Ob Grenzen von Staaten, Grenzen der Toleranz oder die Grenzen des körperlich Machbaren. Die Artisten des Cirkus Cirkör zeigen sie dem Publikum in der Oper Graz auf – und hebeln sie sogleich aus.
„Als ich klein war, dachte ich, die Menschen bewegen sich rund um die Erde, um die Weltkugel im Gleichgewicht zu halten. Wenn wir Grenzen schließen und Zäune bauen, verursachen wir den Verlust dieser Balance und die Erde kippt“, heißt es am Beginn der Show „Limits“ aus dem Off. Tücher suggerieren einen Ozean. Doch er steht Kopf, verschluckt Personen und spuckt sie wieder aus. Die Show beginnt …
Die Grenzen sprengen
Seit der Gründung ihres Cirkus Cirkör setzt sich Tilde Björfors künstlerisch mit Grenzen und ihrer Überwindung auseinander. Nie war dieses Thema aktueller als heute, und so geht es in der aktuellen Produktion um die Frage, wie real oder imaginär Grenzen aller Art sind. Wie weit sich die Grenzen des akrobatisch und künstlerisch Machbaren dehnen und Perspektiven auf den Kopf stellen lassen. Mit artistisch hochklassigen Einlagen, sehr nachdenklich stimmenden Passagen und einer Botschaft, die klarer nicht sein könnte, stellte man das Publikum am Eröffnungsabend von La Strada 2016 auf eine Wahrnehmungsprobe und regte es zu Begeisterungsstürmen an.
Cirkus Cirkör
Der schwedische Cirkus Cirkör bestritt eine Eröffnungspremiere der besonderen Art. So leicht es schien, als die Artisten sich selbst oder diverse Gegenstände durch die Luft wirbelten, so schwer lag die Botschaft im Magen, die im Verlauf der Produktion „Limits“ dem Publikum eindrücklich, mit einer Stimme aus dem Off und oft auch mittels Videoeinspielungen vermittelt wurde. Und sie gingen dabei wie auch bei den Stunts so richtig zur Sache. Denn die „Festung Europa“ hat es bisher beschämend verabsäumt, seiner Verpflichtung in der aktuellen Flüchtlichskrise auch nur im Ansatz nachzukommen. Vielmehr verdeutlicht die Truppe aus Artisten, Künstlern und Musikern, dass das reiche Europa sich seiner Verantwortung, verglichen mit weitaus ärmeren Staaten dieser Erde, regelrecht entzieht.
„Limits“ – Zirkus der Extraklasse
So politisch die Botschaft des Programms, so atemberaubend sind auch die Zirkuseinlagen, die das Publikum begeisterten. Ob am Trapez, am Trampolin oder auf einer Wippe, mit der sich meterhoch und halsbrecherisch in die Luft katapultiert wurde – die Show ist fantastisch. Ein weiterer Bestandteil, der für das Gelingen mitverantwortlich zeichnet, ist die Live eingespielte Musik, die viel mehr ist als bloße Umrahmung. Sie ist Hauptbestandteil und unersetzbarer Bonus einer Produktion, mit der die Festivalleitung von La Strada – Diana Brus und Werner Schrempf – ein kräftiges Ausrufezeichen setzen.
La Strada 2016
Noch bis zum 6. August verwandelt das internationale Straßen- und Figurentheaterfestival die steirische Landeshauptstadt in eine riesige Bühne, auf der voller Lebenslust neue Perspektiven geschaffen werden. Bereits zum 19. Mal macht das Festival heuer Graz zum Theaterschauplatz, auf dem gelacht und getanzt wird und Unbekanntes entdeckt werden kann. „Wir wollen Bewegung auf der Straße schaffen, viel Einladendes zeigen die Köpfe und die Herzen der Menschen öffnen und gemeinsam die Welt mit Humor betrachten“, verspricht Intendant Werner Schrempf, „aber auch den Blick auf das Eigene im Verhältnis zum Fremden richten, Grenzen überwinden und Raum für die Begegnung der Menschen mit den Künstlern schaffen.“
Termine Cirkus Cirkör – „Limits“:
Täglich bis Freitag 5. August (außer Montag 1. 8.)
jeweils um 20.00 Uhr, Oper Graz
www.lastrada.at