Schon lange beschäftigt sich Markus Wilfling mit einem weit über Graz hinaus gebräuchlichen Alltagsgegenstand – dem Allibert. Nachdem ein Prototyp demnächst ein halbes Jahr den Rohbau des neuen Kommodhauses akzentuiert, folgen nun 100 Seiten Publikation mit über 100 großteils ganzseitigen Fotografien.
Text: Wolfgang Pauker
Der Künstler Markus Wilfling sucht für seine künstlerische Arbeit oft den Außenraum. Sein – sinnentfremdend – verlegter Uhrturmschatten aus dem Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2003 fehlt heute noch vielen. Aber darauf ist seine Arbeit natürlich nicht zu reduzieren. Im Gegenteil: „Markus Wilfling gehört neben seiner kunstpädagogischen Arbeit an der Grazer Ortwein-Schule zum sehr aktiven Sektor der steirischen Kunstszene“, so Herbert Nichols-Schweiger, Geschäftsführer der Steirischen Kulturinitiative, die dem absichtlich unauffälligen Bauzusatz eine Publikation folgen lässt. Und da wird mehr offenbar als die üblicherweise drei geöffneten Türen vermuten lassen. Von diesem mit Innenleben eher äußerlicher Art gefüllten „Spieglein, Spieglein an der Wand“ hat Wilfling so viele, dass Platzprobleme die Folge sind. Dabei frönt er jedoch keiner oberflächlichen Sammelwut: Er findet nicht nur wechselnde Gestaltungen des vorgeblich immer Gleichen, sondern für die Vorstellungskraft der Benützerinnen und Benützer zusätzlich immer neue Offenbarungsmöglichkeiten. Einen besonderen Kontrast reizte Markus Wilfling in Zusammenarbeit mit der Steirischen Kulturinitiative erst kürzlich aus: Er hat die 2017/2018 in Bau befindliche und von Star-Architektin Zaha Hadid entworfene Immobilie in der Grazer Burggasse 15, also am Rande der Grazer Altstadt, mit einem vergleichsweise kleinen Prototypen des Haushaltsschranks bespielt. „Seine künstlerische Intervention stellt ein Paradebeispiel spontaner Kunst im öffentlichen Raum dar und eröffnet damit außerdem auch den Blick zurück auf die Geschichte des Standortes, auf dem einst der Abriss des Kommodhauses kontroversielle Diskussionen auslöste“, so Initiator Nichols-Schweiger.
Und immer wieder Allibert
„Seit über 20 Jahren beschäftige ich mich in meiner bildhauerischen Arbeit unter anderem mit Badezimmerschränken der Firma Allibert, dessen Markenname später zum Namensgeber dieses Badezimmermöbels wurde“, sagt Wilfling, der Bildhauerei bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte und für seine Arbeit mit dem Förderpreis für bildende Kunst der Stadt Graz ausgezeichnet wurde. Das Möbelstück scheint Wilflings künstlerischen Weg ostentativ zu kreuzen: „1995 organisierte ich als Teil eines DJ-Kollektivs kleine illegale Raves an besonderen Orten, und auf der Suche nach einem solchen stießen wir auf das leerstehende Grazer Bad zur Sonne, wo sich ein Allibert im Wellness-Bereich befand.“ Er verklebte die beweglichen Teile des Objektes, lackierte es schwarz/matt und gab ihm den Titel Black Allibert. Darauf folgten zahlreiche weitere Bearbeitungen des Artefaktes durch den Künstler, der sich eine leichte Obsession für dieses Objekt eingesteht. „Ich erzählte Bekannten und Freunden von meiner Sammelleidenschaft. Auf diese Weise gelangen immer mehr Alliberts, zum Teil mit biografischen Bezügen, in meinen Bestand. Die Beziehung des Objekts zum Gesicht, zur Identität der Menschen allgemein, hat schließlich dazu geführt, 2011 den Allibert von der Wand zu lösen, Adaptionen vorzunehmen, um ihn als Maske tragen zu können“, erklärt Wilfling.
Ein Maskenspiel der besonderen Art
„Die Vertrautheit eines in der Behaustheit des eigenen Heimes unter dem Aspekt der Selbstbespiegelung vollzogenen alltäglichen Rituals – waschen, Zähne putzen, Cremen auftragen –, das den Körper fit machen soll für die unter ständiger Beobachtung stehende Performance im öffentlichen Raum des Geld- und Prestigeerwerbes, wird durch Markus Wilflings Manipulationen zur irritierenden Séance, bei der sich der Schatten des Fremden über das Vertraute legt und das Bekannte den Charakter des Unheimlichen annimmt: Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“, so Kurator Thomas Mießgang und er erklärt weiter: „So erlebt der Allibert als im Materiellen konkretisierte epistemologische Verdichtung eines historischen Momentes finally seine mythopoetische Transzendierung: Als Symbol eines Seins, das wie Jacques Derrida sagen würde, weder gegenwärtig ist noch abwesend, ‚weder tot noch lebendig‘.“
Steirische Kulturinitiative
Im Programm-Mittelpunkt der Steirischen Kulturinitiative stehen Künstlerinnen und Künstler, die über ihre künstlerische Begabung hinaus der sie umgebenden Gesellschaft mit ihrer Arbeit das vermitteln, was diese an neuer Kunst und an ihrer eigenen Wirklichkeit interessieren sollte. (Karl-Heinz Herper, Vorsitzender)
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Präsentation der Publikation: 22. Mai, 19 Uhr, Kommodhaus