Das Jahresprogramm 2018 des Vereins FORUM STADTPARK wird so abwechslungsreich wie die Besucher des Stadtparks selbst.
Text: Vanessa Roi
Das FORUM STADTPARK wurde im Jahr 1959 als Mehrspartenhaus gegründet und steht heute unter der Leitung von Heidrun Primas für einen erweiterten Kunstbegriff und für spartenübergreifendes Arbeiten. Dieser Ausrichtung bleibt man auch mit dem aktuellen Programm für 2018 unter dem Jahresthema „Wir nach dem Wir“ treu. Gezeigt werden Veranstaltungen aus den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Gesellschaftspolitik, Literatur, Musik, Performance/Theater und seit 2017 auch aus der re-etablierten Sparte Fotografie. Neben den von den Mitgliedern gestalteten Programmschwerpunkten aus Eigenproduktionen besteht ein Großteil des Programms aus Serienveranstaltungen und Kooperationen, die in den Räumlichkeiten „zu Gast“ sein werden.
Rathaus der Herzen
Der Verein gibt sich selbst den programmatischen Untertitel „Rathaus der Herzen“, um einen Raum zu schaffen, an dem neben der künstlerischen Gegenwartspraxis ein tiefgreifendes Nachdenken über die Dinge des Lebens möglich ist. Schon seit 1960 finden in dem Gebäude inmitten des Grazer Stadtparks als größte öffentliche Parkanlage Veranstaltungen statt, bei denen Kunst und Diskurs gleichermaßen eine zentrale Rolle spielen. Doch seit Sommer 2017, als der von einigen Obdachlosen bewohnte Pavillon in unmittelbarer Nähe aus Sanierungsgründen eingezäunt wurde, ist besonders die Debatte relevant. Das heikle Thema, um das noch immer viele Fragen aber auch bereits Lösungsansätze kreisen, erfordert Fingerspitzengefühl und differenzierte Gespräche mit allen Betroffenen, auch mit Vertretern der Politik. Künstlerisch wurde die Thematik der eingezäunten Territorien in einer Zeichnungsserie sowie in der Performance NEUFORMNEUHAUT von Sonja Hornung aus Australien und Kinga Tóth aus Ungarn im Rahmen der Styria-Artist-in-Residence-Präsentation 2018 aufgegriffen.
Ein kleiner Jahresausblick
Im Bereich der Performance-Kunst unter Vera Hagemann konnte Jing Hong Okorn-Kuo für die Produktion „Merk-Würdig Gewöhnlich“ im März gewonnen werden, um eine performative Forschungsreise mit Menschen ab 60 Jahren zu unternehmen. Dabei werden alltägliche Handlungen, die meist ohne weiteres Nachdenken erfolgen, einer Betrachtung unterzogen, weil gerade ihnen ein großes Erkenntnispotenzial inne wohnt. Menschen über 60 können hierfür auf jahrzehntelange Lebenserfahrung zurückgreifen und beweisen mit diesem Projekt, dass im FORUM STADTPARK sämtliche Generationen angesprochen und einbezogen werden. Während sich die Sparte Gesellschaftspolitik unter Leo Kühlberger und Markus Gönitzer in der „Konferenz für praktische Kritik“ mit Gästen wie Heide Gerstenberger oder Birgit Sauer dem Staat, also der Dekonstruktion und Befragung des „staatlichen Wir“ widmet, thematisiert die Sparte Literatur unter Christoph Szalay vermehrt die problematische Seite des Wir-Begriffs. Hierfür ist im April das Autor*innenkollektiv „Nazis & Goldmund“ eingeladen. Eva und Gerhard Pichler vertreten die Sparte Bildende Kunst, die sich in zwei Gruppenausstellungen und einer dem Bildhauer und Medienkünstler Kay Walkowiak gewidmeten Personale mit dem Thema „Nach der Natur“ auseinander setzt. Dabei werden verschiedene Aspekte des Verhältnisses zwischen dem menschlichen „Wir“ und seiner nicht-menschlichen Umwelt behandelt. Natürlich kommt die Wir-Frage auch aus feministischer Sicht nicht zu kurz. Sie wird sowohl von Clara Wildberger innerhalb der Fotografie im Rahmen der Ausstellung „Sisterhood and Gentlemen“ als auch im Bereich der Architektur von Claudia Gerhäusser und Franziska Hederer unter dem Themenschwerpunkt „Stadt der Frau“ zur Sprache gebracht.
Über den Tellerrand der Eigenproduktionen blicken
Nach der Sommerpause liegt der Fokus auf der Zusammenarbeit mit dem „steirischen herbst“ als einem international renommierten Mehrspartenfestival der zeitgenössischen Kunst. Auch von den anderen zahlreichen Serienveranstaltungen und Kooperationen haben sich bereits viele in der Grazer Kulturszene etabliert, wie etwa die monatliche „Debating.Society“ oder die immer am letzten Montag des Monats stattfindende Reihe „GIK – Grazer Impro Klub“ als ein neuer Dreh- und Angelpunkt für improvisierte, zeitgenössische und experimentelle Musik. Ebenso die „Dunkelkammer“, bei der es sich um Konzerte in absoluter Dunkelheit handelt, wodurch als Ziel die Intensivierung der körperlichen Erlebbarkeit angestrebt wird. Auch ein Teil der Grazer Jazznacht wird im FORUM STADTPARK stattfinden. Die Sparte Musik unter Filipa Cicin-Sain und Patrick Wurzwallner zeichnet sich also durch einen vielfältigen und abwechslungsreichen Beitrag zum Jahresprogramm aus. Kaum mehr wegzudenken von der Grazer kulturellen Bühne sind sowohl das Festival „ELEVATE“, das bereits Angang März einen Großteil der Veranstaltungen im FORUM STADTPARK abhalten wird, als auch das Festival für Dokumentarfilm und Diskurs „Crossroads“ Anfang November.
Der Bedarf eines Wir-Lexikons
Das mehrmals jährlich erscheinende und künstlerisch gestaltete Programmposter entspricht einem Wir-Lexikon und fungiert somit selbst als eines der thematischen Spielfelder. Die hochaktuelle Diskussion zum Thema Wir wird aufgegriffen und unsere oft starren oder festgefahrenen Wir-Konzepte werden hinterfragt und auf die Probe gestellt. Die Auseinandersetzung gerade mit diesem Thema bietet sich für das FORUM STADTPARK heuer besonders an in Bezug auf das für die Jahre 2019/2020 geplante Jubiläumsprogramm zum 60jährigen Bestehen des Vereins, zu dessen Gründungsmitgliedern Persönlichkeiten wie die Maler Siegfried Neuburg, Günther Waldorf oder der Schriftsteller Emil Breisach zählten. So dürfen auch die kommenden Jahre bereits mit großer Spannung erwartet werden.
Save the date:
Konzert: Grazer Impro Klub mit Martin Siewert (Radian) – 26.2.18, 21 Uhr, im Keller
Konzert in Kooperation mit ELEVATE-Festival: Dunkelkammer – 1.3.18, 22Uhr, im Keller
ELEVATE-Festival 2018 – Risiko/Courage, – 1.3. – 4.3.18
Buchpräsentation: debating.society 1# mit Fanny Müller-Uri: In Hörweite von Stuart Hall. Gesellschaftskritik ohne Gewähr – 7.3.18, 19 Uhr, im Saloon
Performance: „Merk-Würdig Gewöhnlich“ von Jing Hong Okorn-Kuo mit Menschen ab 60 – 22./24./25.3.18, je 17Uhr, im Hauptraum