Für viele ist der Herbst die Zeit neuer Zielsetzungen und Herausforderungen. Mentaler Leistungsfähigkeit kommt hier als Erfolgsfaktor eine ganz entscheidende Rolle zu. „Achtzig“ sprach mit Mental-Experten und WIFI-Lehrbeauftragten Gregor Rossmann über all jene Aspekte, die einen fitten Geist ausmachen.
Text: Wolfgang Pauker
In Ihrem neuen Buch vergleichen Sie die Anforderungen von beruflich Vielbeschäftigten mit jenen von Leistungssportlern. Inwiefern kann man den Berufsalltag mit dem von Athleten vergleichen?
Ganz einfach: Beide müssen in ihrem Job Höchstleistungen vollbringen. Die Anforderungen heute sind sehr vielfältig. Alles geht sehr schnell und wir müssen ständig mit Veränderungen klarkommen. Und das erzeugt Stress. Um diesen Stress abzupuffern, erfordert es ein hohes Maß an geistiger und natürlich auch an körperlicher Fitness. Im Spitzensport ist das ganz gleich.
Was können sich Stressgeplagte von Spitzensportlern abschauen und für ihr Leben adaptieren?
Im Sport ist eines der wichtigsten Trainingsprinzipien das Prinzip der Superkompensation – die Leistungssteigerung erfolgt in der Erholungs- und Regenerationsphase. Jeder Spitzensportler plant daher penibel seine Regenerationsphasen. Im Berufsalltag vernachlässigt man die Regeneration. Das erschöpft uns langfristig und führt bei vielen zu Erkrankungen.
Im Sport gibt es keine Erfolge ohne Niederlagen. Kann man auch aus beruflichen Niederlagen und Schicksalsschlägen Stärke ziehen? Und wenn ja, wie?
Ja, natürlich. Sportler agieren dabei nach dem Triple-A-Prinzip. Das bedeutet: A – akzeptieren, dass ein Fehler bzw. eine Niederlage passiert ist. A – analysieren, damit sich der Fehler nicht wiederholt. Daraus resultiert Stärke. A – abhaken und den Blick und die Aufmerksamkeit wieder auf die kommenden Ziele und Aufgaben richten. Der erfolgreiche Sportler lernt immer aus seinen Niederlagen. Nur so kann er sich verbessern. Ein Spitzensportler sagte zu mir in einem Gespräch: Hätte er nicht so viele Fehler gemacht, wäre er nie so gut geworden. Außerdem gehören Fehler und Niederlagen zum Leben. Das sollte jeder von uns akzeptieren. Es gibt nicht den perfekten, fehlerfreien Menschen! Das zu akzeptieren, macht den Umgang mit Niederlagen um vieles leichter und stärkt uns in Krisenzeiten.
Während für Sportler ein Mentaltrainer eine Selbstverständlichkeit ist, müssen „normale Menschen“ von der Wirksamkeit erst überzeugt werden. Herrscht zu große Angst, sich seinen Ängsten zu stellen?
Die Wirksamkeit von mentalem Training lässt sich neurowissenschaftlich gut erklären, daher kann ein professioneller Mentaltrainer seinem Klienten die Wirkungsweise und Vorteile sehr schnell erklären. Bei Ängsten gibt es viele Facetten und oft braucht man da die Unterstützung eines Therapeuten. Da kann mentales Training eine unterstützende Maßnahme zur Angstbewältigung sein. Wir leben heute in einer Zeit der Veränderung. Veränderungsprozesse im privaten und auch im beruflichen Bereich lösen bei den Betroffenen oft Unbehagen und Angst aus. Unser Gehirn liebt einfach Routine und keine Veränderung. Das erzeugt Stress. Mentales Training kann hier helfen, Veränderungsprozesse leichter zu überstehen.
Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper: Ist sportliche Betätigung für mentale Fitness zwingend nötig?
Nein. Stephen Hawking ist ein klassisches Beispiel dafür. Er saß im Rollstuhl. Und trotzdem war er geistig topfit. Er zeigte, dass körperliche Fitness keine zwingende Voraussetzung für mentale Fitness ist. Wenn ich allerdings einen gesunden Körper habe, dann sollte ich die körperliche Leistungsfähigkeit erhalten. Bewegung ist evolutionär und wissenschaftlich gesehen die beste Möglichkeit, Stress abzubauen. Und das unterstützt natürlich die mentale Leistungsfähigkeit.
Sie entwickelten das „360° NeuroCoaching“, das auf den Erkenntnissen des Spitzensports, der Lebens- und Denkprinzipien der Shaolin-Mönche, der Medizin und Brainkinetik beruht. Was steckt hinter dieser Methode zur Steigerung der Leistungsfähigkeit?
Shaolin-Mönche und Spitzensportler zählen zu den leistungsfähigsten Menschen der Welt. Speziell die Mönche wissen seit über 1.500 Jahren, wie wir gesund und leistungsfähig bleiben. Ihre Methoden haben nichts mit Mystik zu tun. Sie denken und leben nur sehr ganzheitlich im Sinne der Natur. Für sie war immer klar, das körperliches Training, Entspannung und Achtsamkeit wichtig sind. Genauso wie das Loslassen von Dingen, die wir nicht ändern können. Diese Ansätze fließen z. B. in meine Methode ein. Der Hauptansatz meiner Methode besteht vor allem darin, dass ich mit meinen Trainingsmaßnahmen immer bei der Optimierung des Gehirns ansetze. Das Gehirn ist quasi unsere Hardware. Wenn das Gehirn nicht richtig „konfiguriert“ ist, hilft auch die beste Software nichts.
Wie schnell kann man sich Erfolge erwarten?
Manche Erfolge stellen sich sofort ein. Manchmal kann es aber auch 10 Wochen und länger dauern. Das hängt immer davon ab, was ich verändern bzw. optimieren möchte.
Wo schlägt sich mentale Fitness neben einem Mehr an beruflicher Leistungsfähigkeit noch nieder?
Natürlich auch im privaten Bereich. Bin ich mental fit und ausgeglichen, dann wirkt sich das auch positiv in der Familie und auf die Partnerschaft aus.
Welche Rolle spielt die Ernährung im Zusammenspiel von mentaler Fitness, Gesundheit und Lebensqualität?
Eine sehr, sehr große Rolle! Wir essen im Laufe unseres Lebens bis zu 60 Tonnen Lebensmittel. Da hat die Qualität unseres Essens einen wesentlichen Einfluss.
Sie unterrichten am WIFI Steiermark unter anderem in der Mentaltrainerausbildung. Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um den Geist anderer Menschen zu stärken?
Man muss selbst bereit sein, an sich zu arbeiten. Nur wer sich selbst weiterentwickelt, kann andere in ihrer Entwicklung unterstützen.
Was macht einen guten Mentaltrainer aus?
Konsequenz, Disziplin, Veränderungsbereitschaft, Empathie und ein gesunder Lebensstil!
Welche Karrierechancen bieten sich momentan für Mentaltrainer?
Meiner Meinung nach hat er gute Berufschancen. Schlussendlich hängt es davon ab, was er aus dem Gelernten macht. Das ist aber bei allen Ausbildungen gleich.
Im Programmangebot des WIFI Steiermark findet sich ja auch der Diplomlehrgang Entspannungs- und Achtsamkeitstrainer. Wie wichtig ist der Faktor Entspannung und was macht richtige, qualitative Entspannung aus?
Entspannung ist eine Grundvoraussetzung für mentale und körperliche Gesundheit. Gehirn und Körper brauchen regelmäßige Erholungsphasen. Das kann auch einfach einmal bedeuten, nichts zu tun. Wir müssen nicht auch noch in der Freizeit ständig beschäftigt sein. Was wir zur Entspannung brauchen, hängt zum einen davon ab, was uns stresst, und zum anderen, wie wir auf unsere Belastungen reagieren. Das ist also sehr individuell. Eine einfache Regel lautet: Der „Kopfarbeiter“ kann sich gut durch körperliche Aktivität entspannen, wobei hier der Leistungsgedanke nicht im Vordergrund stehen soll. Jemand, der körperlich hart arbeitet, kann sich in seiner Freizeit mit geistig anspruchsvollen Tätigkeiten entspannen.
Die Basis des mentalen Trainings ist die Achtsamkeit, also ein Moment passiver Geistesgegenwart ohne Ablenkung. Wie lässt sich das in einer Welt der Reizüberflutung nachhaltig trainieren?
Das gibt es viele Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, seine Aufgaben mit 100 % Aufmerksamkeit zu erledigen. Also weg vom Multitasking. Eine andere ist die Meditation. Ich setze auch auf Gehirntraining wie Brainkinetik.
Gibt es ein paar einfache Tipps und Tricks, wie man „ganz nebenbei“ im Alltag an seiner mentalen Stärke arbeiten kann?
Ja, beispielsweise durch kurze Entspannungsübungen. Sich etwa eine Minute lang auf die Bauchatmung konzentrieren. Dann sollte man regelmäßig Pausen machen und in diesen Pausen Finger weg von Handy und PC und einfach nichts tun. Sehr wirksam ist auch das 6-Minuten-Tagebuch. Da beschäftigt man sich 3 Minuten in der Früh und 3 Minuten am Abend mit den positiven Aspekten seines Lebens.