Zwischen Sehnsucht und Ekstase: mit König Roger zeigt die Grazer Oper eine kulturelle Kostbarkeit. „Achtzig“ sprach mit Regisseur Holger Müller-Brandes über leidenschaftlichen Kampf und sinnliche Verführung.
Text: Bettina Leitner
Die Uraufführung wird auf das Jahr 1926 datiert, also zwischen den beiden Weltkriegen. Welche Aspekte des Stückes sind Ihrer Meinung nach immer noch aktuell bzw. sogar zeitlos?
Szymanowski greift mit seiner Oper die Atmosphäre der Zwischenkriegszeit auf und damit auch das verbreitete Verlangen nach einer Führerfigur, die politische und emotionale Bedürfnisse befriedigt. Mehr noch aber interessiert er sich für die psychologische Grundhaltung seines Titelhelden König Roger, der einem fremden Hirten und dessen prophetischen Worten verfällt. Durch diese Begegnung wird er gezwungen, einen schonungslosen Blick auf sich selbst zu werfen. Das allzu Menschliche und die Suche nach sich selbst sind klassisch und zeitlos.
Das Stück ist geprägt von unterschiedlichen religiösen Anschauungen. Inwieweit passt dies noch ins gegenwärtige Zeitbild der Menschen, zumal der Glaube tendenziell immer weniger Stellenwert in der schnelllebigen Gesellschaft einnimmt?
Aus meiner Sicht ist unsere Zeit von einer großen, spirituellen Sehnsucht geprägt, die nicht immer eindeutig religiös gebunden ist. Die Figur des Hirten in der Oper dockt genau bei solchen Sehnsüchten an. Die Auseinandersetzung mit diesen teils diffusen und schwer zu greifenden Gefühlen findet in der zentralen Begegnung zwischen König Roger und dem Hirten in einem großen Duett im Zentrum des Stückes statt. Durch die Liebe, die Roger mit dem Hirten verbindet, gelingt es ihm, zu sich selbst und zur Freiheit zu finden. Wichtig ist uns bei der Inszenierung, dass es sich um eine Art Entwicklungsreise handelt, die allgemein menschlich nachvollziehbar sein kann.
Die Handlung spielt auf Sizilien. Lassen Sie die typisch italienische Lebensweise in das Stück miteinfließen und wenn ja, inwieweit? Was bedeutet dieser Ort für die Gesamtinterpretation?
Der Spielort Sizilien ist für den Komponisten eine Art Sehnsuchtsort, der in seiner persönlichen Biografie als schwuler Mann eine wichtige Rolle gespielt hat. In der Oper verarbeitet er autobiografische Elemente – wohl einer der Gründe, warum er seine Aussagen so stark kodifiziert und symbolisch verkleidet hat. Daher zeigt das Bühnenbild von Katrin Lea Tag einen eher abstrahierten Raum, in dem sich die unterschiedlichen Seelenzustände des Protagonisten spiegeln.
Im Königspalast beginnt Roxane, die Königsgemahlin, ein verführerisches Lied zu singen, als der heidnische Hirte eintritt. Wie zeichnen Sie die Frauenrolle? Ist sie eine vernachlässigte Ehefrau oder holt sie sich einfach, was sie will?
Roxane ist mit Roger gemeinsam in einer konventionellen, festgefahrenen Beziehung gefangen. Es gelingt ihr nicht mehr, wirklich an ihn heranzukommen. Als der Hirte zwischen die beiden tritt, erkennt sie die Chance, dass Roger zu seiner Freiheit findet, als etwas Grundpositives für ihn. Dieser Gedanke stärkt einerseits ihre Liebe und bringt ihr andererseits ihre eigenen Stärken zu Bewusstsein. Auch für Roxane geht es darum, erst einmal sich selbst mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten wahrzunehmen.
In der Aufführung wird auch das Ballett zu sehen sein. Wie wird dies in die gesanglichen Partien integriert und welche Wirkung hat es?
Das Ballett spielt in einer entscheidenden Szene eine Rolle, in der der Hirte nicht nur mit Worten, sondern auch auf eine rein sinnliche Weise von seinen Gefühlen spricht. In unserer Inszenierung weiten wir diesen Aspekt noch aus, der sich in der Choreographie von Beate Vollack vom zweiten auch bis in den dritten Akt erstreckt.
Premiere: Do, 14.2.2019 um 19.30 Uhr
Weitere Termine: Sa, 16.2., Mi, 27.2., Fr, 1.3., Do, 7.3., So, 17.3., Mi, 27.3., Fr, 5.4., So, 28.4., Sa, 4.5.2019
Nachgespräch: Fr, 1.3.2019
Nachklang: Mi, 27.3.2019
Tickets: Ticketzentrum Kaiser-Josef-Platz 10, tickets@ticketzentrum.at, www.ticketzentrum.at