Das Forum Stadtpark feiert sein 60-jähriges Bestehen. Sein Name ist jedem Grazer ein Begriff. Doch wie tickt die legendäre Kunstinstitution wirklich? Ein Gespräch Heidrun Primas, Vorstandsvorsitzende des Vereins Forum Stadtpark, als Blick ins Innere des viel gerühmten Künstlervereins.
Text: Stefan Zavernik
Auch nach 60 Jahren bleibt es schwierig, das Forum Stadtpark auf den Punkt zu bringen. Ist es eine Denkwerkstatt? Ein Künstlerkollektiv? Ein kultureller Treffpunkt?
Ich würde es über seine Komplexität beschreiben. Einerseits als einen realen, architektonisch relevanten Ort inmitten des größten öffentlichen Raums in Graz, des Grazer Stadtparks. Auf der anderen Seite als Künstlerverein. Was sehr speziell ist. Denn im Gegensatz zu einem klassischen Kunstverein, bei dem Kunstinteressierte zusammenkommen, treffen sich hier Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffende. Das ist ein großes Spezifikum.
Warum ist es so anerkannt? Und so wichtig für die steirische Kulturszene?
Das Forum Stadtpark als Mehrspartenhaus ist neben einem Präsentationsort auch Diskussions- und Produktionsort für Kunst und Kultur. Das war es von Anfang an. Unter einem Dach kommen unterschiedliche Künste zusammen, die von Künstlerinnen und Künstlern programmiert werden. Es ist nicht von Kuratoren gemacht. Es ist ein Handlungs-, Denk- und Produktionsfreiraum. Ein Ort für Experimente und Versuche, deren Ergebnisse offen sind. Kunst, und das ist mir ganz wichtig zu sagen, muss nämlich gar nichts. Kunst kann die Welt verbessern, muss sie aber nicht retten. Dafür ist die Gesellschaft da. Kunst hat die große Stärke der Freiheit. Sie braucht aber Orte, wo diese Freiheit stattfinden kann. Und das Forum ist ein solcher Ort. Aus diesen Gründen sind Räume wie das Forum so wichtig. Und es freut mich außerordentlich, dass das mittlerweile auch von Teilen der Politik wieder so anerkannt wird.
Im vergangenen Jahr wurde darüber diskutiert, einen Kaffeehausbetrieb im Forum zu integrieren, um mehr Besucher anzuziehen. Braucht das Forum in der Tat „Besucher“, um zu funktionieren? So wie ein Museum etwa?
Das Forum lässt sich nicht mit einem Museum vergleichen, weil es ganz anderen Herausforderungen gegenübersteht. Auch die Ideen des Vereins sind andere. Es geht auch darum, geschützte Laborsituationen herzustellen, so was kann nie massentauglich sein. Gleichzeitig steht das Haus den Menschen offen.
Auf welche Weise kann die Bevölkerung am Forum Stadtpark teilhaben?
Etwa im Rahmen von Ausstellungen, Performances, Konzerten oder anderen Veranstaltungen. Die Ausstellungen sind sogar kostenlos zugänglich. Wir sind ja ein öffentlich subventioniertes Haus. Auch über teilweise freie Eintritte spielen wir diese Unterstützung an die Öffentlichkeit zurück. Unsere Diskursveranstaltungen sind immer frei zugänglich. Wie etwa unser neues Format „Ein Abend mit …“, bei dem wir mit Künstlerinnen und Künstlern Gespräche über deren aktuelle Projekte führen. Eine Art öffentliche Diskussion, an der jede und jeder teilnehmen kann.
Gegründet wurde der Verein Forum Stadtpark von einer Gruppe junger Maler, gemeinsam mit Literaten, Musikern und Architekten, im Jahre 1959. Gründungsmitglied Gustav Zankl bezeichnete das damalige Forum als spirituelles Zentrum einer Gruppe „Aussätziger“. Es ging neben der Kunst um einen freien Raum für Gedanken in einer „nach wie vor von der Naziideologie durchfluteten Stadt“. Braucht es so einen Raum auch heute noch?
Die Vielfältigkeit in der Gesellschaft steht wieder am Spiel, und der Diskurs bricht zunehmend weg. Zusammenleben im Diskurs auszuverhandeln ist vielen zu riskant und zu aufwendig. Es geht darum, Nischen aufrechtzuerhalten, denn in ihnen lassen sich Fragen aufwerfen, die der breiten Masse längst abhandengekommen sind. Es geht um kritisches, freies Denken. Um die Aufrechterhaltung unterschiedlicher Positionen. Aus diesem Grund braucht es Räume wie das Forum Stadtpark nach wie vor, seit einiger Zeit wieder stärker.
Wenn Kritik laut wird, wird das Forum von seinen Fans gerne als Opfer politischer Eingriffsversuche stilisiert. Gab es in den letzten Jahren wirklich so etwas wie politische Interventionen, wenn es um Inhalte Ihrer Einrichtung geht?
Es gab Angriffe, aber keine Interventionen. Solche würden wir auch gar nicht zulassen, das Forum ist ein freier, unabhängiger Verein. Unser Standpunkt ist hier ganz klar. Es gab immer wieder kritische Ansagen, aber es wurde nicht eingegriffen, wohl auch weil wir intensive Diskussionen in verschiedene Richtungen eröffnet haben. Es wurde Kritik laut und die Frage nach unserer Relevanz gestellt, gerade im Hinblick auf Besucherzahlen und Subventionen. Damit muss man leben können. Aber eines ist auch klar: Förderungen sind kein Geschenk. Diese Schieflage, die oft entsteht, bei der es heißt, „man solle froh sein überhaupt etwas zu bekommen“, ist für mich nicht akzeptabel. Kunst und Kultur sind relevante Größen für das Wohl einer Gesellschaft, so wie auch Bildung und Soziales. Aus diesem Grund sind Kulturförderempfänger keine Bittsteller, sondern haben einen Anteil an der gesellschaftspolitischen Entwicklung.
Wie hoch wird das Forum subventioniert, und was wird damit auf die Beine gestellt?
Wir erhalten im Jahr rund 500.000 Euro von Stadt, Land und Bund und durch Eigeneinnahmen. Auch EU-Förderungen konnten wir akquirieren. Auf drei Geschoßen verwirklichen wir im Jahr 150 bis 200 Veranstaltungen. Das ist wahnsinnig viel. Unser künstlerisches Team besteht aus 15 Leuten. Angestellt sind noch einmal 15 Personen, davon viele geringfügig oder auf Teilzeit-Basis. Im Rahmen von Projekten werden oft Leute hinzugeholt, darunter zusätzliche Künstlerinnen und Künstler, Technikerinnen und Techniker oder für uns interessante Gäste – hier läuft alles auf Honorarbasis. Vieles aber passiert ehrenamtlich.
Lebt das Forum ausschließlich von Förderungen?
Unser Haus ist unsere Ressource. Wir vermieten sie an VeranstalterIinnen und können so zusätzliche Mittel hereinspielen. Wir denken unseren Verein auch unternehmerisch. Man kann sich nicht einfach hinstellen und sagen: Her mit dem Geld!
Wie sehr bestimmt das Bemühen und Ansuchen um öffentliche Förderungen das Programm des Forum Stadtpark?
Wir hüten den Freiraum, in dem wir arbeiten können, wie unseren Augapfel, als unser höchstes Gut. Es geht darum, was wir wirklich machen wollen, und nicht darum, uns zu überlegen, mit welchen Projekten wir bestmöglich zu Subventionen gelangen.
Immer mehr Kulturmacher suchen Sponsoren in der Wirtschaft. Wie stehen Sie modernem Kultursponsoring gegenüber, beim dem es legitim ist, für die Unterstützung auch etwas haben zu wollen?
Diese Notwendigkeit entsteht auch aus einem Überlebensdruck und kann schon Sinn machen. Ich stehe dem aber sehr kritisch gegenüber. Wenn inhaltlich Einfluss genommen werden will, lehne ich das ab, wie auch bei der Politik.
Aber es gibt doch so etwas wie Partnerschaften, oder etwa nicht?
Natürlich, wenn es inhaltlich für beide Seiten passt. Für uns geht es darum anzusehen, womit das Unternehmen sein Geld verdient, das man als Sponsor gewinnen möchte.
Hat das Forum Sponsoren aus der Wirtschaft?
Ja, immer wieder.
Darf authentische Kunst in Ihren Augen wirtschaftlich erfolgreich sein?
Ich bin der Meinung, dass Künstlerinnen und Künstler mit dem, was sie tun, Geld verdienen dürfen. „Der arme Poet ist der wahre Künstler“ ist nicht meine Idee vom einzig aufrichtigen Künstlertum. Kunst soll Erfolg bringen dürfen. Auch im wirtschaftlichen Sinne.
Hinter dem Forum Stadtpark steht ein Künstlerverein. Wie viele Mitglieder hat dieser aktuell?
Wir zählen etwa 400 Mitglieder. Darunter sind auch langjährige Mitglieder wie Alfred Kolleritsch (wichtiger Langzeitpräsident), Elfriede Jelinek oder Friederike Mayröcker, Architekten wie Werner Hollomey, Eilfried Huth, Karla Kowalski oder Eugen Gross, Musiker wie Dieter Glawischnig, um nur einige frühe zu nennen.
Kann jeder dem Verein beitreten?
Die Hauptvoraussetzung ist, dass man Künstlerin, Künstler oder Kulturschaffender ist. Früher einmal waren die Aufnahmekriterien sehr, sehr streng. Man musste vom Verein angesprochen werden, um sich für eine Bewerbung aussprechen zu können. Heute gibt es zwar noch immer ein Aufnahmeverfahren, aber mittlerweile kann man sich für die Aufnahme eigenständig bewerben. Hierzu gibt es ein offizielles Formular. Ob man aufgenommen wird, entscheiden dann die Vereinsmitglieder bei der Jahreshauptversammlung.
Gesellschaftliche Entwicklungen, Chancen und Probleme sind immer wieder thematische Ausgangspunkte für Diskussionen und Projekte des Forums. Kunst und Kultur wird dabei zu einer Art Werkzeug, zu einer eigenen Sprache. Wo ist die Kunst als Ausdrucksform allen anderen Kommunikationsmöglichkeiten überlegen?
Kunst macht Fenster auf, weil sie mehrere Sprachen spricht. In einer Ausstellung zum Beispiel bekomme ich keine fertigen Antworten – ich darf mein Denken und Fühlen als Werkzeug einsetzen, um eigene Schlüsse zu ziehen. In unserer Zeit gibt es haufenweise Informationen, meist überdeterminierte, vorgefertigte Antworten. Kunst ermuntert mich, mich selbst zu dem zu befragen, was ich erlebe.
60 Jahre Geschichte bieten viele Möglichkeiten, um in die Vergangenheit zu blicken. Wie aber sieht die Zukunft aus: In der Vergangenheit gingen aus dem Forum Institutionen wie der steirische herbst, Trigon oder selbst die Kunstuni hervor. Was aber ist in den letzten 10 Jahren passiert und was zeichnet sich für die Zukunft ab?
Das Forum ist in den letzten Jahren sowohl künstlerisch als auch kulturpolitisch wieder sehr stark aufgefallen, nicht zuletzt aus der Aktivierung der großen Kraft der Mitglieder heraus. Wir haben ein internationales Literatur-EU-Projekt, mit Partnerinnen und Partnern aus Deutschland, Finnland und Zypern erfolgreich umgesetzt und heben es gerade in die zweite Runde. Aktuell beschäftigen wir uns damit, alte Kooperationen wieder neu aufzunehmen. Wie z. B. mit der Camera Austria oder dem steirischen herbst und wir bereiten neue Kooperationen etwa für das Kulturjahr 2020 vor. Was sich in jüngster Vergangenheit als eigenständiger Verein etabliert hat und aus dem Forum hervorgegangen ist, wenn man so will, ist das Diskurs- und Filmfestival „Crossroads“. Es geht der Frage nach, wie sich unsere Welt entwickelt. In den letzten Jahren hatte das Forum Stadtpark im Rahmen dieses Festivals von Josef Obermoser sehr viele junge Leute im Haus. Das Forum ist nun Kooperationspartner des Festivals und unterstützt es weiterhin. In der Forum-Vergangenheit gab es oft Trennungen im Zorn oder in Brüchen, heute ist das kaum mehr der Fall. Wir sind eine Brutstätte und das ist unsere große Stärke. Und klar machen auch heute Künstlerinnen und Künstler bei uns Programm, von denen man in 30 Jahren noch sprechen wird. So wie Christoph Szalay, Clara Wildberger, zweintopf (Eva und Gerhard Pichler), Vera Hagemann, Patrick Wurzwallner, Claudia Gerhäusser, Robin Klengel, …