Für ihre kommende Opernproduktion hat sich die Kunstuniversität einer besonderen Rarität des 20. Jahrhunderts angenommen: Gezeigt werden ab 8. Dezember Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ im französischen Original. Eine überraschend zeitgemäße Stückwahl, wie Regisseurin Katharina Thoma erklärt.
Die Gespräche der Carmeliterinnen zeitgemäß? Wie das? Die Geschichte der im Zuge der Französischen Revolution verfolgten Nonnen, die singend aufs Schafott gingen, ist nur auf den ersten Blick wenig aktuell – auf den zweiten sogar sehr, wie Regisseurin Katharina Thoma zeigt. Der Franzose Francis Poulenc fokussierte mit seiner Oper in 12 Bildern auf die Historie seiner Heimat. Kern des Librettos ist eine wahre Begebenheit: die Hinrichtung von 16 Karmeliterinnen durch die Guillotine am 17. Juli 1794 in Paris. Die Französische Revolution war im Frühsommer dieses Jahres beim „Grande Terreur“ der Guillotine angelangt, die Karmeliterinnen fielen dem finalen Furor des Blutregimes zum Opfer, das nur wenige Tage später seinen Anführer Robespierre selbst aufs Schafott bringen sollte. Poulenc war hinsichtlich dieses Stoffs – auf Umwegen – durch eine Novelle der Dichterin Gertrud von le Fort inspiriert: Die Letzte am Schafott wurde 1931 veröffentlicht und kann zweifellos als Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Faschismus gelesen werden. Eben hier knüpft Katharina Thoma mit ihrer Grazer Inszenierung an. „Es geht“, so Thoma, „um den Widerstand Einzelner gegen ein totalitäres Regime, um die Forderung nach Freiheit für Andersdenkende.“ Die Geschichte der Karmeliterinnen sei nicht zuletzt als Symbol für Zeiten lesbar, in denen kritische Stimmen verfolgt werden und man Minderheiten unterdrückt. „Ganz bewusst zitieren unsere Kostüme die 1930er-Jahre“, erzählt Thoma, „wir wissen, dass damals entsprechend totalitäre Tendenzen präsent waren – und wir glauben, dass Ähnliches auch heute wieder spürbar ist.“ Mit seiner Oper habe Poulenc dem Widerstand gegen jedweden Totalitarismus ein grandioses Denkmal gesetzt. „Vor allem das Finale“, schwärmt die Regisseurin, „ist unglaublich beeindruckend – noch besser als Verdi!“
Aber ist dieser Stoff lesbar, ohne auf seine spirituelle Dimension einzugehen? „Auf keinen Fall“, betont Katharina Thoma. Es sei vielmehr auch im Rahmen einer politischen Interpretation wichtig, dass hier von religiös fundiertem Widerstand erzählt wird. „Religion spiegelt nicht zuletzt Humanität – ja sie fordert im besten Falle ein, Humanität zu leben.“ Das zeige sich in unserer Zeit etwa in der Position vieler kirchlicher Vertreter zur Flüchtlingsdiskussion. Doch auch weit darüber hinaus nähern sich die Dialogues des Carmélites der Spiritualität auf spannende Weise. „Das Stück nimmt sich Zeit für eine starke Präsenz letztlich philosophischer Fragen: Das ist Futter fürs Hirn, das anregt, über Dinge nachzudenken, die eine nicht alltägliche Dimension berühren.“ Für Thoma auch ein Anstoß, die Dauerpräsenz von Konsum- und Leistungsdenken zu hinterfragen. Poulencs Oper erlebte ihre Uraufführung im Jänner 1957 an der Mailänder Scala – in italienischer Übersetzung. Die erste Aufführung der französischen Originalfassung folgte im Juni an der Oper in Paris. Dieser widmet sich nun die Grazer Inszenierung – eine Herausforderung, die die Universität bewusst sucht, schließlich müssen ihre Gesangstudierenden den Umgang mit einer Vielzahl unterschiedlichster Sprachen beherrschen. Die Dialogues des Carmélites sind im György-Ligeti-Saal des MUMUTH zu erleben, die musikalische Leitung hat Frank Cramer über, für die Ausstattung zeichnet Flora Hogrefe (Studierende aus dem Bereich Bühnengestaltung) verantwortlich.
Francis Poulenc: Dialogues des Carmélites – Gespräche der Karmeliterinnen
8., 10., 12. und 14.12.2018, jeweils 19.30 Uhr im MUMUTH, György-Ligeti-Saal
Oper in 3 Aufzügen (12 Bilder), Studierende des Instituts Musiktheater, Opernorchester und Opernchor der KUG / Musikalische Leitung: Frank Cramer / Inszenierung: Katharina Thoma / Ausstattung: Flora Hogrefe
Eintrittskarten: Konzert-/Abendkassa; Zentralkartenbüro Graz (0316 830 255)