Florenz ist mehr als sehenswert. Es wirkt wie ein von Gott geschaffenes Museum, in dem Kunst und toskanische Lebensart zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen.
Text: Stefan Zavernik
Wahre Schönheit ist begehrt. Wer es in Florenz geschafft hat, vor ihr Stellung zu beziehen, kann ein Lied davon singen. Doch ein kurzer Blickkontakt genügt und der Groll über die stundenlange Wartezeit im Hof der Uffizien ist wie weggeblasen. Sandro Botticellis Die Geburt der Venus nimmt einem umgehend den Atem. Wäre es möglich, sich in die Figur eines Gemäldes zu verlieben, stünden die Chancen, von Amors Pfeil getroffen zu werden, hier besonders günstig. Leichtfüßig thront die Göttin der Liebe mit wallendem, goldenem Haar auf einer übergroßen Jakobsmuschel und betört ihr Publikum. Im Gegensatz zu Raffael oder Leonardo malte Botticelli seine Schönheit nicht nach den Maßen des klassischen Realismus.
Der Hals der Venus ist zum Beispiel etwas zu lang, ihre anatomische Haltung nicht vollends korrekt, doch all diese scheinbaren Makel betonen geradezu die Schönheit dieses in Öl gepinselten Supermodels. Für das Gesicht der Übersinnlichen soll dem Maler eine gewisse Simonetta Cattaneo Vespucci als Modell gedient haben. Die laut Geschichtsschreibung schönste Frau von Florenz inspirierte eine Reihe an Künstlern, Botticelli jedoch hat sie mit ihrer Schönheit regelrecht den Kopf verdreht. Immer wieder taucht sie in seinen Gemälden auf, auch in seinem Meisterwerk Primavera, das ebenfalls im Museum zu sehen ist.
Kunst in Florenz: die Uffizien
Der gigantische Palazzo degli Uffizi wurde zwischen 1560 und 1580 als Regierungsgebäude erbaut, in dem die wichtigsten Ämter und Ministerien der damaligen Zeit zusammengefasst wurden. Als Architekt wurde Giorgo Vasari engagiert. Dieser starb allerdings vor Fertigstellung, Bernardo Buontalenti und Alfonso Parigi der Jüngere brachten seine Pläne zu Ende. Wie so vieles hat Florenz auch dieses Juwel von einem Bauwerk der Herrscherfamilie der Medici zu verdanken, die mit ihrem grenzenlosen Mäzenatentum über Jahrhunderte hinweg die Renaissance prägten. Cosimo de’ Medici zum Beispiel förderte Künstler wie Donatello, Filippo Lippi und besonders Michelangelo. Auch Sandro Botticelli, Francesco Granacci und Leonardo da Vinci standen in seiner Gunst. Das Ergebnis war, dass sich Florenz zur Wiege der Renaissance und zu einer Metropole der Kunst entwickelte. Die Medici beauftragten aber nicht nur Künstler, um Bilder, Statuen oder Bauwerke zu erschaffen, sie sammelten auch leidenschaftlich gerne. Und wollten ihre Kunst gönnerhafterweise der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Als der Palazzo fertiggestellt war, begann man aus diesem Grund, Platz für die Präsentation von Kunstwerken zu schaffen. Immer mehr Sammlerstücke der Familie fanden ihren Platz in den Uffizien. Eines der Prunkstücke war von Anbeginn an die Mediceische Venus, die im Garten des verstorbenen römischen Kaisers Hadrian entdeckt wurde. Die wertvolle Skulptur sollte unzählige Künstler inspirieren, darunter Sandro Botticelli, der in der Körperhaltung der in Marmor gemeißelten Dame für sein grandioses Meisterwerk Die Geburt der Venus Inspiration für seine Hauptfigur gefunden haben soll. Schon im 18. Jahrhundert waren die Uffizien weit über die Grenzen Italiens bekannt, galten als erstes Museum in Europa und prägten den Begriff Galerie für eine Gemäldesammlung. Die Medici vermachten ihre Sammlung schlussendlich zum Ende ihrer Herrschaft unter Anna Maria de’ Medici der Stadt unter der Bedingung, dass diese selbige nie verlassen dürfe. Heute beherbergt das u-förmige Gebäude die spektakulärste Renaissancekunstsammlung der Welt. Besucher stehen vor einem unglaublichen Überangebot an künstlerischen Meisterleistungen. Zu sehen sind Werke der Malerei und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock. Darunter das Tondo Doni von Michelangelo, Die Verkündigung von Leonardo da Vinci, Die Medusa von Caravaggio oder das Portrait des kindlichen Giovanni de‘ Medici von Agnolo Bronzino. Eines zeigen die Uffizien aber auch in aller Deutlichkeit. Florenz hat für einen Aufenthalt von wenigen Tagen einfach zu viel Kunst zu bieten. Surreale Wartezeiten von mehreren Stunden sind bei den weltberühmten Sehenswürdigkeiten die Regel. Wer sich zu viel vornimmt, läuft Gefahr, das Lebensgefühl der Stadt im Geschiebe der Touristenströme niemals in den Sinn zu bekommen. Also beim alltäglichen Museumsmarathon ja nicht auf das Dolce Vita vergessen. Zum Beispiel mit toskanischer Küche in einer der gemütlichen Trattorien. Oder auf der Suche nach den neuesten Modetrends: Florenz beherbergt weltberühmte Fashionlabels, die Mode zur Kunstform erhoben haben. Darunter die legendären Modeunternehmen Gucci und Salvatore Ferragamo. Beide haben in der Innenstadt eigene Museen, die Besuchern einen Einblick in ihre Geschichte geben.
Lebensart: Essen & Trinken
Wenn es um das Aushängeschild florentinischer Küche geht, dem Bistecca alla Fiorentina, ist ein wenig Vorsicht angebracht. So gut wie in jedem Lokal wird es angeboten. Doch das Original ist alles andere als ein Massenprodukt. Um es in Vollendung zu genießen, geht man am besten ins Buca Lapi, das älteste Restaurant von Florenz (www.bucalapi.com). Wer einen Tisch möchte, sollte früh genug reservieren. Bereits seit dem Jahre 1880 serviert man toskanische Küche. Und das Bistecca kommt nur vom Chianina-Rind auf den Grill, einer Rinderrasse, die schon zu Zeiten der Etrusker im Chianina-Tal graste. Die weißen Rinder sind regelrechte Riesen, dies ist auch der Grund, warum das florentinische T-Bone Steak solch gigantische Ausmaße annimmt.
Es wird direkt im Lokal geschnitten, meist mit einer Breite von 6 cm. Die Prachtstücke bringen dann gerne einmal 1,5 kg auf die Waage und reichen zumindest für zwei, wenn nicht vier Personen. Zubereitet wird es ausschließlich am Holzkohlegrill. Es wird auf beiden Seiten scharf angegrillt und ruht danach für einige Minuten. Dann kommt es an den Tisch, wo es vom fachkundigen Kellner vor den Augen der Glücklichen aufgeschnitten wird. Ein wenig Olivenöl, etwas Salz und Pfeffer. Außen angekohlt, innen so gut wie roh. Ein Gedicht von einem Steak, das in Kombination mit einem toskanischen Rotwein zu einem geschmacklichen Kunstwerk erster Güte verschmilzt. Stichwort Wein: Im selben Palazzo, in dem das Buca Lapi im Keller liegt, findet sich eine weitere kulinarische Institution der Stadt, die Cantinetta Antinori. Familie Antinori begann bereits mit dem Weinanbau, bevor Florenz sein schillerndes Wahrzeichen, den Dom, erhalten hatte. In der Cantinetta speist man gutbürgerlich und trinkt dazu die Weine des Antinori-Imperiums zu moderaten Preisen. Ein zweiter Pflichtbesuch.
Residieren wie ein Medici im St. Regis Hotel
Der berühmte Filippo Brunelleschi war eigentlich kein gelernter Architekt, dennoch bescherte er Florenz seine architektonische Meisterleistung, die gigantische Kuppel des Doms der Kathedrale Santa Maria del Fiore. Auch andere Bauwerke gehen in Florenz auf seine Rechnung, darunter ein prunkvoller Palazzo am Ufer des Arno, nur einen kurzen Spaziergang von der Ponte Vecchio und den Uffizien entfernt.
Brunelleschi plante diesen zu Beginn des 14. Jahrhunderts als Familienpalast der Giuntini. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das einstige Familiendomizil übergeben und zu einem Grandhotel umgewandelt. Die Pracht des Palazzos hatte schon immer ungeheure Anziehungskraft, Königin Victoria nutzte es ebenso als Aufenthaltsort wie indische Maharajas auf ihren Toskanareisen. Um 1990 wurde begonnen, das Hotel umfangreich zu restaurieren. Seit 2011 stehen seine Türen den Gästen des noblen Luxushotels St. Regis offen (www.stregisflorence.com).
Geboten wird ein sagenhaft fürstliches Ambiente und mondäner Lebensstil, der auch den Medicis gefallen hätte. Das Aus- und Einpacken übernimmt gerne das hauseigene Butlerservice, das Gäste auch sonst von so gut wie jedem alltäglichen Handgriff bei der Freizeitplanung befreit. Diese haben so alle Zeit, um sich von der Pracht der Location berauschen zu lassen. Zum Beispiel bei einem Aperitivo im feudalen Wintergarten mit seinem gigantischen Kristallluster, in dem jeden Abend die Champagnerflaschen gesäbelt werden. Doch das Champagner-Ritual ist nur lukullische Nebensache, das wahre Highlight ist die Küche, die serviert wird.
Der Restaurantbetrieb wird von Sternekoch Michele Griglio inszeniert, der neben Neuinterpretationen der florentinischen Küche auch gerne auf das reichhaltige Fischangebot der ligurischen Küste zurückgreift. Sein fangfrischer Branzino mit geschmorten Tomaten, schwarzen Oliven und Kapern, ist wärmstens zu empfehlen und eine gelungene Abwechslung zur täglichen Versuchung, sich in einer der Trattorien ein weiteres Bistecca alla Fiorentina zu gönnen. Die Weinbegleitung kann sich ebenfalls sehen lassen, kann doch der fachkundige Sommelier aus dem Vollen schöpfen: Alles, was gut und teuer ist, liegt im hauseigenen Weinkeller aus dem 15. Jahrhundert. Schade, dass ein Wochenende in Florenz so schnell vergeht. Doch wie schon Michelangelo wusste: Gott hat der Hoffnung einen Bruder gegeben. Er heißt Erinnerung.