Wie man wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität in Einklang bringt: Ein Gespräch mit LH-Stellvertreter Michael Schickhofer.
Text: Wolfgang Pauker
Anfang des Jahres gingen Sie in den sogenannten „Papamonat“. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Ich trage Verantwortung für das Land, aber auch ganz unmittelbar für meine Familie. Und wenn man zum dritten Mal Vater wird, dann weiß man, wie wichtig es ist, in dieser ersten Phase – und natürlich darüber hinaus – für seine Frau da zu sein und den Kindern zu signalisieren: Ihr steht für mich im Mittelpunkt. Und da mein Team in der Landesregierung gut aufgestellt ist, hat es auch problemlos funktioniert, einen Monat lang stärker von zu Hause aus zu arbeiten. Ich wollte aber auch ein gesellschaftspolitisches Signal senden. Nämlich die Familie ins Zentrum zu setzen und Väter zu motivieren, auch ihr Recht wahrzunehmen, Zeit mit den eigenen Kindern zu verbringen. Weiters auch Unternehmerinnen und Unternehmer anzuregen, ihren Mitarbeitern den Papamonat zu ermöglichen. Weil es nicht nur gut für die Kinder in unserem Land ist, sondern letztlich – und das merke ich an mir selbst, was Kreativität und Freude am Arbeiten betrifft – auch gut für den Betrieb. Was ich mir wünschen würde, ist, dass die finanziellen Rahmenbedingungen für den Papamonat verbessert werden und dass es einen Rechtsanspruch für alle darauf gibt.
Sieht man die Tagespolitik durch diesen Perspektivenwechsel mit anderen Augen?
Es wird einem ganz stark bewusst, dass man für die Kinder, für die Zukunft im Land arbeitet. Und es manifestiert sich der starke Wunsch, dieses glückliche Leben, das die eigenen Kinder führen können, für alle Kinder in der Steiermark zu ermöglichen. Dafür gibt es in allen steirischen Regionen noch viel zu tun. Hier fällt mir auch ein Zitat von Wolfgang Ambros ein: „A Mensch möcht i bleibn, und net zur Nummer möcht i werdn“. Denn es ist wichtig klarzumachen, dass nicht wir Produktionsfaktoren für die Wirtschaft sind, sondern die Wirtschaft ein Mittel dafür ist, dass es uns allen gut geht. Wenn ich aber immer wieder höre, man müsse stets parat stehen, wenn die Wirtschaft es benötigt – Stichwort flexible Arbeitszeiten –, dann möchte ich dem klar gegenüberstellen, dass eine planbare Familien- und Freizeit gut für das Miteinander und für das Leben im Allgemeinen ist. Hier werden wir aus meiner Sicht einen sehr starken gesellschaftspolitischen Diskurs führen müssen über die Fragen der Digitalisierung und die Veränderungen der Rahmenbedingungen der Arbeitswelt. Will ich die Digitalisierung dafür nutzen, dass die Menschen noch mehr unter Druck kommen, oder nutze ich sie dafür, dass Menschen mehr Zeit mit der Familie oder dem Partner verbringen können. Deshalb habe ich auch als gesellschaftspolitische Vision das Modell 30/30 vorgeschlagen: Männer und Frauen sollen jeweils 30 Stunden arbeiten, um dadurch Arbeits- und Familienzeit gleichmäßig neu zu verteilen.
Der Trend in unserer Gesellschaft geht immer mehr in Richtung „funktionieren um jeden Preis“. Wo bleibt die Lebensqualität?
Ich würde sagen die Lebensqualität und das Lebensglück, soweit man es beeinflussen kann, ist die zentrale Aufgabe der Politik. Der Mensch im Mittelpunkt ist gerade in der momentanen gesellschaftspolitischen Entwicklung wichtiger denn je. Denn es geht nicht darum, irgendwelche Wachstumszahlen als Selbstzweck zu erreichen, sondern darum, dass die Steirerinnen und Steirer die Glücklichsten sind. Hierfür muss man sich selbst die Frage stellen: Was macht uns glücklich? Aber diese Frage muss sich auch die Politik stellen und Lösungen finden, wie man das Land steuert, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich die Menschen in Graz und in allen steirischen Regionen wohlfühlen. Da geht es etwa darum, wie man in Städten Lebensqualität, Bewegungsfreiheit und Spielräume erhalten und die vorhandenen Lebensräume in den Regionen über einen vernünftigen Ausbau der S-Bahn erschließen kann. Wachstum und Entwicklung muss dem menschlichen Wohlbefinden und Glück dienen, und nicht umgekehrt.
Schon Kinder sind mittlerweile dem Leistungsdruck ausgesetzt, sollten am besten schon im Kindergarten „gebildet“ werden. Besorgt Sie diese Entwicklung?
Es macht mir Sorgen, weil man oft missversteht, was Bildung und Entwicklung bedeutet. Wir wissen, dass es wichtig ist, dass Kinder im frühen Stadium durch das Spiel ihre motorischen Fähigkeiten und ihre Sinne ausbilden. Darum ist es wichtig, mit den Kindern zu spielen, sie in die Natur zu bringen und vor allem mit ihnen zu reden. Den schönsten Beitrag, den Eltern leisten können, ist ihren Kindern Aufmerksamkeit zu schenken, sie für Bücher zu begeistern, zu motivieren, die kindliche Entwicklung zu fördern und ihnen das Rüstzeug mitzugeben für die spätere Bildung. Lesen, Schreiben und Rechnen müssen sie dann in der Schule lernen. Das können sie aber nur, wenn sie zuvor spielerisch den Umgang mit Sprache durch das Hinhören gelernt haben. Das ist die eigentliche Aufgabe des Kindergartens und des Elternhauses. Die Kinder persönlich zu bilden, ihr persönliches Glück zu ermöglichen und ihre Stärken zu unterstützen.
Wie kann die Politik in dieser gesellschaftlichen Leistungsspirale regulierend einwirken?
Sie kann klar zeigen, dass es – so wie beim Papamonat – darum geht, das Lebensglück und die Familie ins Zentrum zu setzen. Das ist ja eigentlich die grundsätzliche Zielsetzung der Sozialdemokratie: Arbeit, Freizeit, Familie und Ruhezeiten miteinander in Einklang zu bringen. Jetzt erkenne ich aber, dass es Tendenzen gibt, wieder 100 Jahre zurückzuschreiten und ein Funktionieren für die Wirtschaft zu fordern. Ich sage hier ganz klar: Wenn Aufträge da sind, ist es selbstverständlich, dass alle gemeinsam anpacken und man auch temporär länger arbeitet, aber wenn ich in ein System komme, das zu einem echten Konflikt zwischen Arbeit und Familie führt, dann ist das nicht mehr der gesunde Ausgleich, für den wir uns als Sozialdemokratie ganz stark einsetzen. Der Blick darauf war in Regierungszeiten oft gar nicht so geschärft, weil es eine Selbstverständlichkeit für uns war, diese Lebensphilosophien sicherzustellen. Aber jetzt stehen wir einer Regierung gegenüber, die ein anderes Weltbild entwickelt. Ich aber bin davon überzeugt, die Steiermark erfolgreich in eine wirtschaftspolitische Zukunft führen und die steirischen Regionen stärken zu können und trotzdem die Lebensqualität für die Menschen aufrechtzuerhalten, wirtschaftlich den Standort erfolgreich zu machen, aber diesen Erfolg auch der Breite der steirischen Bevölkerung zugänglich zu machen.