Start Kunst & Kultur Verbindendes und Trennendes in „Glaube Liebe Hoffnung“

Verbindendes und Trennendes in „Glaube Liebe Hoffnung“

"Heiligenschein" von Werner Reiterer im KULTUM. Foto: UMJ / N. Lackner

Das Jubiläum „800 Jahre Diözese Graz-Seckau” gab Anlass zu einer Premiere: Zum ersten Mal bestreiten die benachbarten Ausstellungshäuser KULTUM und das Kunsthaus Graz gemeinsam eine Ausstellung.

Text: Lydia Bißmann

Auf vier verschiedenen Ausstellungsflächen widmen sich fünfzig Exponate den drei göttlichen Tugenden: Glaube, Liebe und Hoffnung. Eine weitere Geburtstagsausstellung im Diözesanmuseum verläuft parallel. Last & Inspiration thematisiert die enge Verflechtung von Religion und Macht, Schicksalsglauben, Glaubenskonflikten und einer tausendjährigen Sakralkunst während der letzten acht Jahrhunderte in der Steiermark.

Ambivalenz und Diskurs als Basis für eine Ausstellung

Das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und Kirche ist gespalten. Christliche Werte wie Solidarität mit Ausgestoßenen, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit stoßen bei Kunstschaffenden auf Anerkennung und Zustimmung. Andere Haltungen und Dogmen irritieren eher und stehen im Zentrum von Kritik. Kuratiert haben die Ausstellung Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger und Barbara Steiner. Sie erforschen dabei mögliche Schnittfelder zwischen Kirche und Kunst und streifen dabei auch an der Popkultur an: Die ikonografischen Symbole von Glaube (Kreuz), Liebe (Herz) und Hoffnung (Anker) sind heute die beliebtesten Tattoo-Motive. Dieses Beispiel einer sehr körperlichen Aneignung christlicher Werte beschreibt die zentralen Punkte der Ausstellung sehr gut: Was bedeuten Begriffe wie Glaube, Liebe und Hoffnung aktuell für jeden Einzelnen und die zunehmend säkulare Gesellschaft? Leihgaben aus dem Universalmuseum Joanneum, der Alten Galerie, der Neuen Galerie Graz und dem Volkskundemuseum stehen für sich oder werden von den Künstlerinnen und Künstlern neu inszeniert. Vierzehn Werke wurden extra für die Ausstellung konzipiert.

Das Kuratoren-Team (v. l.): Barbara Steiner, ¬Katrin Bucher Trantow und Johannes Rauchenberger.
Foto: UMJ / N. Lackner

Medien- und Konsumkritik bei den Minoriten

Für das KULTUM ist die Verbindung von sakraler und zeitgenössischer Kunst nichts Neues. Das Mehrspartenhaus ist ausdrücklich sowohl der Kunst als auch der Religion verpflichtet. Im ersten Stock des Klosters setzt man sich mit drei der insgesamt elf Motivgruppen auseinander. Die Begriffspaare Loslösung & Kontinuität, Kommerz & Präsentation und Schmerz & Identifikation werden als Tafelbilder, Skulpturen oder in Form von Video- oder Klanginstallationen interpretiert. Werner Reiterer beschreibt die Vorstellung vom ewigen Leben als einen geschlossenen Kreis. Eine LED-Kette formt sich hier zu einem essenziellen, christlichen Symbol: dem Heiligenschein. Die Schweizer Künstlerin Anna Meyer beschäftigt sich in ihrem Werk mit sozialen Medien. Knallbunt und scheinbar verspielt präsentieren sich ihre dreidimensionalen Kollagen wie Sein oder Online und Digitale Wesen befahlen. Das Twittersymbol wird zu Twitler und die Gottesmutter zur Smartphonemadonna. Denkt man an Trump oder Hasspostings, bleibt das Lachen dann doch im Hals stecken.

Radziszewski, „Hlg-Kuemmernis“.
Foto: UMJ / N. Lackner

Der Meister der „praktischen“ Kunst, Franz West, ist mit seinem pragmatisch betitelten Werk Schnorre vertreten. Ein an einer Stange befestigter Hut erinnert an einen Klingelbeutel, aber auch an einen ausgestreckten Bettlerhut. Es bleibt den Betrachtern überlassen, ob sie beim Objekt an das umstrittene Bettelverbot oder den kirchenbeitragsbedingten Austritt aus der Glaubensgemeinschaft denken. Die jüngste teilnehmende Künstlerin ist Anna Baranovski, Jahrgang 1983. Gemeinsam mit Luise Schröder hat sie ein Video gestaltet, das die Vorbereitungen zur feierlichen Einweihung der weltgrößten Christusfigur an der deutsch-polnischen Grenze neben der Autobahn zeigt. Facing the Scene zeigt nur das geschäftige Treiben rund um das religiöse Großereignis. Das Abrollen von Absperrbändern, Grillen von Würstchen und das Aufstellen von Dixi­klos. Den 38 Meter hohen Christus bekommt man nicht zu Gesicht. Die Arbeit wirft die Frage auf, wo Kommerz anfängt und Glaube aufhört. Weiters sind unter anderem Werke von Günter Brus, Norbert Trummer, Adrian Paci oder Hilde Fuchs zu sehen.

Kapitalismuskritik und Ausgrenzung als Thema der Arbeit: Person facing into a corner von Santiago Sierra, Kunsthaus Graz.
Foto: Santiago Sierra

Pop und Religion im Friendly Alien

Im Kunsthaus erstreckt sich die Ausstellungsfläche über den Space01, Space02 und den Außenbereich. Hier werden die Unterthemen Opfer & Ritual, Schuld & Macht, Zugehörigkeit & Ausschluss, Machtmissbrauch, Liebe & Selbstbestimmung, Wunder & Übertragung und Identifikation & Nähe behandelt. Größen der heimischen Kunstszene wie Hermann Nitsch, Inge Morath, Valie ­Export und Alois Neuhold teilen sich hier den Platz mit dem Berliner Künstlerkollektiv Slavs and Tatars oder dem niederländischen Künstler Willem De Rooij. Neben dem Eingang lädt eine überlebensgroße Pappfigur des Heiligen Aviano von Franz Kapfer zur Interaktion ein. Der untere Bereich der comicartigen Gestalt kann mit einem Stift getaggt und bekritzelt werden.

Maria Padilha, Heilige der Ausschweifung, mit Opfergaben. Installation von Karol Radziszewski im Kunsthaus Graz.
Foto: UMJ / N. Lackner

Mit Geschlechter- und Doppelrollen spielt Karol Radziszewski in seinem Beitrag The power of secrets. Kann man in religiösen Bräuchen und Erzählungen Inhalte finden, die heute von Interesse sind? Die heilige Kümmernis zeigt eine zum Mann gewordene Heilige, die mit ihrem Vollbart und in Frauenkleidern gewandet sofort an die Siegerin des Song­contests 2014 ­Conchita Wurst denken lässt. Maria Padilha ist ebenfalls eine Heilige mit Doppelidentität. Der heidnischen Sexgöttin wurde einfach eine christliche Rolle übergestülpt. Eine Schwarz-Weiß-Fotografie von Santiago Sierra erinnert an eine sehr kontroverse Aktion des Künstlers in London 2002. Drei Wochen lang bekamen sieben bedürftige Menschen dafür bezahlt, täglich eine Stunde mit dem Gesicht zur Wand in der Galerie zu stehen. Person facing into a corner beschäftigt sich mit der Überlegung, wie weit kapitalistische Machtstrukturen gehen können.

Sparstift und Glaubenskriege: Macht und Kirche als Spannungsfeld

Eine Reminiszenz an eine Aktion des steirischen herbst findet sich in der Ausstellung Last & Inspiration im Diözesanmuseum. Hier erinnert das geschmolzene Antlitz der Marienstatue am Eisernen Tor an das Attentat 1988 auf Hans ­Haackes Installation Und ihr habt doch ­gesiegt. Haacke bezog sich damals auf ein Putsch-Denkmal der Nazis 1938, das einfach über der Marienfigur errichtet wurde.

Anna Meyers Twitler rückt im KULTUM soziale Medien in die Kritik.

Auch der Rest der sehr umfangreichen Ausstellung thematisiert das Eingreifen von Machthabern in die Religion. Die Kuratoren Heimo Kaindl, Alois Kölbl und Johannes Rauchenberger lassen historische Kostbarkeiten, wie das romanische Kruzifix aus Pürgg, gemeinsam mit modernen Ausführungen sakraler Kunst von Markus Wilfling, Franz Kapfer oder Johannes Zechner steirische Kirchengeschichte erzählen. Ganz im Zeichen der Aufklärung regulierte Kaiser Josef II. Wallfahrten, die Anzahl der Kerzen am Altar und für ganz kurze Zeit sogar die Nutzung von Särgen, wie am letzten erhaltenen Sparsarg für zwei Personen von 1784 zu sehen ist. Der einzig erhaltene evangelische Altar von 1570 im Barocksaal erinnert an die Glaubenskämpfe in der Steiermark. Auf seiner Rückseite steht „(…) Gerecht wird der Mensch (…) allein durch den Glauben.” Das „allein“ hat man in der Gegenreformation nachträglich abgekratzt.

Manfred Erjautz, „ME-WE“
Foto: UMJ / N. Lackner

Glaube Liebe Hoffnung von 13.4.–26.8.2018

im Kunsthaus Graz, Lendkai 1 & KULTUM, Mariahilferplatz 3

www.kunsthaus.at

 

Last & Inspiration von 13.4.–14.10.2018 im Diözesanmuseum Graz, Priesterseminar, Mausoleum, Bürgergasse 2

www.dioezesanmuseum.at