Zur Gründungszeit des steirischen herbst vor knapp 50 Jahren wurde der Begriff Trigon für einen Kunstaustausch zwischen Jugoslawien, Österreich und Italien geprägt. Nach der Auflösung des Staates Jugoslawien ist die Region zunehmend von Deregulierung bestimmt. Die Ausstellung „Bratstvo i Jedinstvo“ im Haus der Architektur zeichnet diese Transformationsprozesse nach.
So sind mitunter auch städtebauliche Projekte und die daraus erwachsende – oder eben fehlende – Diskussions- oder gar Protestkultur ein Themenfeld, das von österreichischen und serbischen Künstlerinnen und Künstlern zu bearbeiten ist. Wie wirken sich derartige Dynamiken etwa in Belgrad oder Graz aus ‒ und wie die jüngsten Abschottungstendenzen in einer sich bisher offen präsentierenden geografischen Gemeinschaft? Kuratiert von Michael Petrowitsch geht die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Haus der Architektur in ebendiesem dieser Frage nach. Der sogenannte Trigon-Raum, als Begriff eine prägende Entität, die Sinn suchend für Macht, Einflusssphäre und Identitätsbestimmung stehen will und das Gebiet darüber hinaus, grob gesprochen, die Steiermark und seine südöstlichen Nachbarländer, war fokussierend auf die 1990er Jahre bis heute durch einen ständigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel bestimmt.
Diese Unberechenbarkeit und das Laboratorium der in diesem Raum lebenden Menschen, ihre Eigenschaften, die sich in den Kriegen, in den Beziehungen und mitunter in der arbeitenden Lebenswelt, einschließlich Ausbeutung, ausdrückt, hat sich nach der Auflösung der gemeinsamen Staatsidee – Jugoslawien – und der Verabschiedung vom sozialen Sicherheitsstaat bis hin zur Entwicklung hin zum nationalen Wettbewerbsstaat – Österreich –noch verstärkt. Diese Deregulierung auf allen Ebenen bringt mit sich, dass weitestgehend starre Festschreibungen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur obsolet geworden sind. Zudem sind permanenter sozioökonomischer Wandel mittlerweile inhärenter Bestandteil von ehemals weitgehend starren Systemen und damit getrennt und neu zu definieren.
In diesem Zusammenhang braucht es einen scharfen künstlerisch-kritischen Blick auf die Veränderungen. Feste Topoi wie Sicherheit, Wertesystem, Zukunft, Abschottung vs. Gemeinsamkeit und das Abwiegen von Identitätspolitik und Kulturalismus sind durch Krisen instabil oder zumindest vage geworden. Transformationsprozesse wie sie im ehemaligen Jugoslawien in allen gesellschaftspolitischen Bereichen seit den 1990er Jahren vonstattengehen, bewirken natürlich auch klare Einschnitte in urbanen Lebensverhältnissen. Multinationale kapitale Interessen städtebaulicher Natur beeinflussen das Leben nachhaltig, wie an Belgrader Beispielen ersichtlich. Lässt sich hingegen in Belgrad noch kritischer Diskurs verorten, sieht man hierzulande kein Abwiegen eines Für und Wider. Vielmehr wird bei baukulturellen Thematiken Protestkultur in Angepasstheit umfunktioniert.
Serbische und steirische KünstlerInnen wurden gebeten, themenbezogen nachzudenken und Stellung zu beziehen: Kollektiv Brossmann Stachl, ILA, Inicijativa Ne da(vi)mo Beograd, Kommando Anonymous Schwarzes Sonntag Reininghaus, Norbert Prettenthaler, Branislav Nikolić, Erwin Stefanie Posarnig, Ursula Kiesling, Milica Ružičić
Zu sehen noch bis 30. 10. täglich von 10 – 18 Uhr – Eintritt frei!
Haus der Architektur / Palais Thinnfeld / Mariahilferstraße 2 / 8020 Graz