Ein Luftballon, der wie eine Seifenblase zu zerplatzen droht. Ein Fenster am Ende einer unbezwingbaren Leiter. Kostbare Perlen, von denen am Ende nichts als Staub übrig bleibt. Die Ausstellung „SPIRO.SPERO“ sorgt bei ihren Besuchern für Gänsehaut.
Text: Julia Braunecker
Für die einen ist sie ein Strohhalm, der sie in der Not über Wasser hält. Für andere führt sie zur Untätigkeit und verhindert ein Leben im Jetzt. Gemeint ist die Hoffnung. Fünf Künstler aus Deutschland und Österreich setzen sich derzeit in den Galerieräumen des Kulturzentrums bei den Minoriten, der QL-Galerie und der Leechkirche mit ihr auseinander. Michael Endlicher, Jochen Höller, Michael Kos, Resanita und Tom Schmelzer präsentieren Kunstwerke von Installationen bis zur Malerei. Der vollständige Titel der Ausstellung, SPIRO.SPERO. Hoffnung als Provokation, ist angelehnt an das Zitat „Dum spiro spero“ des römischen Politikers und Philosophen Cicero. In der deutschen Übersetzung bedeutet es „Solange ich atme, hoffe ich.“ Doch der Horizont der Hoffnung habe sich verengt, heißt es in der Ausstellungsankündigung. Eine ernüchternde Feststellung. Ob die hier gezeigten Objekte Anlass zu mehr Zuversicht vermitteln?
Kritische Töne
Entgegen den Erwartungen präsentiert KULTUM-Leiter und Ausstellungskurator Johannes Rauchenberger in den Räumlichkeiten des Minoritenklosters keine Anleitung zur Wundersuche. Die hier gezeigten Bilder und Installationen hinterfragen vielmehr das, was wir uns vom Leben erhoffen. „Hoffnung gehört zum Grundbestand des menschlichen Daseins“, so Rauchenberger. Die ausgestellten Objekte stellen aber durchaus provokante Fragen und bringen auch die Schattenseiten der Zuversicht zum Ausdruck. Kritische Töne in einem christlichen Haus: Manchen Besucher mag das überraschen. Sind die Minoriten Vertreter einer mutigeren Glaubensgemeinschaft? Kunst und Religion zusammenzuführen, ist für Rauchenberger so selbstverständlich wie der kritische Blickwinkel von Kunst: „Wir gehen ein Thema immer von zwei Seiten an“, erklärt er. „Jede Aussage ist zu hinterfragen.“ Auch wenn das Bedürfnis nach Bestätigung für die Menschen gerade in Glaubensfragen verführerisch sei. Daher habe er auch bei der aktuellen Ausstellung den Künstlern sehr viel Freiheit gelassen. „In der Ausstellung geht es auch um das Hinterfragen der Konsumkultur und die Bagatellisierung von Glaubensobjekten.“ „Das Kulturzentrum bei den Minoriten hat sehr viel Offenheit gegenüber nicht kommerziellen Dingen und sucht stets nach ungewöhnlichen Zugängen“, bekräftigt Bildhauer und Installationskünstler Michael Kos, der sich unter anderem mit neuen Suchbewegungen und Spiritualität auseinandersetzt.
Eine Leiter ins Nichts
Bereits am Eingang zum Innenhof sieht sich der Besucher mit einem desillusionierenden Bild konfrontiert. Von einem der Fenster im zweiten Stock hängt eine schwarze Leiter herab. Sie verleitet dazu, hinaufzuklettern, doch der Eindruck täuscht. Die Sprossen dieser Leiter sind aus Gummi. Im Christentum gilt die Leiter als Symbol einer Verbindung zwischen Himmel und Erde. Michael Kos stellt das hartnäckige Aufstiegsstreben aber infrage. „Egal ob Wirtschaftswachstum oder persönliche Erfolge. Das Ausgerichtet sein auf Verbesserung ist ein Grundmerkmal unserer Kultur.“ Das Festhalten an Zukunftserwartungen kritisiert er: „Hoffnung ist immer etwas, das sich auf einen Zustand bezieht, der noch nicht da ist. Wenn ich aber das Handeln und Sein in der Gegenwart für wichtiger erachte, dann verliert dieser Begriff an Bedeutung.“ Die Installationen von Kos greifen Mythen und Glaubensfragen auf. So auch das Werk BLACK LOVE, BLACK FAITH, BLACK HOPE, das Dreigestirn der christlichen Tugenden. Dafür hat der Künstler drei große schwarze Gummischeiben mit Stachelborsten versehen, was die ursprünglich positiv besetzten Wörter in einem düsteren Licht erscheinen lässt. Für ihn ist „Hoffnung“ ein Begriff, der sehr stark mit der christlichen Religion verbunden ist. So gehe es etwa in der indischen Kultur mehr um das Leben in der Gegenwart. „Wenn sich etwas ändert, dann durch das eigene Tun. Es wird keine höhere Instanz strapaziert wie das Schicksal, Glück oder Gott.“ Im Akt des Wartens (Hoffens) vergehe jedoch wertvolle Zeit.
Zerplatzende Luftballons
Für Aufsehen sorgen auch die vieldeutigen Objekte und ausgeklügelten Maschinen des deutschen Bildhauers und Konzeptkünstlers Tom Schmelzer, die sich mit der Vergänglichkeit menschlicher Existenz auseinandersetzen. Sie gewähren keine rosigen Zukunftsaussichten. So symbolisieren vier aufeinander gestapelte Insekten die Bremer Stadtmusikanten. In Grimms Märchen verjagten sie die Räuber. Geht es nach Schmelzer, werden sie in Millionen von Jahren die Menschheit überlebt haben, wenn diese durch ihren unachtsamen Umgang mit der Umwelt längst ausgestorben ist. Auf einem anderen Objekt tanzen drei Würmer in freudiger Erwartung auf der Oberfläche einer Trommel, weil sie sich Nahrung durch Zersetzen erhoffen. „Was unser Ende sein wird, ist ihre Hoffnung“, kommentiert Rauchenberger. Überhaupt scheinen sämtliche Skulpturen Schmelzers um das Thema der Vergänglichkeit zu kreisen. So hat etwa eine mit Perlen gefüllte Trommel in ihrer Mitte einen Schleifstein, der früher oder später den kostbaren Inhalt zu wertlosem Staub vermahlen wird. „Als Erinnerung, dass man eigentlich Staub ist und wieder solcher oder eben Asche werden wird.“ Andere Objekte kritisieren Verschwendung und Oberflächlichkeit zu Lebzeiten. Wie Schmelzers Version vom „Schmetterlings-Hut“ des Designers Alexander McQueen, der 2008 die Blicke der Modewelt auf sich zog. Anstelle von Schmetterlingen verzierte er den Hut mit 140 handflächengroßen Mistkäfern aus Afrika. „Kunst muss nicht schön sein“, sagt er.
Gänsehaut bekommt man beim Anblick jener Skulptur, die Schmelzer aus den Scheibenwischern seines alten Autos, einem Luftballon, zwei Gummihänden und einer Nadel modelliert hat. Durch die Wischbewegung resultiert ein Stechspiel von Nadel und entweichendem Luftballon. Aber schon ein kleiner Windstoß ist ausreichend, um den Ballon mit lautem Knall zum Platzen zu bringen. Hoffnungen sind wie Luftballons. Wenn sie zu groß sind, platzen sie. Sofort fühlt man sich an das Zitat erinnert. „Doch es ist wie im echten Leben“, meint Schmelzer, vermeintlich tröstend. „Irgendwann gewöhnt man sich an die Bedrohung und man lebt einfach weiter.“ Dum spiro spero. Solange ich atme, habe ich Hoffnung.
Zuversicht durch Toleranz
Hoffnung keimt aber auch in der gegenseitigen Toleranz. Mit der aktuellen Ausstellung beweist das Kulturzentrum bei den Minoriten, dass sich auch Menschen mit unterschiedlichen Glaubensansätzen gemeinsam großen Fragen stellen können. So entsteht ein Austausch, der tatsächlich für die Zukunft hoffen lässt.
Laufende Ausstellung – SPIRO.SPERO/Hoffnung als Provokation
Öffnungszeiten Di – Sa, 11 – 17 Uhr (Ausstellungsdauer bis 18.11.2017)
Kultum Galerie, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz. Weitere Ausstellungsorte sind in der QL-Galerie und der Leechkirche.
Tel. 0316 711 133, office@kultum.at www.kultum.at
Kunstwerke von Michael Endlicher (Ö), Jochen Höller (Ö), Michael Kos (Ö), Resanita (Ö) und Tom Schmelzer (D)
Kuratorenführung in der Ausstellung SPIRO.SPERO/Hoffnung als Provokation
mit Johannes Rauchenberger
Sa, 21. Oktober 2017, 11.15 Uhr
KULTUM (Galerie)