Verona und der Gardasee: Hin- (und her-) gerissen von Natur und Zivilisation. Selten liegen sommerliches Dolce Vita und historisches Kulturerbe so nah beieinander wie beim Gardasee und dem romantischen Verona. Eine Erkundungstour.
Text: Wolfgang Pauker
Ein Traum aus Stein und Ziegel im historischen Stadtzentrum von Verona oder die rauen Wellen des von mächtiger Bergkulisse eingerahmten Lago di Garda? Beides, denn die Attraktionen Norditaliens liegen nah genug beieinander, um sie in einem Aufwasch zu erkunden. Will man sich in kurzer Zeit in die Destinationen verlieben, sollte man seinen Blick aber für das Verführerische schärfen.
Wo die Natur facettenreich ist
Mächtig liegt er da, der Gardasee oder Bènaco, wie ihn die Italiener nennen. Der größte See unseres Nachbarlandes vereint quasi halb Europa an einem Ort. Im Norden von imposant in den Himmel ragenden Bergen eingeschlossen, wirkt er wie ein norwegischer Fjord, im Osten erinnert die elegante, in den Stein geschlagene Uferstraße an die Côte d‘Azur, im Westen fühlt man sich durch die in den Fels gegrabenen Galerien wie an der Amalfi-Küste und im Süden breitet er sich in der Po-Ebene schließlich majestätisch aus, als läge einem das Meer zu Füßen. Alpines Panorama, mediterranes Klima und ein üppig mit Wein und Oliven bewachsenes Hügelland machen die Gegend einzigartig. Doch wer denkt, der Zivilisation hier entfliehen zu können, irrt. Denn für Reisende aus dem Norden ist der Lago di Garda der erste Ort, um mediterrane Luft zu schnuppern, weshalb auch die Boulevards in den malerischen Städtchen wie Sirmione, Garda oder Limone von Touristen durchströmt werden. Wer es aufgeweckt mag, der wird es hier lieben. Wer nicht, dem sei zumindest versichert, dass es nicht zugeht wie am Jahrmarkt.
Amore auf den zweiten Blick
Misanthropen sollten an dem riesigen Gewässer dennoch gezielt urlauben, die üblichen Verdächtigen in den Reiseführern links liegen lassen und sich aufmachen in den Norden. Um die Gefühle etwas in Wallung zu bringen, empfiehlt sich am Weg ein Halt in San Vigilio. Die Landzunge zwischen Garda und Torri del Benaco gilt mit ihrem kleinen Hafen und der Kirche aus dem 13. Jahrhundert, der Villa Brenzone und der angrenzenden Locanda di
S. Vigilio (ein kleines Hotel samt Restaurant) als landschaftliches Gesamtkunstwerk. Wer von hier über den See blickt, ist schlagartig angekommen.
Folgt man der Küstenstraße weiter in den Norden, werden die Sandstrände langsam von Kies abgelöst und auch der Wind wird merklich rauer. Sehr zur Freude der Surfer und Segler, die den durchgehend vorhandenen Wind hier oben nutzen und das Wasser insbesondere vor dem Ort Torbole, einem internationalen Zentrum des Windsurf- und Segelsports, mit bunten Segeln schmücken. Zum See hin ausgerichtet, beeindruckt das historische Dorf durch eine idyllische Schönheit, die an seine Vergangenheit als Fischer- und Holzfällerdorf erinnert.
Aber auch Wanderer, Kletterer und Mountainbiker finden hier das Paradies auf Erden. Etwas weiter, am äußersten Rand des Gewässers befindet sich mit Riva del Garda die „Hauptstadt“ des nördlichen Sees. Das mondäne Riva gehört erst seit 1919 zu Italien und stand davor lange unter österreichischer Herrschaft. Dies ist nach wie vor zu spüren und führt zu einer Mischung aus italienischer Leichtigkeit und Tiroler Bodenständigkeit.
Alter Adel neu interpretiert
In Riva befindet sich auch eines der besten und traditionsreichsten Hotels am See: das Lido Palace. 1899 im neoklassizistischen Stil als Rückzugsort für europäische Königshäuser erbaut, wurde es kürzlich exquisit restauriert und in modernem Design erweitert und bietet nun neben einem riesigen Wellnessbereich auch ein Gourmetrestaurant mit Blick über den hauseigenen Park und See.
In der Belle Époque begrüßte das Lido neben Künstlern und Philosophen auch Erzherzog Franz Ferdinand oder den italienischen König Vittorio Emanuele. Heute steigt hier ab, wer das Besondere sucht und in den hoteleigenen, weitläufigen Gärten mit herrlichen Zedern, Zypressen und Palmen die nötige Ruhe findet, um sich ausgiebig sportlich zu betätigen oder sich im nahegelegenen Örtchen Malcesine dem süßen Nichtstun hinzugeben.
Verona und die Fiktion der Liebe
Hat man nach ein paar Runden im klaren Wasser des Gardasees die nötige Entspannung für ein Menschenbad, kann es weitergehen nach Verona. Eine gute Autostunde von Riva entfernt, eröffnet sich einem hier der Traum einer Altstadt, die seit dem Jahr 2000 als Ensemble Weltkulturerbe ist und in kultureller Hinsicht sämtliche Wünsche erfüllt, die man stellen kann. Die Stadt bietet Galerien und Museen und in der Arena finden in den Sommermonaten unter freiem Himmel exquisite Opernaufführungen und Rock- und Popkonzerte statt. Doch der eigentliche Star ist die Architektur. Man flaniert über die romantischsten Plätze und durch mittelalterliche Gassen, erkundet pittoreske Hinterhöfe und staunt über prächtige Palazzi und Schlösser inmitten der Stadt.
Wer sich an den Besucherströmen orientiert, findet in der Nähe der Piazza delle Erbe, dessen historische Fassaden aus verschiedenen Jahrhunderten stammen, auch eine der wohl skurrilsten Sehenswürdigkeiten Italiens. In einem winzigen Innenhof, dessen Eingangsbereich mit Graffiti übersät ist, befindet sich ein Balkon, auf dem einst Julia von Romeo belauscht worden sein soll. Etwa zwei Millionen Besucher drängen sich hier jährlich, und das obwohl in Shakespeares Original-Skript von einem Balkon niemals die Rede war. Somit fungiert ein Ort als Kultstätte der Liebe, der nicht einmal in der Fiktion existiert. Dem angeschlossenen Souvenirshop wird’s egal sein. Und die Taschendiebe freut‘s.
Tipps für Lunch und Dinner
La Veranda del Color – Michelin-Stern unter Sternenhimmel
Im kleinen und stets belebten Örtchen Bardolino, gelegen in einem schmucken Designhotel, das diesen Namen auch wirklich verdient, befindet sich das La Veranda del Color, dessen Küche mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Das Restaurant betont Einzigartigkeit und Originalität und verbindet die drei Elemente Qualität, Saisonalität und (extrem aufmerksame) Bedienung perfekt miteinander. So regional die servierten Gerichte, so international die Weinbegleitung, die in thematisch verschiedenen Räumen, aber stets unter einem Glasdach, serviert werden und den Blick zu den Sternen eröffnen.
Vecchia Malcesine – Ein gastronomisches Gesamtkunstwerk
Leandro Luppi, Koch und Kopf seines Restaurants im pittoresken Ort Malcesine, ist mehr Künstler denn Wirt. In seinem Haus betritt man eine surreale Welt, in der sich die Kunst, die Musik und die Kulinarik blendend unterhalten. Er holt in seiner Küche auf innovative Weise das Beste aus der Region, experimentiert, hascht aber nie nach Effekten und fasziniert mit jeder Kreation, die er kunstvoll auf den Tellern arrangiert. Hier passt einfach alles: Einrichtung, Geschmack, das entspannte Service und die Sympathie des Chefs. Der Michelin-Stern, den man bereits verliehen bekam, wird wohl bald Zuwachs bekommen.
Il Re della Busa – Architektur und Kulinarik auf High-End-Niveau
Das elegante Restaurant befindet sich im Bugbereich der schiffartigen Struktur des modernen Zubaus des Luxushotels Lido Palace in Riva del Garda, die auf den See zeigt und über eine exklusive Candle-Light-Terrasse mit illuminierter Aussicht auf das Wasser verfügt. Ein idealer Ort für ein intimes Abendessen mit exquisiter Haute Cuisine in Designer-Umgebung und einer Speisenauswahl, die sowohl regionale Spezialitäten wie auch internationale Klassiker und fangfrischen Meeresfisch bietet. Ein ganzheitliches Gourmet-Erlebnis, das Chefkoch David Cattoi allabendlich auf die Teller zaubert.
Locanda di Castelvecchio – 100 % veronesische Tradition
Gelegen gegenüber des Castelvecchio, diniert man hier bei typisch veronesischer Küche im historischen Ambiente des ersten Feinschmecker-Restaurants der Stadt (1831). Die handgemachten Tagliatelle werden landestypisch mit Ragú, Erbsen, Tomatensauce und Hühnerleber serviert und individuell kombiniert. Legendär ist das Lokal vor allem für seine Fleischgerichte, die von einem Wagen am Tisch präpariert werden, der vom Schweinskopf bis zum Rinderfilet alles beinhaltet, was die Region zu bieten hat. Zum Abschluss eine Auswahl hausgemachter Desserts und der italienische Abend ist perfekt.