Die Diagonale schärft den Blick für gesamtgesellschaftliche Tendenzen im Kleinen sowie im globalen Gefüge.
Text: Lucas Kristan
Der Eröffnungsfilm der Diagonale‘18 Murer – Anatomie eines Prozesses ist ein Spielfilm, der die auf wahren Begebenheiten beruhenden Ereignisse rund um den schockierenden Prozess um den Kriegsverbrecher Franz Murer (1912–1994) erzählt. Mit 73 Sprechrollen inszeniert Regisseur Christian Frosch einen spannenden Gerichts-Thriller, der nicht historisierend, sondern politisch betrachtet. „Österreich hat keine Seele und keinen Charakter. Österreich besteht aus Tätern, Zuschauern und Opfern“, das ist der Eindruck, den der Regisseur verarbeitet. Die Verhandlung in Graz endete 1963 für den Angeklagten mit einem Freispruch. Der Gerichtsakt ist nicht mehr auffindbar.
Die Hintergründe
Zeugenaussagen bei den Nürnberger Prozessen bestätigten Murers Beteiligung am Holocaust. Der in Sankt Georgen ob Murau geborene „Schlächter von Vilnius“, gespielt von Karl Fischer, wurde erstmals 1947 durch Zufall festgenommen, woraufhin er sieben Jahre Zwangsarbeit in der Sowjetunion verrichten musste. Nach seiner durch den Staatsvertrag ermöglichten Freilassung konnte der ehemalige österreichische Funktionär der NSDAP und SS-Führer von der Justiz unverfolgt leben. 1962 rollte der Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal (1908–2005), gespielt von Karl Markovics, den Fall neu auf. Während des Holocausts verlor Wiesenthal 89 Familienmitglieder. Sein Leben danach widmete er der Aufspürung nationalsozialistischer Verbrecher. Für seine Arbeit wurde er vielfach geehrt. Mit seinem Werk prangert Frosch das österreichische Denken an, dass Unliebsames lieber unter den Teppich kehrt, selbst wenn aus Tätern Opfer und aus Opfern Täter werden.
Diagonale – Festival des österreichischen Films
13.–18. März, Graz
Festivaleröffnung: Dienstag, 13. März 2018, 19.30 Uhr, Helmut List Halle
www.diagonale.at