Mit den Boomtown Rats wurde er berühmt, mit Live Aid trug er dazu bei, die Welt zu verbessern, und im Oktober kommt er für ein Konzert ins Kunsthaus Weiz. Ein Interview mit Superstar Bob Geldof.
Sie könnten sich längst zurücklehnen, schreiben aber noch immer Songs und gehen auf Tournee. Wieso?
Man hat keine Wahl, es ist ein Drang. Fast so wie pinkeln zu gehen. Man muss es einfach rauslassen. Aus diesem Grund schreibe ich immer noch Songs. Ein befreundeter Schriftsteller aus Irland, Phil Davidson, hat es einmal gut ausgedrückt: „Ich schreibe meine Bücher, um meinen Erfahrungen einen Rahmen zu geben und sie verständlich zu machen.“ So geht es mir mit meinen Liedern. Ich möchte sie unbedingt schreiben und fühle eine große Befriedigung, wenn es vollbracht ist.
Politisch sind sie dabei aber immer geblieben.
Es klingt kitschig, aber die Politik steht für meinen Kopf, das Business für meinen Magen, die Musik für meine Seele und meine Familie steht für das Herz. Aber die Musik ist nun mal mein Ausdruck und ich kann die Welt nur durch diese Linse sehen. Und was auch immer ich in meinen Liedern behandle, die Themen kommen mir regelrecht zugeflogen. Das ist eigentlich zum Heulen. Bono hat einmal gemeint, ich hätte ein Tourette-Syndrom der Seele.
Kommen Sie als Solo-Künstler besser zurecht, anstatt Teil einer Band zu sein?
Ich bin eigentlich gar kein richtiger Solokünstler, sondern in einer Band. Es ist nur eine Frage des Alters, dass ich keine Unsicherheit mehr verspüre. Ich bin einfach nur ziemlich glücklich, in meinem Alter noch auf der Bühne stehen zu dürfen und Musik zu machen. Wer hätte sich das im Sommer 1975 gedacht? Ich nicht! Grundsätzlich beschäftige ich mich natürlich mit einer ganzen Menge an Dingen und es ist egal, ob du einen guten Businessdeal abschließt und damit Jobs sicherst oder politisch etwas bewegst: Im Zentrum steht immer die Musik.
Die Boomtown Rats sind Legenden, dennoch hat das Punk Establishment sie nie wirklich akzeptiert. Habt ihr nicht dazu gepasst?
Oh, ich glaube, das taten wir. Wir haben im Sommer 1975 aus denselben Gründen wie die britischen Punks begonnen, aber das Problem war nun mal: Wir waren Iren. Unsere soziale Ausgangsposition war eine radikal andere. In Irland gab es damals null Konjunktur, ganz zu schweigen von der Rezession. Es herrschte quasi Bürgerkrieg. Einer ganzen Generation wurde gerade bewusst, dass es die Jobs, die ihnen versprochen wurden, wenn sie nur brav studierten und hart arbeiteten, gar nicht gab. Aus dieser Situation heraus haben wir die Band gegründet. Wir waren provokant, „a pain in the arse“.
Was war für Sie das Größte mit den Rats?
Als „Looking After Number One“ in die Charts ging. Das waren die besten Tage meines Lebens. Ich konnte es einfach nicht glauben! Plötzlich war ich kein kleiner Mistkerl mehr. All die Dinge, die uns die Eltern und Lehrer erzählt hatten, waren falsch. Ich wuchs damals mit den englischen Charts auf und plötzlich war ich selbst dort drinnen. Dort, wo The Small Faces und The Who waren. Wir waren Teil dieses Moments in der britischen Musikgeschichte, als die „Alte Garde“ sich angleichen oder sich verpissen musste. Wir haben den Weg frei gemacht für Bands wie The Police, U2, Boy George oder Duran Duran. Die Einöde war weggeräumt, und das war cool.
Und dann kam Live Aid. Was war das Schwierigste an diesem Monsterprojekt?
Grundsätzlich die Amerikaner. Sie sahen das als ein britisches Ding und wollten da nicht wirklich mitziehen. Auch der Promoter Bill Graham war ziemlich anstrengend. Eine Idee war beispielsweise, dass die Show mit Bob Dylan endet, der „Bridge Over Troubled Water“ spielt und Paul Simon auf die Bühne holt und sie gemeinsam „Blowin‘ in the wind“ spielen. Dylan war total kooperativ und wir alle waren total ehrfürchtig vor ihm. Doch dann ruft mich mitten in der Nacht plötzlich Paul Simon an und sagt, er kann das nicht machen, weil er so nicht mit sich reden lässt, wie Graham es mit ihm tut. Ich rufe also Graham an und sage ihm, er hat uns Paul Simon vergrault. Und er sagt einfach: „Der kann mich mal! Wir holen einen anderen Paul Simon, wen kümmert’s?“ Mich kümmert‘s! Mit wem willst du ihn ersetzen? „Das Mädel da, wie heißt sie schnell, Madonna.” Ich sagte, du willst mich wohl verarschen. Leider muss ich sagen, er hatte sogar recht.
Kommt einem durch solche Begegnungen jemals etwas wie Rache in den Sinn?
Nein, dafür bin ich zu alt. Am Anfang der Rats gab es das vielleicht. Aber eher im Sinne von „Seht her! Ich hab‘s euch doch gesagt! Ich bin kein nutzloser Mistkerl!” Ehrlich gesagt werden auch viele Dinge, die ich gemacht habe, als Erfolg gesehen, obwohl ich das gar nicht so wahrgenommen habe. Ein Beispiel – und diese Geschichte klingt sogar noch schlimmer, weil so verdammt viel Namedropping dabei ist, aber egal: Ich war im Haus von Dave Stuart, wir haben ein bisschen auf den Gitarren herumgespielt und plötzlich läutet es – es war George Harrison. Dann fängt das Fax zu rattern an und es kommen Texte von Leonard Cohen, großartige Texte. Er fragt Dave, ob er irgendeine Musik dafür hat … verdammt noch einmal, ich schwöre, ich dichte da nichts dazu! Dann spielt Dave auf einmal „Here comes the sun“ und George fragt ihn: „Wie gehen die Akkorde?“ Ich habe gemeint, er soll mir seine falsche Bescheidenheit ersparen, aber was sagt er? „Nein, im Ernst. Wie gehen die Akkorde? Ich habe den Song genau einmal gespielt.“ In seiner Wahrnehmung hat er sechs Jahre als Superstar verbracht und das, als er ziemlich jung war. Ich weiß nicht mehr, ob er es war oder ein anderer, der gesagt hat „Ich habe die Beatles nie kapiert, weil ich ein Teil der Beatles war“. Und Live Aid war für mich so ähnlich. Ich habe Monate am Telefon damit verbracht, Leute dazu zu überreden, oft in Schreiduellen, und dann kommst du drauf: Du hast alles verpasst – weil du ein Teil davon warst!
Bob Geldof & The Bobkatz live
Sa., 7. Oktober, 20 Uhr
Kunsthaus Weiz