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Kunst im öffentlichen Raum: Es werde Licht

Plex Noir, Echtzeitstudien

Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark widmet sich 2017 dem Thema Licht. Acht unterschiedlich angelegte und speziell für Graz entwickelte Arbeiten laden ein, sich auf internationale Lichtkunst einzulassen.

Licht ist Grundbedingung für Leben. Die Ambivalenz in der Intensität von Licht evoziert unterschiedlichste Reaktionen. So erzeugt die Abwesenheit von Licht ebenso Angst wie zu starkes, blendendes Licht; wärmendes, uns begleitendes dagegen Wohlbefinden. Nicht nur politische, ökonomische oder soziale Bedingungen, Entwürfe oder Strategien sind von Licht abhängig, auch Schlafrhythmen, unsere Psyche, Gesundheit oder Emotionalität. Tatsächlich weiß man aber bis heute nicht, was Licht genau ist, und das, obwohl die Auseinandersetzung mit Licht bis in die frühest denkbaren Vorstellungswelten zurückreicht. Auch die Kunst hat sich seit jeher mit dem Phänomen des Lichtes auseinandergesetzt und entwickelte durch die technische Revolution und Neufindung von Lichtquellen, durch Elektrifizierung und Dynamisierung der Welt neue Ausdrucksformen. Licht markant einzusetzen, damit umzugehen, Architekturen, öffentliche Plätze oder Kommunikationsräume zu nutzen oder zu schaffen, sind nur einige Intentionen, die Kunst in diesem Bereich antreibt. Auch in Graz wird Licht in diesem Jahr künstlerisch zum großen Thema, das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark bespielt die Innere Stadt ab 21. April mit 8 eigens konzipierten Kunstwerken. Jedes von ihnen ist unterschiedlich angelegt und speziell für Graz entwickelt.

Manfred Erjautz, Skulpturale Akupunktur

 

Licht 2017: Die Kunstwerke im Überblick

Echtzeitstudien

Das Künstlerkollektiv Plex Noir beschäftigt sich in einer spektakulären Installation mit den digitalen Fußspuren des Menschen: Nahezu jede Person trägt ein Smartphone mit sich, das in Verlängerung unseres Körpers dazu beiträgt, dass wir techno-soziale Hybride geworden sind. Plex Noir bringt diese Spuren auf die Leinwand, indem sie die Funkstrahlen der Mobiltelefone mit sensiblen Antennen aufnimmt und audiovisuell transformiert. Durch ein einfaches Interface auf dem Mobiltelefon kann Einfluss auf die Installation genommen werden. Individuell oder in Gruppen kann dynamisch gezeichnet, gespielt, performt, getanzt und komponiert werden. Im Joanneumsviertel.

See that Sound! Hear that Image!

Der Künstler Werner Reiterer beschäftigt sich in seiner Arbeit mit dem wohl markantesten Wahrzeichen der Stadt, dem Uhrturm am Schlossberg. Sobald seine Lichter angehen und er in nächtlicher Pracht erstrahlt, wird auch sein Glockenschlag sichtbar gemacht. Die Beleuchtung wird mit jedem Ton der Glocke auf 20 % Lichtstärke reduziert und anschließend sofort wieder hochgefahren. Mit zunehmender Entfernung treten Klang und Bild auseinander wie Blitz und Donner eines entfernten Gewitters. So wird die öffentliche Zeitordnung im Regelmaß der Stundenglocke kurzfristig irritiert, wenn der Uhrturm im Wechsellicht zu „flackern“ beginnt.

Skulpturale Akupunktur

Drei ausrangierte Straßenleuchten finden sich zu einer Skulptur des in Wien lebenden Grazers Manfred Erjautz zusammengefasst an einer Hauswand montiert wieder. Am ungewöhnlichen Ort der Fassade des Akademischen Gymnasiums am Tummelplatz wirken sie wie ein „Gewächs urbanen Ursprungs“. Die Lampen sind an das Lichtnetz der Stadt angeschlossen. Abends beleuchten sie Fassade und Gehweg, tagsüber formt ihr Schatten ein wanderndes Lichtspiel auf der hohen Schulwand. Das neue Ensemble sprengt das eintönige, aber notwendige Regelmaß der Straßenbeleuchtung und steht insbesondere an einer Schulfassade für eine gelebte Vielfalt im öffentlichen Raum. An der Fassade des Akademischen Gymnasiums Graz, Tummelplatz.

Puls

Licht bedeutet Leben. Ein Leuchtturm bedeutet Überleben. Der Turm im Rahmen von Licht 2017 steht auf dem Kapistran-Pieller-Platz neben der Hauptbrücke. Stetig sanft im menschlichen Herzrhythmus pulsierend strahlt er dann lichtstarke Signale aus, wenn in Graz ein Kind geboren wird, um es zu begrüßen. Dies geschieht 10 bis 15 Mal pro Tag. Die freistehende Skulptur stammt aus dem niederländischen Atelier van Lieshout, das von dem Künstler Joep van Lieshout 1995 in Rotterdam gegründet wurde. Am Kapistran-Pieller-Platz (linkes Murufer, bei der Hauptbrücke).

Melatonin Carillon_Exercise #1

Nachts produziert der Mensch im Schlaf Melatonin, ein körpereigenes Hormon, das aus dem Abbau von Serotonin entsteht. Licht hemmt seine Produktion in der Zirbeldrüse, erst im Dunkeln wird sie aktiv. So steuert Melatonin unter anderem auch den 24-stündigen Tag-Nacht-Rhythmus. Das Hormon kann als Medikament verabreicht werden und wird häufig bei Schichtarbeit oder zur Bekämpfung von Jetlag-Symptomen eingesetzt. Es ist mittlerweile in Europa rezeptfrei erhältlich. Das Kollektiv Atisuffix aus Rom macht den Schlaf zum Thema und lenkt den Blick auf eine überbeleuchtete Konsum- und Informationsgesellschaft, die im 24/7-Rhythmus jederzeit wachbereit ist für Aktivität. Atisuffix gestaltet den Eingangsbereich zum Universalmuseum Joanneum als einen Ort der Müdigkeit und des Schlafes. Eine verlangsamte Rolltreppe, ein glockentönendes Schlaflied, die Ausgabe von Melatonin an Freiwillige, performative Einlagen und Nachtspaziergänge bilden ein wechselseitiges  Aktionsgewebe für den Schlaf. Im Joanneumsviertel, während der Öffnungszeiten.

Zusätzliche Performance und Aktionen: Treffpunkt Joanneumsviertelplatz

Sa, 6.5., 15 – 17 Uhr / So, 7.5., 11 – 13 Uhr

Ohne Titel (Mica)

Der Schatten eines jungen Mannes, der auf seinem Skateboard balanciert, bewegt sich leicht, wenn man genau hinschaut. Sein Bild steht still, sein Schatten erwächst aus dem Nichts, dreht sich langsam wie mit dem Sonnenlauf um sich selbst und verschwindet wieder unter dem Skateboard. Die Künstlerin Liddy Scheffknecht behandelt das Thema Licht anhand seines Gegenstücks, des Schattens, der in aufwendiger Weise künstlich hergestellt wurde. Bei Juwelier Schullin, Herrengasse 3, Passage zum Innenhof, nach Geschäftsschluss.

Cyanometer – Alle Farben des Himmels

Der Künstler Johannes Vogl präsentiert eine Skulptur, die sich mit dem Cyano­meter des Genfer Naturforschers Horace-Bénédict de Saussure beschäftigt. Das Messinstrument sollte die Farben des Himmels messen können. Vogls Skulptur ist wie ein riesiger, ca. 10 Meter im Durchmesser betragender Flugdrachen aufgebaut, welcher in ungefähr 10 Metern Höhe aufgespannt und von vier Seilen in der Schwebe gehalten wird. Betritt man nun den Bereich unterhalb der Konstruktion, kann man anhand dieser riesigen Farb­skala die deckungsgleiche Farbe des Himmels bestimmen, welche je nach Luftdruck und Tageszeit und Wetter wechselt. Am Schloßbergplatz.

M

Die heuer auf der Biennale in Venedig gemeinsam mit Erwin Wurm vertretene Künstlerin Brigitte Kowanz wird in Interaktion mit der Architektur des Palais Herberstein treten. Der Schwere des barocken Portals wird die Leichtigkeit leuchtender Formensprache entgegengesetzt, Architektur als dritter Haut des Menschen Öffnung und Durchlässigkeit eingeschrieben. Mit der für die Nordeinfahrt spezifisch entwickelten Arbeit tritt Brigitte Kowanz in Interaktion mit der Architektur, sie öffnet den Eingang optisch und erschließt uns neue Erfahrungen. So verbindet sie das Museums-Entree mit dem städtischen Erscheinungsbild und schafft ein neues Spannungsfeld zwischen denkmalgeschützter Substanz und zeitgemäßer Technologie. Im Palais Herberstein, Sackstraße 16, 8010 Graz.

Brigitte Kowanz, Lichtinstallation M