Sölls Frauenfiguren zeugen von Spuren gesellschaftsbedingter Verletzungen, aber auch deren Überwindung. Das Weibliche fügt sich harmonisch in die umgebende Natur, als ursprüngliche Kraftquelle interpretiert.
Text: Natalie Resch
„Die Ausstellung von Michaela Söll ist nicht nur ein kraftvolles und wichtiges Statement für die weibliche Kunst, sondern bewirkt auch ein Herantasten und Annehmen befremdender Frauenporträts auf Seiten der Beobachter“, formuliert es Johann Baumgartner. Gemeinsam mit Bürgermeister Siegfried Nagl und in Anwesenheit der Künstlerin eröffnete der Bildungs-und Kulturreferent des Steiermarkhofs die Ausstellung in der Hofgalerie am 11. Jänner. Er schätze Sölls eigenen Stil, der bewusst an die Grenzen des Erklärbaren führt. „Mit ihrem eigenständigen Weg in der Kunst setzt sie Kontrapunkte und taucht ab in ihr eigenes Ich. Es ist die Leidenschaft und die Tiefe des Lebens, die sie uns vor Augen führt.“
Die in Spielfeld geborene Künstlerin setzt sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Frau-Sein im gesellschaftlichen Kontext auseinander und legt persönliche Reflexionen in ihre Arbeiten. Für den Besucher nicht auf den ersten Blick ersichtlich, als Reihe angelegt, zeigen ihre Malereien den weiblichen Zyklus im wörtlichen und übertragenen Sinn. Bewegende Situationen, Übergänge zwischen Lebensphasen wie „Der erste Schultag“, „Rot ist das Blut“, „Die Jägerin“ verarbeitet sie bildlich. „Michaela Sölls neue Malereien rücken einmal mehr starke Frauen ins Zentrum des Bildgeschehens, deren Körper und Gesichter Geschichten von Erlebtem, Beobachtetem und Erfundenem erzählen“, beschreibt Roman Grabner, Leiter des Bruseums.
Archaische Verbundenheit: Natur und Kultur
Die weiblichen Körper stellt Söll in Beziehung mit deren Umgebung, in einer Interpretation ihrer Beobachtungen, Vorstellungen und Erfahrungen. Ihre „Mädels” – so nennt sie ihre Figuren amikal – bewegen sich harmonisch in ihrer floralen Umgebung. Das Zusammenspiel zwischen sanften Pastelltönen und kräftigen Farben, in sich verschwimmenden Übergängen und klaren Linien fesseln und fordern den Betrachter zum Verweilen. „Viele dieser weiblichen Positionen fordern die Betrachterinnen und Betrachter heraus, um mögliches Vorgefertigtes neu zu überdenken oder zu definieren“, so Baumgartner.
Symbiotisch wirkt die Beziehung zwischen der figurativen Frauenfigur und der sie umgebenden Natur. Zugleich tritt die Frau in ihren Konturen und – oft nur angedeuteten Blicken – deutlich hervor. Nicht gewaltsam, sondern durch die kluge Strichführung der Künstlerin selbst, die dadurch Intimität und Distanz erzeugt. Roman Grabner geht näher auf die Gesichter ein: „Die Gesichter in den neuen Bildern von Michaela Söll weisen Formen von Beschädigung und Deformation auf, die als Spuren von Gewalt und Narben von Machtverhältnissen gelesen werden können.“ Die Farbe und die Bildästhetik verweisen aber auf die Überwindung dieser „Verletzungen“.