Es heißt, München sei die heimliche Kunsthauptstadt Deutschlands. Ein Abstecher ins Kunstareal im Museumsviertel genügt, um sich dieser Meinung als Fan der bildenden Kunst anzuschließen.
Text: Stefan Zavernik
Den Kopf voll mit Kunst. Bis zur glückseligen Benommenheit. Die Erkenntnis? Ein Nachmittag ist definitiv zu wenig. Dennoch reizt der Versuch, das Kunstareal München in einem Stück auszukosten. Auch wenn man dabei an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit stößt. Die einzelnen Museen im Viertel verschmelzen zu einem Schlaraffenland der Kunst, dem man sich so hemmungslos hingeben möchte wie die Figuren dem „Tischlein deck dich“ im Bild Das Schlaraffenland von Pieter Bruegel dem Älteren, das momentan in der Alten Pinakothek in der Ausstellung Neue Nachbarschaften III zu bestaunen ist.
Es zeigt einen Ritter, einen Bauern und einen Gelehrten, die sich maßlos der Völlerei hingaben und nun benommen am Boden liegen. Was das Kunstareal München mit seinen Gemäldesammlungen zu bieten hat, nimmt es mit allen wichtigen Museen der Welt auf. Besonders spektakulär: die Alte Pinakothek, die Neue Pinakothek, die Pinakothek der Moderne und das Museum Brandhorst.
Alte Meister im Überangebot
Die Alte Pinakothek wurde im Jahr 1836 eröffnet, ihre Geschichte beginnt jedoch schon im frühen 16. Jahrhundert unter der Regentschaft von Herzog Wilhelm IV. aus dem Hause Wittelsbach. Der kunstaffine Herrscher gab gerne Historienbilder in Auftrag und sammelte Kunstwerke. Eines der beeindruckendsten Bilder, das auch heute noch zu sehen ist, ist die Alexanderschlacht von Albrecht Altdorfer. Der Herzog gab es zur Aufhübschung für seine Residenz in München in Auftrag. Das epochale Werk war seit seiner Fertigstellung stets begehrt. So schmückte es einige Zeit auch das Badezimmer Napoleons, der es auf seinem Raubzug durch Bayern entdeckte und in Besitz nahm. Wilhelms Enkel Maximilian II. setzte die Sammlertätigkeit der Familie fort und kaufte als Stadthalter Spaniens in den Niederlanden zahlreiche holländische und flämische Bilder.
Darunter Werke von Peter Paul Rubens oder von Van Dyck, die auch heute noch ausgestellt werden. Unter König Ludwig I. von Bayern wurden schlussendlich die gesamten Sammlungen verschiedenster Familienzweige aus Düsseldorf, Mannheim und Zweibrücken mit den kurbayrischen Beständen zu einer gewaltigen Sammlung vereint und in der eigens dafür errichteten Alten Pinakothek der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bei ihrer Eröffnung war es der größte Museumsbau der Welt. Heute umfasst ihre Sammlung mehrere tausend Bilder, mehr als 700 davon sind in der Dauerausstellung in den 19 Sälen und 47 Kabinetten zu bewundern. Zu sehen ist Kunst des Mittelalters bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die grandiose Rubenssammlung rund um das monumentale Große Jüngste Gericht bildet heute das Herzstück der Alten Pinakothek. Neben der altdeutschen Malerei mit Werken von Altdorfer, Dürer oder Grünewald und den kostbaren Tafeln der altniederländischen Malerei ist die italienische Malkunst mit Leonardo, Raphael, Tizian und Tiepolo glanzvoll vertreten. Neben der Dauerausstellung gibt es im Parterre auch Wechselausstellungen. Gegenüber der Alten Pinakothek liegt die Neue Pinakothek, deren 6.000 Gemälde umfassende Sammlung sich der europäischen Kunst des 19. Jahrhunderts verschrieben hat. Sie erzählt von der Aufklärung bis zum Anbruch der Moderne. Mit Werken von Goya, David, van Gogh, Cézanne und anderen Superstars der Kunstgeschichte. Ebenso dient die Neue Pinakothek als Art Bindeglied zur Pinakothek der Moderne.
Die Pinakothek der Moderne
Es ist zum Verzweifeln. Gut und gerne könnte man im Himalaya’s Sister’s Living Room (Himalaya Goldsteins Stube) den ganzen Nachmittag sitzen bleibt. Gemütlich zurückgelehnt, im bequemen Leder-Fauteuil, hypnotisiert von der träumerischen Musik und dem auf ein am Boden liegendes Gemälde projizierten Video. Es zeigt Frauen in bunten Sommerkleidern, sie tanzen, lächeln und versetzen uns in einen traumähnlichen Zustand.
Doch die Zeit drängt, aus dem gemütlichen Nachmittag in der Multimedia-Installation – einem Raum voller Videoprojektionen, nostalgischer Möbel, Gebrauchs- und Schmuckgegenständen, überladen mit Kitschobjekten der 50er, 60er und 70er Jahre – kann nichts werden. Egal wie beeindruckend das begehbare Kunstwerk der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist auch sein mag. Man möchte ja doch das ganze Museum auskosten und das braucht nun einmal Zeit. Die wirkliche Tragödie dabei ist nur, dass die Pinakothek der Moderne insgesamt vier Museen beherbergt und jedes davon unzählige bedeutsame Kunstwerke mit Weltklasseformat ausstellt. Im Grunde könnte man für einen der unzähligen Räume schon einen ganzen Tag einplanen und würde noch immer das Gefühl haben, zu wenig Zeit zur Verfügung zu haben. Denn wer findet sich schon in einem Raum voller Picasso-Gemälde wieder und möchte diese Chance in wenigen Minuten „abhandeln“? Die Sammlung Moderne Kunst im 1. Stock alleine hat das Zeug, eine Ewigkeit lang spannend zu bleiben.
Schon die „Klassische Moderne“ gleicht einer Schau der Superlative: Kunstwerke von Henri Matisse, Georges Braque, Oskar Kokoschka, René Magritte, Max Ernst oder Salvador Dalí. Von Max Beckmann, Pablo Picasso, Wassily Kandinsky, Francis Bacon oder Franz Klee. Die Abteilung „Kunst der Gegenwart“ steht der vorherigen Auflistung um nichts nach und zeigt unter anderem Arbeiten von Andy Warhol, Jasper Johns, Robert Rauschenberg, Cy Twombly, Gerhard Richter, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Georg Baselitz oder Neo Rauch. Neben der modernen Kunst lockt im Untergeschoß die Neue Sammlung, eines der führenden Designmuseen der Welt. Es ist nebenbei erwähnt die größte Sammlung für Industriedesign weltweit. Gezeigt werden insbesondere Bestände zu den Themen Fahrzeugdesign, Computer Culture, Design von Schmuck, Alltagsgegenständen und Möbeln, darunter die Thonet-Sammlung.
Was es sonst noch gibt? Das Architekturmuseum und die Staatliche Graphische Sammlung München, eine der wichtigsten Grafik-Sammlungen der Welt. Und wem das alles noch nicht genug ist, der schlendert nach dem Besuch dieser futuristischen Mega-Kunsteinrichtung einfach ein paar Meter weiter und checkt im Museum Brandhorst ein. Dort immer zu sehen: eine großartige Ausstellung über Cy Twombly, welche den kompletten Lepanto-Zyklus zeigt.
Kunst am Teller, Mandarin Oriental Munich
Kunst gibt es in München nicht nur in Museen und Galerien. Da und dort findet man sie auch im Cocktailglas – bei Charles Schumann – oder auf dem Teller in einem der schicken Restaurants wieder. Zum Beispiel im legendären Tantris, dem Michelin-Sterne-Restaurant von Starkoch Peter Haas. Seit einem Jahr auch im luxuriösen Mandarin Oriental Hotel. Dieses beherbergt das Matsuhisa Restaurant des weltberühmten japanischen Küchenchefs Nobuyuki Matsuhia, der gemeinsam mit Robert De Niro die Restaurantkette Nobu betreibt.
Der japanische Kochkünstler startete seine Karriere in Tokio, betrieb einige Jahre ein Restaurant in Lima, Peru, und eröffnete Jahre später ein Restaurant nach seinen Idealvorstellungen in Beverly Hills, das Matsuhisa. Schnell wurde es zu einem Hot-Spot; einer der Stammgäste, Robert De Niro, verliebte sich so in das Gericht Black Cod den Miso, dass er den Koch überredete, mit ihm gemeinsam ein Restaurant in New York aufzusperren, das Nobu. Heute ist daraus eine Kette entstanden, die in zahlreichen Weltmetropolen wie Mailand, Hongkong, London oder Moskau erfolgreich die japanische Küche vertritt. Im Matsuhia in München serviert der Küchenchef neben Nobu-Klassikern seine aufwendigen Signature Dishes aus Beverly Hills. Seine Küche ist eine Fusion aus japanischer und peruanischer Kochkultur. Darunter feinste Sushi- und Sashimi-Kreationen, peruanische Ceviches, geniale Salate wie der Kohlrabi Salad mit Olivenöl, Trüffelöl, Yuzu-Saft, getrockneter Sojamilchhaut, getrocknetem Miso und Parmesan, und natürlich Fisch und Meeresfrüchte in den unterschiedlichsten Zubereitungen. Über allen strahlt der legendäre Black Cod den Miso. Das Filetstück wird tagelang mit einer süßlichen Miso-Paste mariniert, danach im Ofen gebraten und vor dem Servieren unter den Grill zum Karamellisieren geschoben. Der Fisch zergeht im Mund und besticht mit einem wundervollen, nussigen Aroma.
Das Mandarin Oriental ist nicht nur des Essens wegen eine gute Adresse. Das Luxus-Hotel ist auch als Unterkunft zu Recht einer der Hot-Spots in München. Die ideale Lage hinter dem Hofbräuhaus macht es zu einem perfekten Ausgangspunkt für Kunstinteressierte, die so gut wie jedes Museum der Stadt im Zuge eines traumhaften Spazierganges erreichen können. Seine überschaubare Größe mit 48 Zimmern und 25 Suiten sorgt für intime Gemütlichkeit. Und in den Sommermonaten ist der Pool am Dach des Hauses ein weiteres Markenzeichen, das zu seinem mondänen Ruf beiträgt.
www.pinakothek.de
www.mandarinoriental.de/munich