Unter der Regie von Eva Weutz entwickelte das junge Theaterkollektiv „Kellerkinder“ am TiK das Stück „Dear Diary“. Ein Stück, das jene in den Mittelpunkt stellt, die wohl in jeder Schulklasse zu finden sind, aber nirgends gern gesehen werden – die Außenseiter.
„Am Interessantesten ist die Innenseite von Außenseitern“, hat der französische Schriftsteller Jean Genet gemeint. In jeder Gruppierung gibt es sie, die „DingensDanges“, die, deren Name ständig entfällt, die, von denen man nichts weiß. Weil man es meistens auch nicht wissen will. Und wenn man dann die Außenseiterin als Streich auf die Klassenparty einlädt? Welche Innenseite kommt zum Vorschein, wenn das Unscheinbare sich sichtbar machen will? Was dann passieren kann, zeigt Dear Diary. Mit dem Ansatz, einmal nichts Lustiges machen zu wollen, hat es das junge Theaterkollektiv „Kellerkinder“ mit ihrer neuen Produktion Dear Diary nicht nur geschafft, pointiert auf das Problem der Ausgrenzung aufmerksam zu machen, das sich wohl in jeder Gruppe finden lässt. Im Wechsel zwischen Bühnengeschehen und Tagebuchauszügen der Protagonistin gelang es den jungen Schauspielern in hohem Maße, das Publikum in die oft schon lang vergessene Lebenswelt Jugendlicher eintauchen zu lassen, die sich neben der Selbstdarstellung auf Instagram und dem einen oder anderen Beziehungsproblem doch oft mit tieferen sozialen Problemen konfrontiert sehen. Sei es nun der Junge, der aus Mangel an elterlicher Zuneigung Zuflucht in den Drogen sucht, oder die Klassenstreberin, die Anerkennung in einer Lehrerbeziehung findet und bitter enttäuscht wird. Was auf den ersten Blick ein typisches Schulklassen-Setting zu sein scheint, ist auf den zweiten Blick eine feinfühlige Imitation jener Realität, in der sich Jugendliche heute zurechtfinden müssen. Ganz besonders trifft es dann aber die, die weder gehört noch gesehen werden, die für andere unsichtbar sind, egal wie sehr sich bemühen dazuzugehören. Das betrifft in Dear Diary die junge Thea.
Innerhalb von zwei Monaten wurde durch viel Improvisationstraining und Ideenreichtum ein Stück erarbeitet, welches nicht nur durch viel Geschick der jungen Schauspieler, sondern vor allem auch durch die spielerische Umsetzung des Themas „Isolation“ und deren mögliche Folgen begeistert. Ein Stück, in dem sich wohl jede Schulklasse wiederfindet und zum Nachdenken über die eigene Gruppendynamik angeregt wird. Neben dem Bühnengeschehen, das durch viel Kreativität und Liebe zum Detail überzeugt, ist besonders die musikalische Leistung von Mohammad Abasi und Abbas Ebrahimi hervorzuheben, die die Möglichkeit hatten, Lieder aus ihrem Herkunftsland Afghanistan im Stück darzubieten.
Masse Mensch nennt sich die nächste Produktion des Theater im Keller. Ernst Tollers gleichnamiges Stück aus dem Jahr 1919 wurde dafür unter der Regie von Alfred Haidacher neu aufbereitet. Die Schauspieler schlüpfen in verschiedene Rollen und werden dadurch sozusagen selbst die von Toller thematisierte namenlose „Masse Mensch“. Konfrontiert werden die Zuseher mit sozialpolitischen Problemen, die nicht nur im Jahr 1919, sondern auch 2017 noch, im missglückten kapitalistischen System, ob nun in Österreich oder sonst wo im scheinbar wohlhabenden Westen, die Frage aufwerfen: „Lieber guter Freund, die Wölfe haben immer die Schafe gefressen: werden die Schafe diesmal die Wölfe fressen?“
Premiere: 28. Jänner 2017
Weitere Termine: 31. Jänner, 1., 2., 3., 8., 9., 14., 15., 17., 21., 23. Februar, 1., 2. März, jeweils 20 Uhr
Schauspieler: Mohammad Abasi, Julia Alrdian, Abbas Ebrahimi, Julie Eibel, Magdalena Eibel, Matthias Dielacher, Simone Hauser, Kenan Kokic, Lisa Loigge