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Taumel, Realität, Fiktionalität & Kreativität im Kunsthaus Graz

Installationsansicht, „Taumel“, Kunsthaus Graz, 2017, Rechts: Michael Landy, "Multiple Death", 2013, Links: Jonathan Monk + Ariel Schlesinger, "Balanced Acts" (Graz), 2017 Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Im Grazer Kunsthaus dreht sich derzeit alles um das Thema „Taumel. Navigieren im Unbekannten“. Die erste Ausstellung 2017 spielt mit den Ängsten der Unentschlossenheit.

Text: Martin Stoff

Der Taumel ist zweifelsohne ein komplexer Prozess, generell vor allem im Alltag. Ein Stadium des Wankens, der Fall oder der Aufstieg steht bevor. Die Künstler versuchen nun anhand ihrer Arbeiten das verhängnisvolle Gefühl augenscheinlich zu machen, beziehungsweise ihre eigenen Erfahrungen damit zu verarbeiten. Denn besonders als Künstler stellt man sich die Frage, kann Taumel eigentlich auch kreativ sein? Die präsentierten Werke regen zum Nachdenken an und geben Aufschlüsse über die eigene Gefühlswelt und die Empfindungen anderer. Die Ausstellungsräume wurden abgedunkelt um den Schauwert zu steigern, zudem wird der Beobachter beim Durchschreiten der Ausstellung von einer ständigen Stimme, „Dizziness is my Name“ begleitet, die ihm den Weg durch das Ungewisse weisen soll.

Installationsansicht, „Taumel“, Kunsthaus Graz, 2017,
Vordergrund: Jonathan Monk + Ariel Schlesinger, „Balanced Acts“ (Graz), 2017
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Im ersten Teil der Ausstellung, dem „Hinein“ präsentiert Michael Landy sein riesiges Kunstwerk „Multiple Death“ . Einprägsam religiös und beängstigend realistisch, zeigt es das Zersprengen des Egos. Danach Cameron Jamies Werk „Kranky Klaus“. Eine riesige Installation, darin ein Film über Perchtenlauf zum Soundtrack der Melvins. Was ist Heimat? Was ist unsere Kultur? Kann Kultur Angst machen? Weiter geht es zu Laurel Nakadate, einer Künstlerin, welche sich gerne in Gefahr bringt. Mit „Oops!“  werden Videos, in denen sie mit Fremden tanzt, aufgeführt. Eine Tanzfläche lädt zur Interaktion ein und lässt die Besucher an der grotesken Situation teilnehmen.

Anna Jermolaewa, „Good Times, Bad Times“, 2007,
Foto: Anna Jermolaewa, Courtesy der Künstlerin
© Bildrecht, Wien, 2016

Im zweiten Teil dem „Durch“ zeigen viele Künstler den Zusammenhang des Taumels und diverser Rauschmittel. Der Dichter Henri Michaux erschuf mittels Meskalin sein eigenes existentielles Alphabet  und Ben Russell veranschaulicht in seinem Werk „Trypps #7 (Badlands)“ eine Frau im LSD- Rausch. Im Hintergrund die karge Landschaft des Badlands-Nationalparks. Doch die Kamera filmt einen Spiegel und trickst unsere Wahrnehmung aus. Ein ständiges Schwanken zwischen Realität und Illusion. Sehr sozialkritisch ist der Beitrag von Superflex „Credit Suisse Zurich Towers“. Blumentöpfe, geformt wie die Bankgebäude der Metropolen, gefüllt mit den Rauschpflanzen des Alltags, lassen uns die undurchsichtige Finanzgesellschaft hinterfragen. Mit der Frage, wie sich der Taumel nun eigentlich aushalten lässt, beschäftigt sich Bruce Nauman. Das Selbstexperiment „Pencil Lift/ Mr. Rogers“ führt  ein Video vor, in dem drei Stifte Seite an Seite aneinander gedrückt gehoben und wieder abgelegt werden, nur eine ruhige Hand kann die Kontrolle bewahren.

Trevor Paglen, „Workers“, Gold Coast Terminal; Las Vegas, NV; Distance ~ 1 mile; 8:58 a.m., 2007,
Courtesy und Copyright des Künstlers; Metro Pictures, New York

Im dritten Teil der Ausstellung, dem „Hinaus“, weist uns Ólafur Eliasson mit seinem „Trust compass“ wieder auf den rechten Pfad. Um aus dem Taumel wieder herauszukommen muss man in ständiger Bewegung bleiben, man darf nicht verweilen, sonst droht der Fall. Auch Robert Fillious Fluxusarbeit „Optimistic box No. 1“ oder Oliver Resslers „Occupy, Resist, Produce“ helfen aus der Ausweglosigkeit und schützen vom ungebremsten Fall. In der mit dichtem Nebel gefüllten Needle zeigt uns Ann Veronica Janssens gegen Ende der Ausstellung mit „MUHKA, Anvers“ wie es ist, orientierungslos durch den Raum zu taumeln – eine unvergleichliche Erfahrung.

Installationsansicht, „Taumel“, Kunsthaus Graz, 2017,
Jonathan Monk + Ariel Schlesinger, „Balanced Acts“ (Graz), 2017
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Der Blick in die Welt des Taumels und Zweifelns beschert ein ungemein kreatives und berauschendes Erlebnis. Die Ausstellung dauert noch bis 21. 5. 2017 fort.  Zudem gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm mit Themenführungen, Kurzfilmen und Guerillawalks, welches sich unter www.kunsthausgraz.at abrufen lässt. Anbei aber noch die wichtigsten Termine.

Gruppenfoto des Kuratorenteams,
v.l.n.r.: Kuratorinnen Katrin Bucher Trantow und Ruth Anderwald, Kurator Leonhard Grond
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Agents of Confusion! (Symposium): 10. 02., 10-19 Uhr, Space 04

 Themenführungen:

  1. 03., 11 Uhr
  2. 04., 11 Uhr
  3. 05., 11 Uhr

Im Taumel (Kurzfilmprogramm): 31. 03., 11-12.30 Uhr, Schubertkino

Hasenherz/ Carte Blanche für Mark Toscano

  1. 04., 11-12.30 Uhr, Schubertkino 2

Graz Guerillawalks: Oliver Hangl feat. Barbis Ruder

  1. 05. 16.30 Uhr
  2. 05. 15.30 Uhr

Treffpunkt Kunsthaus Graz