Die chronologische Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung Adipositas hat sich längst zu einem gravierenden gesellschaftlichen Problem entwickelt. Neben Herz-Kreislauf-Komplikationen, erhöhtem Schlaganfallrisiko und Diabetes, sind oftmals seelische Gebrechen Folgen des mit ihr verbundenen Übergewichts.
Text: Martin Stoff
Seit den 1980er Jahren hat sich der Anteil der Patienten verdreifacht, Kinder und Jugendliche sind hier besonders stark betroffen. Schuld sei sowohl die Nahrung, die uns angeboten wird, welche zwar einen hohen Gehalt an Kalorien deckt, aber nicht über ausreichende Inhaltsstoffe wie Vitamine verfügt, als auch unser täglicher Umgang damit, erklärt Moenie van der Kleyn, Leiterin des Studiengangs „Hebamme“ der FH Joanneum. Um jüngere Generationen von vornherein auf diese Gefahren hin zu schützen, startet das am 21. April 2017 neu eröffnete Josef Ressel Zentrum der Fachhochschule eine auf fünf Jahre angelegte Forschungsstudie zum Thema frühkindliche Adipositasforschung.
Was macht Muttermilch so besonders?
Als studienrelevant gilt der Einfluss von Qualität und Quantität der aufgenommenen Nahrung in den ersten 1000 Tagen in Bezug auf eine metabolische Vorprägung in Richtung Übergewicht. Es wird untersucht, was den Unterschied zwischen den von der Mutter gestillten und den ausschließlich mit Formulanahrung ernährten Säuglingen ausmacht. Man weiß zwar, dass gestillte Babys weniger zu Übergewicht neigen, die Frage ist aber warum. „Es liegt vermutlich am tierischen Eiweiß in der künstlichen Nahrung, den fehlenden Sättigungshormonen, beziehungsweise dem aufgezwungenen Trinkvolumen durch die Flasche“, so Biochemiker Erwin Zinser. Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es daher, eindeutige Sättigungszeichen mittels Saugmuster, Puls und Sauerstoffsättigung zu erkennen und so die Überfütterung von nicht gestillten Kleinkindern zu vermeiden. Die zweite Untersuchungsperiode dauert bis zum Ende des zweiten Lebensjahres des Kindes fort und dient zur Auswertung von Langzeitergebnissen. Man will einen Zusammenhang zwischen dem Fütterungsstil der Mütter, dem Essverhalten und einem sich eventuell entwickelnden Übergewicht feststellen. Besondere Hauptaufmerksamkeit widmet man der Zunahme der Körperfettmasse, denn die Zellen des Fettgewebes wirken als Hormondrüsen und begünstigen dadurch die Entwicklung von Übergewicht. Außerdem werden Mikronährstoffe, Biomarker und das Mikrobiom detailliert untersucht, sowie die audiovisuellen Aufnahmen der Sättigungszeichen ausgewertet.
Modernste Technik und großes wirtschaftliches Interesse
An der longitudinal angelegten Forschung nehmen insgesamt 90 Frauen und deren Kinder teil. Um großartige Ergebnisse zu gewährleisten, bietet das in der FH Joanneum organisierte „Health Perception Lab“ Technik auf dem neuesten Stand. Die Geräte „Pea Pod“ und „Bod Pod“ ermöglichen genaueste Datenerfassung beim Untersuchen der Zusammensetzung der Körper von Neugeborenen und Erwachsenen und stehen nur wenigen europäischen Forschungsinstituten zu Verfügung. Zu den zahlreichen Unterstützern, die das Projekt ermöglichen, gehören neben der Christian Doppler Forschungsgesellschaft und dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auch Milupa Österreich, ein Tochterunternehmen der Danone Nutricia GmbH. Das Unternehmen ist führender Experte bei der Ernährung in den ersten 1000 Tagen und auch Inhaber eines eigenen Muttermilchforschungszentrums in den Niederlanden. „Trotz unserer umfangreichen Einrichtungen sind auch wir auf externe akademische Partner angewiesen um unsere Erkenntnisse zu verbessern“, meint Biochemiker Bernd Stahl, Direktor des Human Milk Research von Danone Nutricia Research in Utrecht.