Mit der Ausstellung “Obsession Zeichnen” wagt das Universalmuseum Joanneum einen unkonventionellen Einblick in den kreativen Prozess des Zeichnens.
Text: Stephanie Gmeiner
Den bevorstehenden 80. Geburtstag von Günter Brus feiert das BRUSEUM in Graz mit einem ungewöhnlichen Konzept. Bei freiem Eintritt bis 2. September gewährt “Obsession Zeichnen” Besuchern einen unmittelbaren, teils partizipatorischen Einblick in die Entstehung von zeichnerischen Arbeiten speziell junger Künstler. Wie das funktioniert? In den kommenden Wochen und Monaten verlegen zahlreiche Kunstschaffende ihren schöpferischen Mittelpunkt in die Neue Galerie Graz des Joanneums. Die Räumlichkeiten des Museums werden so zu einer Art Atelier und Treffpunkt für Künstler und Besucher gleichermaßen. Das Publikum soll hier den eigentlichen Schaffensprozess selbst erleben. Mal durch aktive Teilnahme, mal durch passives Beobachten wird es in den kreativen Prozess eingebunden. So enthüllt sich ein Vorgang, der sonst im Verborgenen stattfindet: die Entstehung der eigentlichen Ausstellung, die eine Leidenschaft für das Zeichnen in den Mittelpunkt stellt.
Kunst verstehen durch eigenes Erleben
Das Spektrum der Arbeiten reicht von Bleistiftzeichnungen auf Papier, über Wandzeichnungen bis hin zu räumlichen, performativen Werken. “In der Zeichnung spiegelt sich die erste Skizze, die erste Idee des Kunstwerks wieder”, betont Roman Grabner die Rolle, die diesem Ausdrucksmedium im Schaffensprozess zukommt – sie ist künstlerischer Ausgangspunkt. Für den Kurator war nicht nur das Sichtbarmachen der sich entwickelnden, skizzierten Idee bis hin zum vollendeten Kunstwerk Motivation hinter diesem unkonventionellen Ausstellungskonzept. Intention war es auch, durch das eigene Erleben eine Möglichkeit zu schaffen, Kunst auf eine Weise zu begreifen, wie es “beim bloßen, schnellen Durchlaufen einer Ausstellung” nicht möglich ist.
Kunstschaffende und Publikum als “Komplizen”
Besucher mitunter auch aktiv an kreativen Prozessen teilhaben zu lassen, die sich im konventionellen Rahmen den Augen der Öffentlichkeit entziehen, ist ein Wagnis. Künstler gewähren mitunter sehr intime Einblicke in ihre Arbeit. Manche, wie zum Beispiel Stefanie Holler oder Marie Neugebauer, scheuen sich dabei nicht vor der Zusammenarbeit mit Besuchern, die zur Teilhabe in Form von eigenen, kleinen Zeichnungen und Workshops eingeladen werden. Andere, wie das Architekten-Duo studio ASYNCHROME oder Andreas Werner, treten in Künstlergesprächen mit dem Publikum in Dialog. Die Diskussionen sind Teil eines wöchentlichen Rahmenprogramms, das in Kooperation mit der KUG durch die Konzertreihe „Neue Werke“ ergänzt wird. Regelmäßige Konzerte zeitgenössischer Musik wechseln sich jeden Mittwoch Abend bei verlängerter Öffnungszeit mit zusätzlichen Veranstaltungen ab. Wer nicht vor Ort im BRUSEUM beobachtet oder teilnimmt, kann sich in sozialen Medien ein Bild machen. Aktuelle Fortschritte künstlerischer Werke werden regelmäßig via Facebook, Instagram und mittels der Videoplattform YouTube auf den neuesten Stand gebracht. Über die Dokumentation der Ausstellung in Social Media findet der interaktive Austausch auch online statt.
In “Obsession Zeichnen” verschwimmen strikte Grenzen zwischen Künstlern und Publikum, schwindet die Distanz zwischen Publikum und Kunstwerk. Die Ausstellung, die ihre eigene Entstehung zeigt, ist also ein „Kind des 21. Jahrhundert“ und versucht doch einer zeittypischen Erscheinung, der Beschleunigung, entgegenzuwirken. Man möchte zum Bleiben, Teilhaben und Wiederkommen verführen und dazu, das Zeichnen selbst zu Erfahren.