir Familien, verschiedene Nebenbeschäftigungen und so weiter. Wenn wir uns treffen, ist es eine Quality-Time. Smudo und Michi haben die Band schon zwei- oder dreimal aufgelöst in unserer Karriere. Für ein, zwei Tage oder so. Das war meist in einer Albumphase unter enormem Druck, wo man sich sagt: „Das mach ich nie mehr!“ Das ist aber nicht ernst zu nehmen. Fanta 4 forever, Baby!

Auf eurer aktuellen CD singt ihr davon, dass alles so einfach sein könnte – wie schwierig ist das Leben nun wirklich?

Das Leben ist sehr einfach, wir machen es uns leider selbst sehr schwer. Es geht in erster Linie ums Ein- und Ausatmen. Das läuft Gott sei Dank automatisch. Dann kommen ein paar Grundbedürfnisse, die man stillen muss. Wenn das gelingt, ist der Rest wirklich einfach. Wir alle, als Menschen der 1. Welt, haben viele nicht-existenzielle Probleme. Das heißt nicht, dass man diese nicht ernst nehmen soll, aber der Großteil unserer Sorgen ist hausgemacht. Durch die Änderung der Einstellung und durch Dankbarkeit für das, was man erlebt hat – anstatt sich dauernd über die Steine zu ärgern, die einem im Weg liegen –, kann man viel entspannter durchs Leben gehen. Man denkt besser an das, was man hat, als an das, was man nicht hat oder glaubt zu brauchen. Oder was einem zusteht. Natürlich, für Fanta 4 ist heute vieles komplizierter als früher. Hinter uns steht ein riesiges Unternehmen mit vielen Angestellten. Wir tragen nun eine Verantwortung, die wir eigentlich niemals wollten. Aber auch das sollte einem das Leben nicht unnötig schwer machen. Immer locker bleiben, wie Smudo immer sagt.

 

And.Ypsilon, Thomas D, Smudo und Michi Beck: Fanta 4
Michi Beck, And.Ypsilon, Thomas D, And.Ypsilon und Smudo: Fanta 4

Reizt es euch niemals, einmal den Gangster raushängen zu lassen? Und dabei Videos wie Puff Daddy und Co. zu produzieren?

Das sind nicht wir. Das ist nicht Deutschland. Hier könnte man vielleicht ein Klein-Drogendealer sein oder damit angeben, dass man einem Typen einmal eine in die Fresse gehauen hat. Das ist für mich nicht unbedingt erstrebenswert. Ich halte von diesem Gangster-Getue generell sehr wenig. Bei den Amis hat das vielleicht noch Charme, wenn über die große böse Welt gerappt wird. Oder wenn Jay-Z singt, er sei der Größte. Vielleicht hat er damit sogar recht. Aber Fanta 4 sind sicher nicht die Größten. Soll ich über meinen Mietwagen der Klasse 2 in einem Song erzählen? Den ich auf einen Kombi upgegradet bekommen habe? Oder soll ich über meinen Schwimmteich singen, der zu 85 % der Zeit im Jahr zu kalt ist, um darin zu baden? Das ist nicht dasselbe wie der Marmorpool vor dem Plastikhaus, das aussieht, als wäre es aus Gold, und in dem vielleicht Puff Daddy wohnt. Das passt einfach nicht rein. Ich mag auch keine Frauenfeindlichkeit oder Drogenverherrlichung. Das mag den Amis stehen und dort cool sein, aber Fanta 4 ist da nicht mit dabei.

Ihr schwimmt auf der Welle des Erfolges. Gab es nie so etwas wie einen Tiefpunkt in eurer Karriere?

Die Bravo war damals ein wichtigeres Blatt als heute. Da war es schon was, am Cover zu sein. Wir haben uns damals überreden lassen, einen Tanzkurs für das Magazin zu produzieren. Dabei tanzt doch kein Mensch Hip-Hop! Hip-Hop ist eine Lebenseinstellung! Das war der Tiefpunkt unserer Karriere. Ganz klar.

Wie wichtig sind Idole für einen jungen Musiker?

Gerade der Anfang unserer Karriere war in dieser Hinsicht sehr interessant, da haben wir auch Musik aus den USA gehört und dachten, das wollen wir machen. Als Fan probierst du dann quasi Karaoke. Du machst nach, was du da hörst. In dieser Phase befinden sich einige ihr Leben lang. Doch man kann nie ein neuer Micheal Jackson werden, denn den gibt es schon. Alles, was es schon einmal gegeben hat, ist damit erledigt. Du musst immer versuchen, dein Inneres nach außen zu bringen und nicht jenes von Puff Daddy oder Michael Jackson. Es geht darum, was du fühlst. Dann wird es einzigartig. Der Slogan „Kill your idols“ meint einfach, dass es zu wenig ist, irgendjemandem nachzueifern, sondern alles hinter sich zu lassen, um selbst innovativ zu sein.

Ich habe in einem Interview gelesen, dein Plan B wäre es gewesen, Friseur zu werden? Wie hätte ein Haarschnitt von Thomas D ausgesehen?

Vollglatze kann ich dir machen. Aber die Friseurkarriere hab ich hinter mir gelassen. Einen letzten Kunden aber habe ich jahrelang weitergeschnitten, weil der in seiner Sturheit so lange scheiße aussah, dass ich sagte, das müsse ich nun ändern. Irgendwann hab ich ihm aber den Laufpass gegeben, ich konnte es nicht mehr. Wenn du was nicht täglich machst, wirst du nicht besser. Er war zwar zufrieden, aber ich dachte dann, das konnte ich schon besser. Ich schneide keine Haare mehr.

Sollten Musik und Kunst in Zeiten wie diesen generell politisch Stellung beziehen? Denkst du, dass man als Künstler etwas verändern kann?

Ich denke, diese Verantwortung muss jeder Künstler für sich selbst übernehmen. Wenn jemand sagt er will sich nicht damit beschäftigen, ist das auch okay. Politik ändert sich halt sehr schnell, oft bist du als Musiker zu langsam beim Produzieren von Songs. Was sich nicht ändert, ist, wie die Leute gestrickt sind. Songs, die von Emotionen erzählen, von Liebe, Hass oder Angst, sind zeitlos. Als Musiker sollte man versuchen, die Menschen zusammenzubringen. Es macht keinen Sinn, die einen gegen die anderen auszuspielen. Wir sind alle nicht so unterschiedlich, wie man glauben möchte. „Haut den Nazis auf die Glatzen, bis sie platzen“ trennt die Leute nur. Es trennt uns von den anderen. Doch die anderen sind wir selbst. Diese Erkenntnis fehlt heute leider total. „Wir sind die Guten, ihr die Schlechten, und jetzt gibt’s was auf die Fresse“, das ist keine Lösung.

Anfang September seid ihr Headliner auf dem Nuke-Festival in Graz? Was werdet ihr spielen?

Wir haben ein neues Programm und ein neues Bandmitglied, den DJ FK83. Er ist DJ-Weltmeister. Es wird eine kleine Zeitreise zu unseren Wurzeln. Es wird auch DJ gegen Band geben, einen Beasty Boys Old Flavour. Neben den Hits gibt’s auch anspruchsvollere Momente. Wir werden auch die Bühne in eine Fanta-4-Arena verwandeln – so, wie es für einen Headliner angemessen ist.

 

Nuke Festival Graz 2016

Den 3. September sollte man sich freihalten. Das Nuke Festival Graz geht in die zweite Runde und verspricht abermals ein besonderes Highlight zu werden.

Noch scheint er in weiter Ferne zu liegen. Der Moment, wenn die Nächte wieder kühler werden. Wenn der Sonnenbrand nur mehr in der Erinnerung schmerzt. Wenn der September wieder zur Arbeit ruft und für viele das Ende der Ferien einläutet. Um so schöner, wenn der Sommer noch einmal gebührend verabschiedet werden kann. Ein Sommerausklang der besonderen Art verspricht das Nuke Festival 2016 am 3. September zu werden. Letztes Jahr fand nach mehrjähriger Pause und durch die visionäre Planung der MCG gemeinsam mit den Veranstaltern, der Arcadia LIVE, die große Graz Premiere statt. 35 Grad, Sonnenschein, musikalische Highlights wie Seeed, Cro, Parov Stelar, Bilderbuch und Wanda sowie 25.000 begeisterte Besucher sorgten für eine einzigartige Atmosphäre. Im zweiten Jahr ist das Nuke bereits ein Fixpunkt in der österreichischen Festivallandschaft.

Christof Strimitzer, Kommunikationschef der MCG
Christof Strimitzer,
Kommunikationschef der MCG

Ein Erlebnis auf und abseits der Bühne

Urbaner Flair trifft auf Festivalstimmung und Popkultur auf ein abwechslunsgreiches Line-up. Daran ändert sich auch in diesem Jahr nichts. Und dennoch: Heuer gibt es mehr. Mehr Acts. Mehr Bühnen. Mehr Zeit. Sowohl das Freigelände der Messe als auch die Stadthalle werden parallel bespielt. 21 Slots stehen am musikalischen Programm. Von feinem Hip-Hop über frechen Rock, leichten Gitarrenklängen, Wiener Soul bis zu Electro Beats ist für jeden Geschmack etwas dabei. Die Pioniere des deutschen Hip-Hop, die Fantastischen Vier, sind Headliner. Sechs Jahre ist es bereits her, dass die Stuttgarter Formation Graz beehrte. Begeisterungsrufe in den höchsten Tönen dürfte auch AnnenMayKantereit, die deutsche Band der Stunde, auslösen. Mit The 1975, Indie-Rockband aus Manchester, deren vielfältiges musikalisches Repertoire von Art Rock über Electronica, Dancefloor, R&B bis hin zu 80er Jahre Hochglanz-Pop reicht, konnte eine weitere Sensation für das Nuke gewonnen werden. Ruhiger, aber keinesfalls weniger spektakulär wird es bei Philipp Poisel, dem Star der leisen Töne und emotionalen Texte. Mit der Berliner DJ-Größe Fritz Kalkbrenner, dem Electro-House Duo Digitalism oder den Drum ‘n’ Bass-Meistern Camo & Crooked ist auch für feine Electro-Beats gesorgt. Während im vergangenen Jahr nur deutschsprachige Bands auf der Bühne standen, ist das Line-up heuer deutlich internationaler. „Die Mischung aus deutschsprachigen und internationalen Acts ist generell der Weg, den wir auch in der Zukunft beschreiten möchten“, sagt Christof Strimitzer, Kommunikationschef der MCG.

Neben den musikalischen Höhenflügen gibt es auch dieses Jahr wieder ein erstklassiges Rahmenprogramm abseits der Bühne. Die High Quality Food Area versorgt die Gäste mit allerlei Leckerbissen und in der Chill Out Area kann wieder kräftig Energie getankt werden. Die dürfte man auch brauchen. Denn während am Freigelände um 23 Uhr Schluss ist, wird die Stadthalle noch bis vier Uhr morgens zum Beben gebracht.

Nach dem riesen Erfolg 2015 geht das NUKE Festival in die zweite Runde. Foto: MCG, Krug
Nach dem riesen Erfolg 2015 geht das NUKE Festival in die zweite Runde.
Foto: MCG, Krug

Tolle Zusammenarbeit in allen Bereichen

Rund 800 bis 1000 Menschen arbeiten beim Nuke im Hintergrund. Damit das Festival auch heuer ein Erfolg wird, bedarf es neben dem musikalischen Programm auch einer guten Organisation und eines eingespielten Teams, weiß Strimitzer. „Das Festival im vergangenen Jahr ist von einer sehr positiven Stimmung auch hinter den Kulissen getragen worden. Das hat sich jetzt auch im zweiten Jahr positiv fortgesetzt. Alle, egal ob der Tourismus auf der einen Seite, das Veranstaltungsreferat auf der anderen Seite oder auch die Einsatzorganisationen, ziehen an einem Strang, um die bestmöglichen Bedingungen zu geben.“ Dazu gehören auch Sponsoren wie die Steiermärkische oder die Stadt Graz und Medienpartner wie Noisey, Soundportal, Puls 4, Kronehit oder die Kleine Zeitung.

Das Festival stellt darüber hinaus auch für die Stadt Graz einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar. Eine im vergangenen Jahr durchgeführte Marktforschung hat für das Tagesfestival eine Umwegrentabilität von über 600 000 Euro ergeben.

 

Nuke’16 Festival Graz

Samstag, 3.9.2016, Beginn: 13 Uhr / Messe Graz Freigelände & Stadthalle, 8010 Graz

www.nuke.at, Tickets: oeticket.com

Line-up Nuke 2016: Die Fantastischen Vier, The 1975, Philipp Poisel, AnnenMayKantereit, Fritz Kalkbrenner, Camo & Krooked, Frank Turner & The Sleeping Souls, SDP, Hoodie Allen, 5/8erl in Ehr’n, Digitalism, HVOB, Die Orsons, Granada, Alex Vargas, DAWA, Dero & Klumzy, Farewell Dear Ghost, Gudrun von Laxenburg, Mavi Phoenix, Nihils