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JOANNEUM RESEARCH: 50 Jahre Innovation, Vernetzung und Technologietransfer

Wolfgang Pribyl: „Forschung soll das Leben verbessern und erleichtern“. Foto: Teresa Rothwangl

Die JOANNEUM RESEARCH feiert 50-Jahr-Jubiläum: Geschäftsführer Wolfgang Pribyl über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der heimischen Forschungsschmiede.

Text: Wolfgang Pauker

Mit der Gründung einer außeruniversitären Forschungseinrichtung, aus der die JOANNEUM RESEARCH hervorging, legte das Land Steiermark früh den Grundstein für den F&E-Standort. Ein visionärer Geniestreich?

Ob damals alles wirklich schon vorhergedacht war, wage ich zu bezweifeln, aber die Idee, damals ganz neue Technologien verfügbar zu machen, war sicher ein wesentliches Element. Für die damalige Zeit waren die Forschungseinrichtungen sehr innovativ, und ich betone immer wieder gerne, dass wir bei der Digitalisierung, die heute so viel zitiert wird, von Anfang an im weitesten Sinne dabei waren. Heutzutage wird die Interdisziplinarität immer wichtiger, denn die Wirtschaft fordert Gesamtlösungen, und durch das Zusammenwirken unserer einzelnen Kompetenzzentren bekommt sie diese von uns auch bereitgestellt.

Seit 2014 ist auch das Land Kärnten an der JOANNEUM RESEARCH beteiligt. Wie wichtig ist die Achse Graz – Klagenfurt?

Ich habe mich sehr gefreut, dass das Land Kärnten damals an uns herangetreten ist und stärker in der Technologie­entwicklung aktiv werden wollte. Wir haben dann, in Ergänzung unserer bestehenden Geschäftsfelder, nach einem Thema gesucht, das sinnvoll aufzubauen wäre, und hierfür die kollaborative Robotik entdeckt und es geschafft, ein sehr tolles Institut mit einer hohen Kompetenz aufzubauen. Durch die finanziellen Beiträge des Landes Kärnten wurden uns natürlich auch die Möglichkeiten gegeben, wirklich qualitativ hochwertig zu wachsen und das Thema zu etablieren.

Wie nachhaltig wird das Thema Robotik unsere Gesellschaft beeinflussen?

Das ist eine eher philosophische und politische Frage, die man sich im Gesamtkontext ansehen muss, und ich will das im Detail gar nicht kommentieren. Worum wir uns hier im Haus eher kümmern müssen, ist, welche technischen Möglichkeiten wir mit diesen neuen Technologien gewinnen. Man kann ganz einfach sagen: Entweder wir tun mit, dann können wir mitgestalten. Oder wir tun nicht mit, dann kommt es so, wie es sich andere vorstellen. Und wir als JOANNEUM RESEARCH haben uns dazu entschlossen mitzugestalten und zu schauen, dass wir durch das aktive Betreiben dieses Themas auch in dem Sinn mitgestalten können, dass wir hochqualifizierte Arbeitsplätze schaffen. Denn dieser signifikante Umbruch ist nicht aufzuhalten und deshalb muss man zusehen, dass man diese Transformationen, auch der Arbeitswelt, gut schafft.

Gerade wurde in Graz ein neues Forschungszentrum für regenerative Medizin eröffnet …

Wir haben mit der MedUni und unserem Institut HEALTH seit einigen Jahren sehr gute Kontakte, wo Entwicklungen gemacht wurden, die in die ganze Welt ausstrahlen. Jetzt hat sich ein Thema herauskristallisiert, das in Zukunft von immer größerer Bedeutung sein wird: die regenerative Medizin. Hier haben wir mit dem Institut von Prof. Kamolz einen Partner, der daran interessiert ist, in Kombination mit den Möglichkeiten einer außeruniversitären Forschungseinrichtung mehr zu erreichen, als er es alleine erreichen könnte. Gemeinsam entwickeln wir nun Methoden, die im Wesentlichen die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützen.

Seit Anbeginn fungiert die JOANNEUM RESEARCH als Schnittstelle zwischen den Universitäten und der Wirtschaft und ist damit auch abhängig von der österreichischen Bildungsqualität. Sehen Sie hier Verbesserungsbedarf?

Ich sehe sehr viel Verbesserungsbedarf in verschiedener Art. Das Thema Ausbildung und Bildung im Allgemeinen gewinnt mehr und mehr an Bedeutung und ich hoffe sehr, dass wir auch in Österreich diesem wichtigen Thema mehr Aufmerksamkeit schenken. Wir müssen nur in die asia­tischen Länder schauen oder auch nach Afrika, wo die Kinder dankbar sind, etwas zu lernen und hierfür auch gerne 10 km zu Fuß in die Schule gehen. Das ist ganz einfach ein anderer „Mind-Set“ als bei uns, wo die Schule oft als Belastung empfunden wird anstatt als Chance. Die Bildung muss viel mehr als wesentliches Element für die Zukunft empfunden werden. Ein anderes Problem sehe ich darin, dass Technik und Technologie oft als Problemverursacher gesehen – und dadurch verdammt oder nicht wertgeschätzt – werden. Aber nur mit Technologie und technischen Lösungen können wir uns den Problemen der heutigen Zeit stellen. Eine positivere Wertigkeit wäre sehr wichtig. Und da muss man sehr früh anfangen und das Interesse der Kinder wecken.

In den Instituten werden Forschungsergebnisse auf Weltniveau erzielt. Setzt man diese Ergebnisse auch selbst um oder ist man ausschließlich der geistige Zulieferer der Industrie?

Die Finanzierungsstruktur der Forschung hat sich in den letzten Jahren nicht vereinfacht. Wir sind zunehmend gezwungen, unsere Basisfinanzierung für Eigenforschung teilweise selbst zu verdienen und damit müssen wir unser Know-how kommerziell sinnvoll weitergeben. Hier gibt es verschiedenen Methoden. Wir haben beispielweise einige kleine Firmen in den letzten Jahren gegründet, die hier erarbeitete Themen verwerten und gewisse Rückflüsse ermöglichen. Es gibt die Möglichkeit von Lizenzen, aber auch Einzelfälle, wo die Kunden darauf Wert legen, dass wir uns darum kümmern, dass Errungenschaften ordnungsgemäß weiter bereitgestellt werden. Ein solches Thema ist beispielsweise das AKUT-Tunnel-Monitoring, wo wir mit der ASFINAG einen Vertrag haben, dass wir diese Einrichtungen – hier betrifft es hauptsächlich Software – entwickeln und dann auch warten, in Betrieb halten und unterstützen.

Wie schwierig ist es, die klugen Köpfe im Unternehmen zu halten?

Es kommt natürlich immer wieder vor, dass uns Leute verlassen. Vom Unternehmenszweck her betrachtet, muss ich auf so etwas stolz sein, da dieser Know-how-Transfer über Köpfe die Wirtschaft unterstützt. Natürlich gibt es immer ein lachendes und ein weinendes Auge, aber wir haben derzeit damit noch kein großes Problem, Positionen nachzubesetzen, wenngleich natürlich am Markt das Angebot an Arbeitsplätzen besonders im computernahen Bereich sehr attraktiv ist. Was die Leute bei uns aber durchaus schätzen, ist, dass wir interessante Arbeitsplätze mit viel Gestaltungsmöglichkeit anbieten.

Bereits zum 8. Mal richtete man die Zukunftskonferenz aus. Eine Leistungsschau, die auch der Vernetzung internationaler Wissenschaftler dient.

Wir sind sehr stolz darauf, wie sich diese anfangs interne Informationsveranstaltung auf mittlerweile um die 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hin entwickelt hat, wobei mehr als die Hälfte davon Externe sind. Damit haben wir mit dieser an sich kleinen Konferenz eine ganz gute Sichtbarkeit gewonnen, die jetzt in manchen Bereichen in der Lage ist, qualitative Vorträge zu bieten und damit eine entsprechende Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als Thema wurde heuer die Internationalisierung gewählt, weil es eines dieser Themen ist, die mehr und mehr an Bedeutung gewonnen haben in den letzten Jahren. Der Forschungsmarkt ist ein weltweiter geworden und es ist relativ leicht – nicht zuletzt auch wegen der Digitalisierung – Forschungsprojekte überall auf dieser Welt in hoher Qualität durchführen zu lassen. Man muss sich da sehr stark profilieren, um im Spiel zu bleiben. In diesem Wettbewerb muss man tätig sein und sich diesem auch stellen. Die JOANNEUM ­RESEARCH ist in ihren Forschungsbereichen auch international sehr gut positioniert.

V. l.: Die Kärntner Technologiereferentin LH-Stv. Gaby Schaunig, Geschäftsführer Wolfgang Pribyl, die steirische Wirtschafts- und Wissenschafts¬landesrätin Barbara Eibinger-Miedl und der diesjährige Hauptvortragende Franz M. Androsch, Leiter F&E und Innovation der voestalpine AG.
Foto: Bergmann

Wo sehen Sie die Zukunft der JOANNEUM RESEARCH?

Die Herausforderung, die wir schon heute haben, ist: noch flexibler zu werden. Sich dem internationalen Wettbewerb noch besser zu stellen, damit der Spagat zwischen fachlicher Exzellenz und Kommerzialität weiterhin gelingt. Dieses Spannungsfeld wird nicht einfacher werden, insbesondere wenn man sich ansieht, welche Mittel wo verfügbar sind. Ich glaube aber, dass die JOANNEUM RESEARCH sehr gut gerüstet ist. Wir werden uns natürlich anpassen müssen an die neuen Techniken, an die Anforderungen der Industrie und deren technologische Entwicklungen. Es wird sicherlich weiterhin sehr interessant bleiben.

 


 

50-Jahr-Jubiläum

Die Erfolgsgeschichte der heimischen Forschungsschmiede nahm 1968 mit der Neufassung der Satzungen für die vier kooperativen Forschungsvereine und deren Gründung als Forschungszentrum Graz 1971 ihren Anfang. Bis 1977 wurden eine Vielzahl neuer Institute als anwendungs­orientierte Ergänzung zu den Universitäten geschaffen, bevor im Jahr 1978, bedingt durch die Entwicklung des Arbeitsspektrums und des geografischen Wirkungsraumes, das Forschungszentrum Graz in die Forschungsgesellschaft Joanneum übergeführt wurde, die Anfang der 80er bereits die zweitgrößte außeruniversitäre Forschungsorganisation Österreichs war. 1995, ein Jahr nach der Umbenennung zu JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft, folgte die erste Außenstelle in Wien. Nach einer Regionalisierungsoffensive folgte 2001 die offizielle Eröffnung des Standortes Weiz. Nach einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung der TNO 2004 (90  % Land Steiermark, 10 % TNO), folgte 2006 die zweite Außenstelle im Haus der Forschung in Wien und 2007 die Eröffnung des Impulszentrums für Werkstoffe in Leoben. 2010 erfolgte neben der Umstrukturierung der Institute in die Forschungseinheiten: MATERIALS, HEALTH, DIGITAL, RESOURCES und POLICIES auch der Bezug der neuen Unternehmenszentrale am Standort Leonhardstraße in Graz. 2013 eröffnete die JOANNEUM RESEARCH sowohl ein neues Forschungszentrum in Weiz als auch eine neue Außenstelle in Wien. Im Jahr 2014 erwarb das Land Kärnten 15 % der An­teile am Stammkapital der JOANNEUM RESEARCH (über eine Kapitalaufstockung und den Kauf der von der TNO ge­haltenen Gesellschaftsanteile). Im Folgejahr eröffnet das Institut für Robotik und Mechatronik ROBOTICS in Klagenfurt und 2016 das Institut LIFE – Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft in Graz. Anfang 2018 folgte mit der Gründung von COREMED – Kooperatives Zentrum für regenerative Medizin gemeinsam mit der Med­Uni die jüngste Forschungseinheit im Portfolio der JOANNEUM RESEARCH.

Die Zentrale der JOANNEUM RESEARCH in der Grazer Leonhardstraße.
Foto: Teresa Rothwangl

 


 

Forschung im globalen Kontext

Achte Zukunftskonferenz zum Thema „Internationalisierung“.

Aus der ehemaligen Leistungsschau in kleinem Rahmen ist die Zukunftskonferenz der JOANNEUM RESEARCH zu einer Veranstaltung mit internationalem Format geworden. Anfang März fand nun die achte Auflage im messe congress Graz statt. Rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden spannende Vorträge, anregende Diskussionen und eine umfassende Ausstellung geboten. „Die JOANNEUM RESEARCH gestaltet die Entwicklung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Steiermark wesentlich mit und trägt dazu bei, dass wir heute das Forschungsland Nummer eins in Österreich und eine der innovativsten Regionen in Europa sind“, so die steirische Wirtschafts- und Wissenschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl im Rahmen ihres Besuchs. Erfreut zeigte sich auch die ­Kärntner Technologiereferentin Gaby Schaunig: „Ich bin beeindruckt von dieser großartigen Leistungsschau der JOANNEUM RESEARCH und stolz, heute als Vertreterin des Miteigentümers Land Kärnten dabei zu sein.“ Heuer präsentierten die Forschungseinheiten des Unternehmens – MATERIALS, HEALTH, DIGITAL, POLICIES, LIFE, ­ROBOTICS & COREMED – Forschung am Puls der Zeit vor globalem Hintergrund, denn „Internationalisierung“ war das umrahmende Thema der Konferenz. Als Hauptvortragender konnte DI Dr. Franz M. Androsch, Leiter F&E und Innovation der voestalpine AG, gewonnen werden. In seinem Vortrag sprach er über Strategien, die ein Unternehmen mit globalen F&E-Partnerschaften zum Erfolg führen.

Reger Andrang bei der 8. Zukunftskonferenz der JOANNEUM RESEARCH.

Ausstellung und lebendige Sessions

Im Rahmen der Ausstellung waren Produkte und Projekte der JOANNEUM
RESEARCH zu sehen, die internationale Erfolge feiern. So wurden etwa der 2D-­Video-Distrometer, ein „Regenvermesser“, der weltweit vertrieben wird, oder neueste Drucktechnologien präsentiert. Gezeigt wurde auch, wie ein kollaborativer Roboter fit für die Zusammenarbeit mit Menschen gemacht wird: Anhand des „Universal Robot 10“, der mit einer so genannten „Airskin“ ummantelt ist. Diese sensitive Roboterhaut ermöglicht es, anhand der eingebauten Sensoren Berührungen zu erkennen und den Roboter dadurch für die Zusammenarbeit mit dem Menschen sicherer zu machen. In den sechs Sessions, die von den einzelnen Forschungseinheiten durchgeführt wurden, präsentierten Expertinnen und Experten der JOANNEUM ­RESEARCH gemeinsam mit Kunden und Partnern aktuelle Projekte. Ziel der Sessions war es, offene Dialoge und Diskussionen zu den jeweiligen Themen zu führen, um den aktuellen Bedarf und die Anforderungen der Wirtschaft und Industrie zu bewerten.

www.joanneum.at