Start Kunst & Kultur Kunst begegnen: Zu Besuch bei Günter Brus

Kunst begegnen: Zu Besuch bei Günter Brus

Gerd Hanaweg vor dem Bild "Vom Ende der Zitate". Foto: Niki Pommer

Die Tagesstätte Moserhofgasse bietet Menschen mit schwerer oder mehrfacher Beeinträchtigung individuelle Begleitung und Assistenz in der Arbeits-, Beschäftigungs- oder Freizeitgestaltung. Rausgehen, sich unter die Leute mischen ist wichtig. Gelegenheit dazu bieten Kunst- und Kulturveranstaltungen.

Text: Lydia Bißmann

Pascal Schantl, Sabine Tiefengraber, Dominik Suppan und Gerd Hanaweg haben unterschiedliche Behinderungen, aber ein gemeinsames Interesse – die Kunst. Alle besuchen die Einrichtung des Diakoniewerks. Der regelmäßige Besuch von Veranstaltungen und Angeboten kultureller Natur spielt bei der Alltagsgestaltung im Rahmen der Tagesstätte eine wichtige Rolle. Im vergangenen Jahr hat man sich fast das gesamte La-Strada-Programm angesehen und Konzertproben des Musikvereins im Stefaniensaal angehört. Gemeinsam mit ihren Assistenten besuchten sie Mitte Oktober die Ausstellung Einsichten von Günter Brus, in der Galerie Kunst und Handel. Eine Premiere. Es ist der erste Ausflug in eine privat geführte Kunstgalerie.

Sabine Tiefengraber, Galerist Gerhard Sommer, Diakoniewerk-Geschäftsführerin Claudia Paulus, Pascal Schantl, v.l.
Foto: Niki Pommer

Neues Terrain, neue Herausforderungen

Schon nach wenigen Augenblicken wird dem Galeristen Gerhard Sommer klar – seine Besucher begegnen der Ausstellung ebenso interessiert wie kritisch. Pascal Schantl stürzt sich sofort in die Materie. Fragen und Assoziationen sprudeln gleich nach dem Eintreffen der Gruppe in den Räumlichkeiten der Galerie aus ihm heraus. „Wie kommt man auf so was?”, „Sind das Tote auf den Bildern?” Früher habe er selbst Bilder gemalt, teilt er dem Galeristen mit. Gerhard Sommer versucht, die Bilder und die Intentionen des Künstlers seinen Besuchern so unkompliziert wie möglich zu beschreiben. „Er ist ein Künstler – er stellt sich vor, was die Menschen denken, und das zeichnet er dann.” Auch für ihn ist dieser Vormittag eine neue Erfahrung. Die Zielgruppe Menschen mit Behinderungen erfordert eine andere Art der Sprache und Vermittlung als sein gewohntes Publikum. Klar und verständlich, aber trotzdem nicht profan. Bei manchen Werken gibt es mehr Erklärungsbedarf, bei anderen weniger. Das Rot der nackten, weiblichen Brüste im Bild Morgenlust ist leichter zu deuten als der sperrige Titel Selbstanalyse führt zur Selbstverstümmelung. Die Assistenten helfen aus: „Wenn man sich zu viele Gedanken über sich selbst macht, führt das oft zu nichts.”

Dominik Suppan
Foto: Niki Pommer

Fragen einer Ausstellung

Sabine Tiefengraber sieht sich die Werke länger an, bevor sie sich zu einem Kommentar entschließt. „Mönsterlich” befindet sie eines der gezeichneten Gesichter nach eingehender Betrachtung und schreitet zum nächsten Exponat. „Das macht man nicht”, meint sie zu einem Foto­dokument der berüchtigten „Uniferkeleien”, auf dem Brus in einem Uni-Hörsaal vor Publikum in einen Eimer uriniert. Die Jubiläumsschau zum 80. Geburtstag des steirischen Künstlers zeigt neben Zeichnungen auch ­Fotos, Briefe und Archivdokumente. Dominik Suppan und Gerd Hanaweg sitzen im Rollstuhl. Sie sind beide auch in ihrer Kommunikation stark eingeschränkt und verständigen sich mit ihren Assistenten über kleine Kopfbewegungen oder Mimikveränderungen wie einem Lächeln. So zeigen sie, dass sie ein Bild interessiert und sie es länger ansehen möchten. Sehr beeindruckend finden alle die Preise, die neben den Exponaten an der Wand vermerkt sind. „Warum kosten die Bilder so viel?” Manche davon sind auf Briefe oder gewöhnliche Kellnerblöcke gezeichnet. „Wie kann das so teuer sein?” Der Künstler sei sehr bekannt und berühmt erzählt Sommer. Tatsächlich überzeugen kann er mit dieser Erklärung zwar nicht, beflügelt damit aber den Geschäftssinn von Pasacal Schantl: Vielleicht könnte man diese Kunstwerke ja auf Ebay versteigern? Nach dem Ausstellungsbesuch kehrt die kunstaffine Gruppe noch beim Frankowitsch um die Ecke ein. Zur Nachbesprechung und zur Stärkung mit Brötchen und Kuchen. Gegenwartskunst ist nicht immer leichte Kost und muss verdaut werden. Trotzdem hat sich Pascal Schantl einen Flyer für die kommende Nitsch-Ausstellung mitgenommen.

Foto: Niki Pommer

 

Tagesstätte Graz, Moserhofgasse 3a, 8010 Graz, Tel. 0316 48 19 98, e.hafner@diakoniewerk.at

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