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Film ab: Unterwegs in der Filmstadt Graz

Schauspielausbildung an der Kunstuniversität Graz. Foto: Johannes Gellner

Heimische Kinofans können sich glücklich schätzen: In der steirischen Landeshauptstadt wächst seit einigen Jahren eine rege junge Filmemacher-Szene.

Text: Julia Braunecker

Barbara Rosanelli, Leiterin der Film Commission Graz, ist sich sicher: In der steirischen Landeshauptstadt schlummert kreatives Potenzial für Filmschaffende. „Graz ist eine mediterrane, noch nicht abfotografierte Stadt, die gerne Italien spielt und in der es noch viel zu entdecken gibt.“ Unglaublich kreativ seien die jungen Köpfe, fährt sie fort. „Sie bringen mit wenig Geld viel Spannendes zusammen und haben eine vielversprechende Zukunft vor sich.“

Filmmusik und Drehbuchwerkstatt

Eine Filmakademie gibt es in der steirischen Landeshauptstadt zwar noch nicht. Interessierte finden dennoch zahlreiche Möglichkeiten, sich in der Branche weiterzubilden. So bietet etwa die Kunstuniversität Graz neben einer renommierten Schauspielausbildung den Schwerpunkt Filmmusik, der vor zwei Jahren von dem erfolgreichen Komponisten Gerd Schuller ins Leben gerufen wurde. 2013 gründete der Grazer Produzent Markus Mörth die „DrehbuchWerkstatt München/Steiermark“ mit einem Büro in Graz, welche es jungen steirischen Talenten ermöglicht, eine einjährige postgraduale Ausbildung an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen zu absolvieren. Einer dieser erfolgreichen Absolventen ist der Grazer Martin Kroissenbrunner, der mit seiner eigenen Produktionsfirma „Schachtelfilm“ seit rund 10 Jahren die steirische Filmszene bereichert. Im Dezember 2017 erhielt er den Script Talent-Drehbuchpreis der Drehbuchwerkstatt München. Im Vorjahr feierte Kroissenbrunners dritter Spielfilm Die Konkurrenz Premiere, in dem die Grazer Murradwege einen zentralen Dreh­ort darstellten.

Film Commission Graz

Zentrale Service- und Anlaufstelle für Filmschaffende ist seit drei Jahren die Film Commission Graz. Angesiedelt im Bürgermeisteramt, informiert sie über Drehorte, organisiert Drehgenehmigungen und vermittelt künstlerische und technische Profis, sowie einheimische Nachwuchstalente. Weltweit gibt es derzeit mehr als 300 Filmkommissionen in mehr als 40 Ländern. „Dadurch sind wir automatisch gut vernetzt“, erzählt Rosanelli, die selbst aus der Film- und Kinobranche kommt und als Vermittlerin zwischen Filmcrews und der Stadt Graz fungiert. Übrigens: Wer immer schon einmal hinter die Kulissen einer Produktion schauen wollte, kann online in der Motivdatenbank seine eigenen Räumlichkeiten als Drehort zur Verfügung stellen. Ein besonderes Anliegen ist der Film Commission Graz der Austausch der Filmemacher untereinander. Zu diesem Zweck gründete Rosanelli einen Branchenstammtisch im Palais Thinnfeld am Südtiroler Platz, der jedes Mal unter einem anderen Thema steht. In der Vergangenheit waren das zum Beispiel Special Effects, Filmförderungen, Neue Drehbücher sowie Filmmusik.

Barbara Rosanelli, Leiterin der Film Commission Graz.

Graz als Filmkulisse

Immer wieder dient Graz als Filmkulisse für österreichische Fernseh- und Kino­hits. Erst im vergangenen Dezember lief Die Notlüge im Hauptabendprogramm des ORF. Die 90-minütige Stadtkomödie wurde 2016 in einem Grazer Vorstadthaus gedreht. Vor der Kamera standen Josef Hader und Pia Hierzegger, wobei Letztere auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Im Jahr 2011 lockte Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott 230.000 Zuschauer in die Kinos. „Die Größe von Graz war natürlich ideal für eine Geschichte, bei der sich die Leute über zwei, drei Ecken alle kennen“, so Schauspieler Michael Ostrowski im Interview mit dem Kurier 2011. „Andererseits hat uns die Stadt deshalb interessiert, weil sie als Filmschauplatz eine sehr interessante und wenig erforschte Stadt ist.“ Und in Das ewige Leben (Kino 2015) verschlug es den Brenner (Josef Hader) zurück in seine Heimatstadt Graz sowie 285.000 Fans in die Kinos. Als heißes Pflaster erweist sich Graz regelmäßig für Krimistreifen. Im vorigen Sommer wurde unter anderem die internationale Krimiserie The Team mit Jürgen Vogel als deutschem Ermittler in Graz gedreht. Neben dem Spielfilm interessieren sich aber auch Werbefilmproduzenten für die steirische Landeshauptstadt. Im vergangenen Juni drehte ein 50-köpfiges Filmteam aus Shanghai einen drei Minuten langen Werbespot über den neuen Mercedes G 500, der von 300 Millionen Zusehern gesehen wurde. „Die Schauspieler lieferten sich eine Verfolgungsjagd à la James Bond, vom Café Promenade bis zum Schöckl“, erinnert sich Rosanelli.

Foto: Pribernik

Grazer Filmschaffende

Ein Beispiel dafür, dass steirische Filmemacher auch international erfolgreich sein können, ist der Grazer Florian Satzinger, der seine Ausbildung in London und Vancouver absolvierte. Auf seinem Schreibtisch entwickelt der Character Designer Zeichentrickfiguren für Walt Disney und Warner Bros, wie etwa den quakenden Astronauten John Starduck. „Die meisten Leute, mit denen ich zusammenarbeite, haben überhaupt keine Ahnung, wo ich gerade bin. Wir kommunizieren in der Regel über Skype, E-Mails und hin und wieder trifft man sich zu einem persönlichen Gespräch”, erzählt er auf der Plattfom www.wegmarken.at. Satzinger führt in Graz ein eigenes Atelier namens „Paperwalker Studios“. Ein Aushängeschild nicht nur für Graz, sondern für ganz Österreich ist außerdem die gebürtige Grazerin und Kultschauspielerin Pia Hierzegger, die in jüngster Zeit auch als Regisseurin und Drehbuchautorin aktiv ist. Sie ist mit dem Kabarettisten und Schauspieler Josef Hader liiert.

Kinokultur abseits kommerzieller Spielstätten

Als Filmstadt beherbergt Graz natürlich auch eine lebendige Kinokultur. Neben den modernen Kinocentern sind besonders ältere und kleinere Lichtspielhäuser beliebt. Direkt im Zentrum von Graz, nämlich am Mehlplatz 2, befindet sich das Schubertkino, das seit 1923 besteht und in drei Kinosälen auf knapp 400 Plätzen neben ausgewählten Arthouse-Filmen auch Blockbuster zeigt. Beliebt ist außerdem die zugehörige gemütliche Café-Lounge, wo seit 1880 Kaffeehauskultur betrieben wird. Das Geidorf-Kino wurde in den 1950er-Jahren gegründet und beherbergt drei Kinosäle mit 350 Plätzen. Jeden ersten Sonntag im Monat (außer feiertags) findet unter dem Namen „Eat the Pictures“ ab 10 Uhr morgens ein Brunch mit Frühstücksbuffet und Live-Musik statt. Im Geidorf-Kunstkino gibt es außerdem die monatliche Reihe „Gustostücke“, wo Filme einen oder mehrere Tage vor dem offiziellen Start zu sehen sind. In der Rechbauerstraße ist bereits seit 96 Jahren das Rechbauerkino beheimatet, wo regelmäßig unentdeckte, aber hochtalentierte Regisseure Darbietungsmöglichkeiten bekommen. Das Filmzentrum existiert seit 1977. Mit 97 Sitzplätzen ist es ein kleines und gemütliches Kino, dessen Räumlichkeiten auch für private bzw. Firmenfeiern gemietet werden können. Außerdem verfügt das Rechbauerkino über eine Videothek mit einem großzügigen DVD-Angebot. Wer Filme gerne in Originalsprache konsumiert, ist wiederum im KIZ Royal (gegründet 1973) in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße genau richtig. In drei Sälen, auf 559 Sitzplätzen werden Neuproduktionen, Klassiker, Kultfilme und Specials gezeigt. Jeden zweiten Dienstag finden um 20.30 Uhr inoffizielle „Sneak Previews“ statt, wo Filme im Schnitt 34,4 Tage vor dem offiziellen Start in Österreich in englischer Sprache zu sehen sind.

Schauspieler Andreas Kiendl, Jakob Pochlatko, Produzent Dieter Pochlatko, Regisseurin Marie Kreutzer und Kulturstadtrat Günter Riegler bei der Premiere des Films „Die Notlüge“.

Fazit: Graz steht nicht nur während der Diagonale im Rampenlicht, sondern wächst trotz – oder gerade wegen seiner Beschaulichkeit – immer mehr zur Filmhauptstadt heran. „Es tut sich was bei uns“, bestätigt Rosanelli. „Für 2019 haben wir bereits etliche Anfragen.“       

Kommende Veranstaltungen:

Cine Mar – Surf Movie Night Graz: Spring Tour 2018

Sonntag, 15. April, 20–22.30 Uhr

Die Cine Mar – Surf Movie Night präsentiert die neusten, prämierten Surfmovies.

Schubertkino, Mehlplatz 2 (Tickets: 0316 829 08 10)

Geidorf Gustostück – Vorpremiere: Zwei Herren im Anzug

Donnerstag, 5. April, 20 Uhr

Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler Josef Bierbichler präsentiert eine Familiensaga, in der deutsche Geschichte von 1914 bis heute erzählt wird. Mit: Josef Bierbichler, Martina Gedeck, Simon Donatz, Irm Hermann

Eat the Pictures

Sonntag, 8. April

Geidorf-Kino, Geidorfplatz 1 (Tickets: 0316 321 003)

Filmstart: The Florida Project

  1. März (Die Uhrzeit wird am Montag vor der Premiere bekanntgegeben)

Sean Bakers betörend realistisches Independent-Drama (USA 2017) ist ein ziemlich raffinierter Kommentar zur Lage der USA und dazu noch witzig und berührend. Protagonisten: Willem Dafoe, Brooklynn Prince

Filmstart: I, Tonya

  1. März

In der Satire von Craig Gillespie wird ­Tonya, ein ungebildetes und mittelloses Mädchen aus der weißen Unterschicht, zu einer der besten Eiskunstläuferinnen der Welt. Margot Robbie in der Titelrolle.

Filmzentrum Rechbauerstraße, Rechbauerstraße 6 (Tel. 0316 830 508)