Das TiK feiert sein 65-jähriges Bestehen und seine Saisoneröffnung mit der Neuinterpretation eines antiken Klassikers, in der sich der inhaltliche Schwerpunkt der kommenden Spielzeit deutlich zeigt.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Elektra liebt ihren Vater. Doch der muss in den Krieg ziehen und niemand weiß, ob er wiederkommt. Während sich die griechische Prinzessin im Stillen zu trösten versucht, macht sich ihre Mutter Klytaimnestra auf die Suche nach einem würdigen Ersatz für ihren Ehemann. Immerhin handelt es sich dabei um den König von Mykene. Aigisthos heißt der Auserwählte, in dessen starken Armen sie Zuflucht findet. Sehr zum Leidwesen ihrer Kinder, denn der Spielgefährte ihrer Mutter ist nicht gerade für sein friedfertiges Verhalten bekannt. Als sich die Situation derart verschärft, dass Aigisthos den Mann seiner Geliebten und Vater ihrer Kinder umbringt, ist vor allem Elektra kaum noch zu halten. Sie will Rache. Ein Vorhaben, das ihr mit Hilfe ihres Bruders auch gelingt, den sie zuvor in einem fremden Ort in Sicherheit gebracht hat und nach Ende seiner Ausbildung mit einem listigen Plan zu Hause einschleust, wo Orest seine Mutter und ihren neuen Mann tötet. Wer die Erzählungen rund um die griechische Figur der Elektra kennt, weiß, dass der Stoff im Laufe der Geschichte Literaten wie Wissenschaftler inspirierte. So gibt es nicht nur literarische und dramatische Bearbeitungen wie jene von Sophokles oder jene von Hugo von Hofmannsthal, sondern auch den sogenannten Elektrakomplex, der in der Psychologie oft als Pendant zum Ödipuskomplex verstanden wird.
Nun liefert die Grazer Autorin Lilly Jäckl eine Neuinterpretation des antiken Klassikers. Wie bereits in Targets, das 2014 seine Premiere am TiK feierte, versucht sie auch in ihrem aktuellen Stück anhand einer antiken Vorlage, zeitlose Gesellschaftsdynamiken vor Augen zu führen. In der neu ausgelegten Elektra-Version wird der Fokus dabei einerseits auf den vermeintlichen Wandel weiblicher Rollenbilder gelegt und andererseits die machtvolle Einflussnahme gesellschaftlicher Moralvorstellungen auf die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen zum Anlass für kritische Reflexionen genommen. Premiere feiert das Stück am 29. Oktober 2016 um 20 Uhr.
Ende gut, alles gut
Ende Jänner wird die TiK-Bühne dann zur Projektionsfläche für eine andere Art von Klassiker. Einer Paraphrase von Henrik Ibsens Stück John Gabriel Borkman nämlich, die den Titel Kohlbein und Schatz trägt. Der ebenfalls aus Graz stammende Autor Martin Orth erzählt darin eine Geschichte, die sich im Original mit dem Schicksal eines straffällig gewordenen Bankiers auseinandersetzt, der sowohl beruflich als auch privat zum Betrug neigt und mit den gesellschaftlichen und moralischen Folgen, die aus seinem Fehlverhalten resultieren, zu kämpfen hat. Obwohl Ibsens Drama bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist, bietet es zahlreiche Anknüpfungspunkte, um das traurige Spiegelbild einer Gesellschaft zu zeichnen, die glaubt sich weiterzuentwickeln, obwohl sie im Schatten des technologischen Fortschritts immer schneller zu verkümmern droht.
Ich sehe etwas, was du nicht siehst
Nach einem kühlen Winter, geht es im TiK 2017 schon vor dem Sommer heiß her. Denn wenn man Martin G. Wanko, den man vielleicht durch Politikergrotesken wie „Who killed Arnie?“ kennt, auf einen Text des guten alten Friedrich Schiller loslässt, kann dabei fast nur schweißtreibend Komisches entstehen. So wird aus Die Verschwörung des Fiesco zu Genua eine herrlich groteske Kritik, in dessen Mittelpunkt HC Fiesco mit seinen politischen Freunden und Gegnern steht, die gemeinsam damit hadern, dass in ihrem Land viel zu viele Flüchtlinge leben, um die man sich kümmern muss. Ausnahmsweise sehr zur Freude des Publikums wird in Schiller – ein Lustspiel die österreichische Politik als genau jene Zirkusszenerie entlarvt, die man offiziell immer peinlich zu vertuschen versucht.
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Text: Barbara Jernej