Sushi, erkalteter und gesäuerter Reis mit rohem/geräuchertem Fisch oder Meeresfrüchten, ist so etwas wie das japanische Nationalgericht, das erfolgreich den Siegeszug um die Welt antrat. Doch die japanische Küche ist facettenreicher, bietet eine Vielzahl an Spezialitäten – vom berühmten Wagyu¯-Beef bis hin zum Kugelfisch Fugu – und gilt berechtigterweise als eine der besten der Welt. Wir besuchten zwei absolute Spitzenköche um mehr über die kulinarische Tradition dieses Landes zu erfahren.
Text: Wolfgang Pauker
Sushi – ein Nationalgericht
So umfangreich das kulinarische Angebot Japans sein mag – reduziert man es auf ein Gericht, so würde wohl Sushi stellvertretend für die Küche dieser Nation übrigbleiben. Um dem Geheimnis des perfekten Sushi auf den Grund zu gehen, trafen wir einen der besten, wenn nicht DEN besten Sushi-Chef der Welt. Sagenhafte drei Michelin Sterne für sein Restaurant „Sushi Saito“, welches genau sieben Gästen Platz bietet und in dem ausschließlich Sushi zubereitet wird, lassen die Erwartungen naturgemäß hochgehen. Das Lokal zu finden gestaltet sich etwas schwierig, liegt es doch versteckt über einer Tiefgarage in der Nähe der amerikanischen Botschaft. Dass man, um zum Eingang dieser heiligen Gourmethalle zu finden, dann auch noch ein paar Flure durchstreifen muss, die eher an ein veraltetes Verkehrsamt erinnern, sollte nicht abschrecken – denn dann steht er endlich da, in seinem Bento Box großen Lokal: Saito-san! Mit rasiertem Kopf, grimmigem Blick und perfekt gebügelter weißen Jacke gleicht er eher einem Karate-Champ denn einem Spitzenkoch und dennoch hat das, was er auf den Teller zaubert, mit Sushi, wie man es gemeinhin aus Österreich kennt, ganz und gar nichts zu tun. Wie ein Dirigent und aus einem Guss vom ersten bis zum letzten Arbeitsschritt hantiert er mit dem Reis, den er gekonnt zu einem kleinen Bällchen formt, das Stück aus dem Thunfischbauch (der etwas fettere und teurere Teil) mit anmutenden und tausendmal praktizierten Bewegungen darauf legt um es zum Abschluss mit einem Pinsel mit etwas Soyasauce zu bestreichen und vor mir abzulegen. Dann verschränkt er die Arme, schaut wieder grimmig und erklärt, dass man Sushi nicht mit Stäbchen, sondern mit drei Fingern isst. Was ich ehrfurchtsvoll tue und worauf mir sogleich bewusst wird, dass Sushi nicht gleich Sushi ist. Ebenso verhält es sich mit Wasabi. Während es sich hierzulande meist um gefärbte Senfsauce handelt, wird im Mutterland des Sushi die Wasabi-Wurzel frisch gerieben, zart unter den Fisch gestrichen und verleiht dem Sushi eine zusätzliche, leicht scharfe Würze.
Der lange Weg zum Sushi-Meister
Ganze 10 Jahre dauert die Ausbildung zum Sushi-Meister, wobei er, so erzählt uns Saito-san (das `san´ bedeutet so viel wie `Herr´ Saito), die ersten 3 Jahre nicht einmal daran denken durfte, auch nur einen Fisch zu berühren – vielmehr hieß es abwaschen, Messer schleifen und seinem Meister auf die Finger schauen. Das Fortführen der Tradition ist eine der wichtigsten Aufgaben des Sushi-Meisters, und so bleibt auch wenig Spielraum für Innovationen. „Das Geheimnis des perfekten Sushi liegt in der Temperatur von Reis und Fisch“, so Saito. Und die frische des Fischs? „Auf die absolute Frische kommt es nur bei Meeresfrüchten an. Beim Fisch liegt die große Kunst darin, den idealen Zeitpunkt und die optimale Konsistenz zu finden“, so der Meister weiter. Thunfisch etwa, und den bezeichnet Saito als seinen Lieblingsfisch, legt er in der Regel ca. zwei Wochen ab, ehe er ihn vor den Augen seiner Gäste verarbeitet. Was er uns noch mit auf den Weg gibt: Sojasauce wird äußerst sparsam verwendet, und wenn, taucht man höchstens eine Ecke des Fisches leicht darin ein – niemals den Reis.
Sushi Saito – Jidousha Kaikan Bldg. F1, 1-9-15 Akasaka, Minato-ku, Tokyo; +81 3 3589 4412
Spitzengastronomie auf Japanisch
Die Besonderheit der Top-Lokale Japans liegt darin, dass man dem Koch an seinem Arbeitsplatz in einer Reihe gegenübersitzt und auf die Finger schaut, während er mit der Präzision eines Chirurgen jede Zutat selbst zubereitet. Doch es ist nicht nur die Spitzengastronomie, die den kulinarischen Reiz ausmacht – besonders en vogue ist das japanische Nudelgericht Ramen. Diese Nudeln, vor allem die daraus hergestellte Nudelsuppe, stammt ursprünglich aus China, wurde im 19. Jahrhundert von der japanischen Küche übernommen, angepasst und wird heute in speziellen Restaurants, die sich ausschließlich auf die exzellenten Suppen spezialisiert haben, verkauft. Aber Vorsicht: Das Suchtpotential ist enorm!
Kyoto – Welthauptstadt des Genusses
Der Facettenreichtum der japanischen Küche zeigt sich besonders in Kyoto, so etwas wie der Welthauptstadt des Genusses. Nirgendwo sonst ist die Dichte an mit Michelin-Sternen dekorierten Lokalen größer als hier. Um die kulinarische Bandbreite Japans kennenzulernen, folgen wir der Einladung in das Ishibe-Kouji Kamikura Restaurant, welches seit knapp einem Jahr geöffnet hat und aus dem Stand einen Michelin Stern erkochte.
Was hier aufgetischt wird, sind 10 Gänge und Geschmäcker, wie ich sie noch nie erlebt habe. Jedes Gericht ist verspielt angerichtet, verfeinert mit ausgefallenen Pflanzen, die ungeahnte Geschmäcker und Konsistenzen besitzen und wird begleitet von diversen Saucen und kleinen Boxen, in denen sich wieder neue Überraschungen befinden. Den Höhepunkt bildet ein Filetstück vom Wagyu¯-Beef, der teuersten und exklusivsten Rinderrasse der Welt. Es ist fein marmoriert und nach der Zubereitung am Grill so zart, dass es buchstäblich auf der Zunge zergeht. Der gefolgte Auftritt des Lobsters allerdings ist etwas für hartgesottene. Absolute Frische ist hier zwar oberstes Gebot und am verschmitzen Lächeln des Kochs erahne ich, was uns beziehungsweise dem guten Hummer gleich blühen wird, als er ihn strampelnd absetzt um wenig später seine Einzelteile noch immer zappelnd auf den Rost zu legen. Welcome to Japan – geschmeckt hat er trotzdem. Nicht zu verachten sind auch die japanischen Weine, vorwiegend aus der Region um Kyoto sowie – natürlich – Sake, japanischer Reiswein, den man entweder kalt oder warm trinkt. Sake ähnelt geschmacklich trockenem Sherry, ist klar, 15-20 Volumsprozent stark und wird sowohl als Aperitif, während den Mahlzeiten als auch Digestiv getrunken. Einst dem Kaiserpalast vorbehalten, hat sich diese Sitte heute glücklicherweise überlebt.