Der kulturelle Supergaueröffnungsfrühling ist zu Ende. Mit der Documenta in Kassel (und der Skulptur-Projekte in Münster) reicht es dann aber auch mit den Megaveranstaltungen und wir gehen wieder zur Tagesordnung über.
Text: Michael Petrowitsch
Nordhessen ist die Hochburg des Panzerbaus. Und Kassel ein Zentrum desselben. Hier wird der erfolgreiche Transportpanzer FUCHS hergestellt. Das bereits über 1000 Mal und er sichert Arbeitsplätze. Insbesondere für den Einsatz in Afghanistan wurden und werden diese Maschinchen angefertigt und erfolgreich eingesetzt. Auch Teile des weltweit als bester Panzer eingestuften Leopard 2 oder der Raketenwerfer MARS werden hier gefertigt.
Die Herstellung von Kriegsgerät hatte maßgeblich Schuld daran, dass Kassel massives Opfer alliierten Bombardements wurde. Schön, dass es neben Photovoltaikfirmen noch immer der Wirtschaftsfaktor der Region ist. Dass die letztwöchig zur Preview freigegebene Documenta 14 dann auch irgendwie mit solchen Themen befassen muss, liegt auf der Hand. Seit der beispielgebenden d5 im Jahr 1972 spielt das „Politische“ „irgendwie“ eine Rolle. „Irgendwie“ ist ohnehin das Stichwort, irgendwie politisch, natürlich irgendwie zeitaktuell und irgendwie kritisch. Migration, Wirtschaftskrisen, Nationalismen, Abschiebungsstrategien, Marginalisierung, das alles und noch viel mehr hat in der Leistungsschau Platz. „Von Athen lernen“ hieß es apodiktisch als man bereits im April in Griechenland als Erst- oder Zweit-ort (je nach Bewertung) eröffnete.
Und das gleichsam kolonialistisch. Man wollte eigentlich das Gegenteil und eine Brücke zwischen dem krisengeschüttelten Land und jenem, das diese Krise weitgehend zu verantworten hat, herstellen. Die Abwanderungsgedanken der Documenta sind im Übrigen nicht neu, bereits bei der 2. Documenta trug man sich mit dem Gedanken nach Amsterdam zu gehen. Abwanderung ist dementsprechend auch ein Generalthema wenn man aufmerksam in der Straßenbahn oder im Taxi plaudert. Da besteht eine gewisse zu verortende Angst, dass die Documenta zukünftig immer in Partnerschaft stattfindet und quasi etwas wegnehmen könnte.
Also ist sie in der Bevölkerung angekommen und akzeptiert. Mehr als das: „Die Kasseler sind freundlicher während der Documenta“ raunt mir ein lokaler Journalist zu, während ich im Traditionslokal „Uhlenspiegel“ meine „ahle Wurscht“ verzehre. Denn apropos Wirtschaftsfaktor: gut 1000 Angestellte, alleine 500 in der Vermittlung sind ein feiner Wirtschaftsfaktor die der Rüstungsindustrie ein paar Wochen wehrhaft Konkurrenz machen will.
Oberbürgermeister Bertram Hilgen ist beim Eröffnungsempfang demensprechend fesch gelaunt und es macht wohl Freude einem kulturell engagierten Bürgermeister zuzuhören. Fakt ist jedenfalls, dass die Entscheidung mit den Veranstaltungsorten mehr in die Oberstadt zu gehen und die Orangerie weitgehend außen vor zu lassen äußerst gut tut. So ist etwa die „Neue Neue Galerie“ in den Garagen der Hauptpost Post als beste Venue zu bezeichnen, die Visualisierungen zulässt, die an keinem anderen Platz funktionieren würden. Das Umfeld hat es auch in sich. Sich in 2 Tagen einen Überblick zu verschaffen fällt allerdings schwer. Nicht wegen „viel“ sondernd wegen Lust.
Das Konzeptuelle auszumachen ist ohnehin ein verunmöglichtes, wer will, soll es tun, aber eigentlich wurde es spätestens seit der d7 abgeschafft und es handelt sich um eine Aneinanderreihung von 160plus Einzelpositionen. Das vermag das Logo, eine Eule, die den Kopf verdreht auch ein wenig vermitteln. Stellvertretend für überhaupt alles sei ein Künstler erwähnt, dem endlich eine entsprechende Würdigung widerfährt. Der Steirer Oliver Ressler schaffte es mit seinen klugen Statements in das Fridericianum (Erdgeschoss links und dann rechts) im Rahmen des steirischen herbstes wird er beim rotor in Graz zu bestaunen sein.
Macht eine Documenta auch Spaß? „Nein!“ gab Adam Szymczyk, der dem Vernehmen nach äußerst gern in Athen weilt, in seiner Funktion als Chef im Sommer 2016 bei einem Interview zur Antwort. Wir meinen hingegen „Doch, doch!“ und empfehlen nach ein paar Tagen Kassel noch den Abstecher nach Münster, zum Runterkommen, sozusagen.