Start KulturBlog Akademietheater Wien: Über die Unmöglichkeit der Liebe

Akademietheater Wien: Über die Unmöglichkeit der Liebe

Daniel Jesch, Frida-Lovisa Hamann & Dirk Nocker "in Action". Foto: Georg Soulek/Burgtheater

Mit Joël Pommerats aberwitzigem wie berührendem Pariser Erfolgsstück Die Wiedervereinigung der beiden Koreas präsentiert das Akademietheater Wien 18 Geschichten über die Unmöglichkeit der Liebe. Eine Inszenierung vor puristischem Bühnenbild und fantastische Schauspieler machen die Aufführung zu einem „must see“ der aktuellen Spielsaison.

In einem u.a. von Ingmar Bergman und Arthur Schnitzler inspirierten Szenenreigen treffen hier Personen aufeinander, die den Irrweg der Liebe gehen und sich auch von Sackgassen nicht aufhalten lassen. Eine humoreske Meisterleistung etwa liefert Martin Reinke ab, wenn er als Priester der Prostituierten seiner Wahl klarzumachen versucht, dass er sie wegen einer anderen Frau nicht mehr wird aufsuchen können. Meisterhaft auch die Schauspielerin Sabine Haupt, die als Sekretärin versucht, von ihrem Chef zu erfahren, was denn da genau vorgefallen ist in dessen Zimmer, als sie vergangene Nacht dort eingeschlafen war. Das Gefühl, ihn in sich gehabt zu haben, lässt sie so wenig los wie es für den konsternierten Chef Konsequenzen haben würde, wenn er es nur zugäbe. Oder die Babysitterin, die auf ein, nun ja, kinderloses Paar trifft, das nach einem Abend nach Hause kommt und vehement die Kinder rückfordert, die nicht aufzufinden sind…

Markus Hering, Dörte Lyssewski, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt. Foto: Georg Soulek/Burgtheater
Markus Hering, Dörte Lyssewski, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt.
Foto: Georg Soulek/Burgtheater

Die funkelnden Miniaturen dieses genialen Stücks spielen im Transitbereich menschlicher Beziehungen: Ein Bräutigam muss auf der Hochzeit gestehen, sämtliche anwesenden Schwestern der Braut bereits einmal geküsst zu haben, und ein Lehrer versucht, verstörten Eltern seine vermeintlich unschuldige Liebe zu ihrem kleinen Sohn zu erklären. Die große Vergeblichkeit ist Voraussetzung allen Geschehens in diesem Stück: Die 24 Männer und 28 Frauen, die einander hier begegnen, lieben einander oder haben einander geliebt oder lieben nun jemanden anderen oder haben überhaupt aufgehört zu lieben oder sollen erst gar nicht lieben. Kompliziert war sie ja immer schon – die Liebe – aber in Pommerats Stück wird einem erst bewusst, welch Laune der Natur sich überhaupt hinter diesem Gefühl, nach dem sich jeder so sehnt, steckt. Oder wie es abermals der geniale Reinke in der Rolle eines Arztes formuliert: „Was in dir vorgeht, ist eine ganz einfache neuro-chemische Reaktion!“

Markus Hering, Dorothee Hartinger. Foto: Georg Soulek/Burgtheater
Markus Hering, Dorothee Hartinger.
Foto: Georg Soulek/Burgtheater

In präzisen Dialogen erzählt Pommerat von Menschen, die an der Liebe scheitern – und belegt auf amüsante Weise eine eigentlich todtraurige These: Eine erfüllte Liebesbeziehung ist in etwa so wahrscheinlich wie eine Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea. Wobei: gänzlich ausgeschlossen ist die schließlich auch nicht, irgendwann einmal, mit etwas Glück.

Der Autor und Regisseur Joël Pommerat (Jahrgang 1963) schreibt und inszeniert in engem Dialog mit seinem Ensemble, der Compagnie Louis Brouillard, Stücke, die der Paradoxie des Alltags realistisch und unverblümt Stimme verleihen und mit ihrer Aktualität und Intensität ein breites Publikum begeistern. Er gilt als einer der wichtigsten französischen Gegenwartsdramatiker und wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. drei Mal mit dem Prix Molière.

Daniel Jesch, Sabine Haupt. Foto: Georg Soulek/Burgtheater
Daniel Jesch, Sabine Haupt.
Foto: Georg Soulek/Burgtheater

Das Stück „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ ist noch zu sehen am Sonntag, 29. Mai (19  Uhr), Montag, 6.Juni (20 Uhr), Donnerstag, 9. Juni (20 Uhr), Montag, 27. Juni (19 Uhr) und Dienstag, 28. Juni (20 Uhr).

Akademietheater Wien, Lisztstraße 1, 1030 Wien

www.burgtheater.at