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InTaKT: Das inklusive Tanz-, Kultur- und Theaterfestival

Mit „Ali/Flügel“ erzählt die Gruppe „Teatro La Ribalta“ aus Bozen durch Theater und Tanz die poetische Begegnung eines enttäuschten Mannes mit einem Engel. Foto: Andreas Marini

Vom 17. bis 25. November findet in Graz die bereits dritte Ausgabe des InTaKT Festivals statt. Ein Gespräch mit den Leitern, Lina Hölscher und Christoph Kreinbucher, über das Festival, die letzten beiden Jahre und besondere Momente.

Das inklusive Tanz-, Kultur- und Theaterfestival bespielt in rund einer Woche die unterschiedlichsten Orte der Stadt Graz: Schauspielhaus Graz, Next Liberty, Museum für Geschichte, Kunstuniversität Graz, FRida & freD KNOPFTHEATER, Die Brücke, Rechbauerkino und Theater am Ortweinplatz. Die Eröffnung findet in diesem Jahr im HAUS ZWEI des Schauspielhauses statt. Mit „Ali/Flügel“ erzählt die Gruppe „Teatro La Ribalta“ aus Bozen durch Theater und Tanz die poetische Begegnung eines enttäuschten Mannes mit einem Engel. Die Company wird zum ersten Mal ihre Arbeit in der Steiermark präsentieren. Am ersten Festivalwochenende eröffnet außerdem eine besondere Fotografie-Ausstellung unter dem Titel „Tandem“. Renommierte Grazer FotografInnen begeben sich in den Dialog mit Menschen mit Beeinträchtigungen. Bei dieser künstlerischen Kooperation sind unterschiedlichste Bilder entstanden, die während des Festivals im Museum für Geschichte des Universalmuseums Joanneum zu sehen sind. Besonders hervorgehoben werden soll auch die Wiederaufnahme von „Patricks Trick“ im Next Liberty im Rahmen des Festivals. Erzählt wird eine Geschichte über Sprache, Identität und das Erwachsenwerden. Die Produktion war 2017 in mehreren Kategorien für STELLA, den darstellenden Kunstpreis für junges Publikum, nominiert und wurde für die beste darstellerische Leistung prämiert.

Im Kindermuseum FRida & freD erwartet das Publikum gleich zwei Projekte für die ganz Kleinen: Das Ljubljana Puppentheater erzählt mit „Goose the bear“ („Die Gans, die glaubt ein Bär zu sein“) eine Geschichte über Toleranz und Vielfalt. „Onigiri“ ist ein österreichisch-japanisches Pilotprojekt, in dem sich die Künstlerin Yoko Yagihara mit interkulturellen Besonderheiten beider Länder befasst. Im Theater am Ortweinplatz kommt das Stück „Mongos“ von Sergej Gößner von der Grazer Company Follow the Rabbit erneut zur Aufführung. Das Schauspielerduo unter der Leitung von Martin Brachvogel befasst sich mit der Freundschaft zweier junger Männer und ihrem Alltag in einer Rehaklinik. Das Stück wurde 2018 mit dem JugendStückePreis des Heidelberger Stückemarkts ausgezeichnet und ist aktuell in zwei Kategorien für STELLA 2018 nominiert. Die Produktion ist sowohl für junge, als auch für erwachsene Zuseher_innen zu empfehlen. Neben den Theatervorführungen für Groß und Klein gibt es noch zahlreiche weitere Highlights. An der Kunstuniversität findet ein Symposium zum Thema „Musik und Theater für alle!?“ statt, unter anderem mit Michael Turinsky und Christina Schönfeld. Ebenfalls im Programm: der inklusive Action-Roadmovie „Familiye“, die Lesung der Autorinnen Simone Fürnschuß-Hofer und „Wortfinder“-Preisträgerin Agnes Zenz sowie zahlreiche Gelegenheiten für alle Altersgruppen, sich in Workshops aus den Bereichen Musik, Tanz und Theater aktiv selbst zu erproben. Für den musikalischen Ausklang des Tages sorgen mehrere Konzerte in Die Brücke, bei denen inklusive Musikgruppen und DJs einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen geben.

 

Lina Hölscher, Künstlerische Leitung, und Christoph Kreinbucher, Organisatorische Leitung im Gespräch.

Lina Hölscher und Christoph Kreinbucher
Foto: Edi Haberl

InTaKT – das inklusive Tanz-, Kultur- und Theaterfestival – findet heuer bereits zum 3. Mal statt. Was ist heuer anders? Worauf darf sich das Publikum freuen?

Christoph Kreinbucher: Eine Sache, die gleich zu Beginn erwähnen möchte, ist unser Foto-Tandem-Projekt. Das ist ein Projekt, in dem Fotografinnen und Fotografen mit und ohne Beeinträchtigung miteinander arbeiten. Grundsätzlich geht es uns ja um den Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, ich glaube, dass uns mit dem Foto-Projekt hier noch einmal etwas ganz Besonderes gelingt! Außerdem erweitern wir auch geografisch unser Festival und gehen mit einem Tanz- und Musikworkshop im Retzhof bei Leibnitz in die Regionen.

Lina Hölscher: Wir sind auch internationaler geworden. Ich persönlich freue mich sehr auf die Theatergruppen aus Bozen und Ljubljana und dass nun auch das Next Liberty als ein wichtiger Kooperationspartner für junges Publikum mit an Bord ist. Und natürlich auf das Symposium, die Musik, den Tanz, den Film, die Workshops und viele schöne, gemeinsame Stunden mit unserem Publikum!

Wie kam es ursprünglich zum Festival?

Lina Hölscher: Mein Kollege Christoph hatte die Idee. Er selbst hat eher weniger Erfahrung im künstlerischen Bereich und fand mit mir eine Verbündete mit entsprechendem Background, wenn ich das so sagen darf.

Christoph Kreinbucher: Die Grundidee war zu zeigen, welche künstlerischen Leistungen Menschen erbringen – ganz egal, ob beeinträchtigt oder nicht. Dass wir heuer bereits ins dritte Jahr starten, macht uns besonders stolz!

Was liegt euch besonders am Herzen?

Lina Hölscher: Uns ist es wichtig, dass Kunst und Kultur Begegnungsräume schaffen. Wir haben großen Respekt vor den inklusiven Künstlerinnen und Künstlern. Die Gesellschaft definiert ihre Besonderheit als vermeintliches Handicap. Im Kunstbereich können wir es aber umdrehen und sagen: Du hast etwas oder du kannst etwas, was nicht jeder kann. Du bist besonders und du kannst etwas Positives daraus machen. Das gibt auch vielen anderen Menschen, dem Publikum oder dem Team Impulse. Zum Nachdenken anregen, Gemeinsamkeit stärken, Selbstvertrauen aufbauen – all das kann inklusive Kunst! Es wäre ja langweilig, wenn alle Menschen gleich wären.

Was habt ihr nach zwei Jahren Festival-Erfahrung gelernt? Was hat sich verändert?

Lina Hölscher: Es verändert sich immer viel, vor allem auch, weil die Künstlerinnen und Künstler immer wieder neuen Wind bringen. Kein Festival ist wie das andere.

Christoph Kreinbucher: Die Kooperationspartner sind mehr geworden, immer mehr Institutionen und Spielstätten öffnen sich für inklusive Kunst- und Kulturformen. Im ersten Jahr war das Festival „nur“ zwei Tage lang, aber dafür vollgepackt mit Programmpunkten. Das haben wir entzerrt und so gibt es nun mehrere Tage mit ein bis maximal zwei Programmpunkten am Tag. Und wir hoffen, mit dieser dritten Ausgabe auch zu zeigen, dass wir hier etwas langfristiges aufbauen wollen, das sich lohnt, unterstützt und weiter gefördert zu werden.

Gibt es „Fixpunkte“, die sich Jahr für Jahr wiederholen?

Christoph Kreinbucher: Es ist uns wichtig, regional arbeitenden Gruppen eine Bühne zu bieten. So hatten wir in den letzten beiden Jahren das „Mezzanin Theater“ und heuer „Follow the Rabbit“ als lokale Theatergruppen mit dabei.

Lina Hölscher: Für Jung und Alt gibt es auch Möglichkeiten, selbst mitzumachen. In den Workshops kann sich jede und jeder selbst ausprobieren. Und wir sind für jede Ausgabe des Festivals auf der Suche nach etwas Neuem, wie etwa das von Christoph angesprochene Tandem-Foto-Projekt.

Was ist die größte Herausforderung für euch?

Christoph Kreinbucher: Die Barrierefreiheit ist natürlich ein großes Thema. Da geht es nicht nur um den baulichen Zugang zu den Veranstaltungsstätten, sondern auch um barrierefreie Gestaltung der Website, des Programmheftes … aber ich denke, da werden wir auch von Jahr zu Jahr besser.

Lina Höscher: Um ehrlich zu sein, ist es wirklich schwierig all diese Festivalbeiträge und die damit zusammenhängende Planung mit so wenig Etat zu realisieren. Da gehört eine riesige Portion Idealismus dazu.

Das InTaKT Team
Foto: Edi Haberl

Was ist euer persönlicher beruflichen Hintergrund und euer Bezug zum Festival?

Christoph Kreinbucher: Ich arbeite schon länger mit Menschen mit einer Beeinträchtigung. Dabei habe ich gesehen, welchen Mehrwert gemeinsame sportliche und kulturelle Aktivitäten bringen. Als Musiker bin ich kulturell sehr interessiert und wollte die Kulturlandschaft in Graz durch inklusive Kunst- und Kulturformen erweitern, da es das bislang noch nicht gab.

Lina Hölscher: Ich denke, bei mir kommt das aus einer familiären Beeinflussung – und aus einem persönlichen, aber auch künstlerischen Interesse heraus. Meine Mutter ist heilpädagogische Erzieherin und meine Schwester Logopädin und auch mir liegen das Soziale und die Menschen sehr am Herzen. Ich habe Theaterwissenschaft, Pädagogik und Psychologie studiert, mich dann aber auf das Theater konzentriert. In den letzten Jahren kamen die sozialen Aspekte aber immer wieder hinzu und so bin ich seit ein paar Jahren als Theaterpädagogin und Kulturvermittlerin und eben beim InTaKT Festival tätig. Ich arbeite nun auch im künstlerischen Bereich mit inklusiven Konzepten. Ich habe beispielsweise ein Projekt mit einem gehörlosen/inklusiven „Woyzeck“ in Hildesheim entwickelt, welches bald zur Aufführung kommt. Die Bereiche geben sich gegenseitig Impulse und ich empfinde das als sehr wertvoll.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern und den Partnern vor Ort?

Christoph Kreinbucher: Mit den Künstlerinnen und Künstlern ist die Arbeit sehr professionell und auf Augenhöhe. Ich erinnere mich gerne an den inklusiven Bandcontest letztes Jahr im Orpheum wo wir sechs Musikgruppen mit über 50 Musikerinnen und Musikern hatten und die Leute durch Soundcheck und Umbaupausen doch recht lange auf ihren Auftritt warten mussten. Aber alle waren top vorbereitet und erbrachten höchste künstlerische Leistungen. Die Partner vor Ort sind sehr offen für inklusive Kunst- und Kulturformen. Wir haben bislang nur positive Signale von den Partnern bekommen und immer mehr Institutionen sind an unserem Festival interessiert.

Lina Hölscher: Wir versuchen alles so gut wie möglich im Voraus zu planen, denn beim Festival selbst geht es an so vielen Orten gleichzeitig rund, dass alles passen muss.

Wie breit ist das „Spektrum“ an Künstlerinnen und Künstlern? Könnt ihr zwei gegensätzliche Beispiele nennen?

Christoph Kreinbucher: Generell haben wir eine sehr breite Sichtweise von Inklusion. Es bedeutet, dass jeder Mensch am gesellschaftlichen und somit auch am kulturellen Leben teilhaben soll. Diese Sichtweise bilden wir auch im Rahmen des Festivals ab. Ich glaube, dass es uns thematisch gut gelingt, ernste Themen neben Humorvollem zu positionieren. So gab es zum Beispiel letztes Jahr eine sehr emotionale Lesung samt Diskussion über die herausfordernden Situationen mit einem Kind mit einer Beeinträchtigung und am nächsten Tag eine Art „Clowntheater“.

Was war euer schönstes/spannendstes/eindrucksvollstes Erlebnis bisher?

Christoph Kreinbucher: Auf jeden Fall die Aha-Erlebnisse der Menschen die bislang wenig Berührungen mit inklusiven Kunst- und Kulturformen hatten, das hat mich auf eine Art verwundert, aber vor allem ermutigt und angespornt, dass wir hier etwas auf- und ausbauen müssen.

Lina Hölscher: Die Eröffnung des letztes Festivals 2017. Wir zeigten die „Ich bin O.K. Dance Company“ im Schauspielhaus. Nach der Show gab es Minutenlange Standing Ovations, die Zuschauerinnen und Zuschauer wurden zum Tanzen auf die Bühne geholt und nach einer Weile tanzte und feierte der ganze Saal. Dafür machen wir das: Einzigartige Momente bei denen Menschen sich nicht von anderen abgrenzen, alle akzeptiert werden wie sie sind und ihre Freude teilen können.