Das Steirische Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur gewährt Einblicke in das Sammeln zeitgenössischer Kunst. Zu sammeln bedeutet immer, sich mit Dingen näher auseinanderzusetzen, kritisch auszuwählen und schlussendlich durch die entstehende Sammlung zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Auch – oder gerade – in der Kunst.
Text: Stefan Zavernik
Neben leicht zugänglichen öffentlichen Kunstsammlungen in Museen und Galerien wird Kunst seit jeher auch in privatem Rahmen gesammelt. Doch dieses „angesammelte“ Wissen bleibt meist der Öffentlichkeit verborgen. Ein Gedanke, der für Kuratorin Anja Weisi-Michelitsch nach einigen Überlegungen zu einer spannenden Idee führte. „Es ist schade, dass so viele Privatsammlungen unentdeckt bleiben oder zerschlagen werden. Wissen geht damit so oft verloren“, erklärt sie im Gespräch mit „Achtzig“. „Ich wollte für unsere aktuelle Ausstellung bewusst Einblick in zwei private Sammlungen gewähren und damit aufzeigen, wie nahe sich Sammler kommen können, obwohl sie komplett unterschiedliche Rollen einnehmen.“ Wie das funktioniert? Die Ausstellung collectors rooms zeigt zum einen die Sammlung eines Künstlers, und stellt ihr die Sammlung eines Galeristen gegenüber.
Der Künstler und seine Sammlung
„Gute Kunst hat Bestand und – was mir auch wichtig erscheint – sie drückt ein Empfinden der Zeit aus, in der sie gemacht wurde.“ Der 1951 in Koglhof geborene Steirer Erwin Lackner lebt und arbeitet in Söding. Er ist Gründungsmitglied der Gruppe 77 und hatte eine Vielzahl an Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Lackner war als Grafiker tätig. Sein handwerklich beeindruckendes grafisches Können aus dieser Zeit wird in seiner Kunst spürbar. Weisi-Michelitsch präsentiert eine Auswahl davon neben Objekten seiner Sammlung. Darunter einige seiner „Strichflächen“, zeichnerische Kompositionen aus strengen, oftmals symmetrischen Formen. Ebenso zuletzt entstandene Grafiken, die sich mit den kriegerischen Aspekten unserer Zeit auseinandersetzen; sie zeigen zerbombte Städte und verwüstete Gebiete. Zum Schmunzeln verleitet seine Knäckebrot-Serie, zum Nachdenken seine Skulptur, bei welcher der Koran mit der Bibel verschmilzt.
Wut und Verzweiflung brachten ihn zu der Arbeit Copyjam und die Ausstellung damit zu einem ihrer großen Highlights. Enttäuscht über den missglückten Ankauf eines Kopierers, zerlegte er ein solches Gerät in sämtliche Einzelteile, um diesen dann in Form von kleinen Skulpturen einen neuen Sinn zu verleihen. Sie wirken wie Miniatur-Roboter aus einem Science-Fiction-Film. Neben seinen Kunstwerken gibt seine Sammlung ein starkes Statement zu seiner Position und seinem Kunstgeschmack. Zu sehen sind unter anderem Werke von Erwin Wurm, Monotypien von Herbert Brandl, Arbeiten von Kurt Weber, Helen Chadwick oder Manfred Erjautz wie auch Arbeiten von Martin Bruno Schmid. Das Besondere an den „Lackner-Räumlichkeiten“ ist, dass sein Charakter allgegenwärtig wirkt. Als Künstler wie auch als Sammler. Zwischen seinen eigenen Kunstwerken und jenen seiner Sammlung scheint eine höhere Verbindungsebene spürbar.
Galerist an der Schnittstelle zwischen Künstler und Sammler
Der Sammlung von Lackner steht in der Ausstellung jene des Grazer Galeristen Eugen Lendl gegenüber. Dieser wurde mit Bedacht ausgewählt. Lendl gilt in Graz mit seiner Galerie als Institution. Seit über 30 Jahren hat er die Kunstszene von Graz mitgeprägt, unzählige Künstler entdeckt, begleitet und gefördert. Neben seiner Tätigkeit als Galerist und dem Handeln mit Kunst ist auch der Sammler in ihm stetig gewachsen. Für viele unerwartet, tritt Eugen Lendl hier auch mit seiner Sammlerleidenschaft für druckgrafische Werke in Erscheinung. Mit den hier präsentierten Arbeiten lenkt er den Fokus auf das druckgrafische Werk „Alter Meister“ aus dem 16. Jahrhundert, beginnend mit Kupferstichen von Marc Antonio Raimondi bis hin zu Radierungen von Francisco de Goya, aber auch Stichen nach Rembrandt oder Dürer. Damit gewinnt die Ausstellung ungemein an Spannung und führt Lendls Sicht vor Augen, dass sich auch die Größen unserer Zeit an früheren Idolen inspirieren.
„Von nichts kommt nichts. Große Künstler verfügen über ein ungeheures, kunsthistorisches Wissen. Nur unbedeutende Künstler glauben, dass sie ohne diese Basis die Welt neu erfinden können.“ Lendls Stellenwert für die steirische Kunstszene wird im Hauptraum der Ausstellung am deutlichsten. Eine ganze Wand ist mit Arbeiten steirischer wie internationaler Kunststars ausstaffiert. Darunter Arbeiten von Erwin Wurm, Werner Reiterer, Manfred Erjautz, Rudi Molacek, Hubert Schmalix und vielen anderen. Im Fußboden, unter einer durchsichtigen Plexiglasscheibe, entdeckt man eine Skulptur von Wolfgang Becksteiner. Auch Bilder von Gregor Traversa sind zu sehen, mit dem Lendl eine jahrelange Freundschaft pflegte und an dessen Entwicklung er maßgeblich beteiligt war. Was Lendl all die Jahre dazu angetrieben hat, in Graz zeitgenössische Kunst zu zeigen? „Das kann man nicht wirklich beantworten“, meint er. „Es ist eine eigenartige Sucht, die einen irgendwann überkommt, und dann findet man nicht mehr heraus.“ Für Graz war dieses Schicksal definitiv ein großes Glück. Das zeigt auch collectors rooms. Zu sehen sind auch Arbeiten von jüngeren Künstlern, darunter ILA oder Lisa Reiter. Ebenso vertreten sind Christian Eisenberger, Lilly Hagg oder Christian KRI Kammerhofer.
Unterschiedliche Blickrichtungen, ähnliche Sichtweisen
Es ist spannend mitanzusehen, welche Verknüpfungen die beiden aus unterschiedlichen Blickwinkeln entstandenen Sammlerräume schlussendlich aufweisen. Immer wieder tauchen in ihnen dieselben Künstler auf, dieselben Themen und Stilrichtungen. Zweifelsohne aber ist eine der großen Verbindungen die Leidenschaft für das Sammeln, welche die beiden Freunde in collectors room zueinander finden lässt. Und es drängt sich die Frage auf, ob Sammeln selbst nicht auch eine Kunst sein kann.
collectors rooms / Lackner – Lendl. Sammeln – eine Leidenschaft
Ausstellungsdauer: Sa, 18.3. – So, 28.5.2017 im Steirisches Feuerwehrmuseum Kunst & Kultur, Marktstraße 1, 8522 Groß St. Florian
www.feuerwehrmuseum.at / www.eugenlendl.com