Start Kunst & Kultur Diskurs fördern: Austausch in der Grazer Kulturszene

Diskurs fördern: Austausch in der Grazer Kulturszene

Der < rotor > im Annenviertel: Zusammenkommen für Kunst und Diskurs Foto: rotor

Geht es um die Verbindung von Kunst, Kultur und Diskurs, ist man in Graz in bester Gesellschaft. Und das nicht nur bei der 15. Ausgabe des Elevate Festivals im Februar.

Text: Pia Moser

Reflektieren, mitreden, austauschen: Kulturinstitutionen und -festivals bringen nicht nur Ästhetik auf die Bühne. Das Aufwerfen von Fragen des gesellschaftspolitischen Zusammenlebens, der kritische Blick auf Zukunftsthemen und das Anregen von Diskursen rücken immer mehr in den Mittelpunkt des programmatischen Interesses. Gerade in der räumlich überschaubaren und gleichzeitig pulsierenden Grazer Kulturszene kann das ungemein gut funktionieren. Zu sehen etwa im Rahmen des renommierten Kunstfestivals steirischer herbst oder der Akademie Graz, die bereits seit 1987 an der Schnittstelle von Kunst und Gesellschaft wichtige Impulse für das kulturelle und gesellschaftspolitische Leben in Graz setzt. 2019 feiern drei Grazer Institutionen ihr Jubiläum und zeigen: Kultur und Diskurs gehen Hand in Hand.

Zwischen Bass und Diskurs

Bereits seit der Gründung vor über zehn Jahren bilden Diskurs und Aktivismus das Herzstück des Elevate Festivals. Hervorgegangen ist es aus der Vision eines neuartigen Festivalformats, das die einzigartige Verbindung von elektronischer Musik und kritisch-politischem Diskurs schafft. „Mit dem Diskursprogramm setzen wir uns für eine demokratische, solidarische und offene Gesellschaft ein. Damit soll ein Beitrag für eine lebenswerte Zukunft in einer globalen Gemeinschaft geleistet werden, die auf Teilhabe und auf ideologie-, grenz- und generationenüberschreitendem Dialog aufbaut“, erklären die Organisatoren Bernhard Steirer, Daniel Erlacher und Roland Oreski. Gerade für sein Konferenzformat ist das Festival mittlerweile international beachtet. Menschen verschiedenster Disziplinen kommen aus aller Welt zu einem Ideen- und Meinungsaustausch zusammen, um komplexe Probleme und gesellschaftliche Fragestellungen unserer Zeit zu analysieren, globale Lösungsansätze vorzuschlagen und öffentlich zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu diskutieren.

Spannende Impulse am Elevate Festival erwartet man sich unter anderem von Soziologin Laura Wiesböck.
Foto: Günther Pichelkostner

Mit Filmen, Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen ist das Elevate-Diskursprogramm in der Regel dicht gefüllt. So auch 2019, wenn die 15. Festivaledition unter dem Thema „Truth“ steht: Von 27. Februar bis 3. März nähert man sich der Wahrheit als einem der umkämpftesten und zugleich faszinierendsten Begriffe der Wissensgesellschaft. Stargast bei der Eröffnung ist Pamela Anderson, die sich seit Langem als Tierrechtsaktivistin betätigt und mit ihrem gesellschaftspolitischen Aktivismus in den letzten Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Darüber hinaus liest sich die Speaker-Liste vielversprechend: Nnimmo Bassey, der nigerianische Umweltschützer, Poet und Träger des Alternativen Nobelpreises „Right Livelihood Award“, Srecko Horvat aus Kroatien, Philosoph und Demokratie-Aktivist bei DiEM25, spannende Impulse sind auch von der österreichischen Soziologin Laura Wiesböck zu erwarten. Die US-amerikanische Aktivistin und Demokratin Alexandria Orcasio-­Cortez wird via Videostream mitreden.

Pamela Anderson

2019 auf dem Tapet: das Spannungsfeld von Wahrheit, Politik und Journalismus, die Rolle von Sprache bei der Konstruktion von Wirklichkeit sowie die Relevanz von Algorithmen und virtueller Realitäten im Prozess der Meinungsbildung. Und auch im Kunstprogramm fragen zwei ­Produktionen im öffentlichen Raum nach der Wahrheit: die generative Datenskulptur am Schloßberg Liquid Truth des Berliner Interaktions­studios schnellebuntebilder in Zusammenarbeit mit dem Gestaltungsduo Knoth & Renner und der Elevate-Arts-­Kuratorin ­Berit Gilma sowie die mehrtägige Kunst­aktion playy.club des Kunstkollektivs kleft, die sich dem spielerischem Umgang mit Wahrheit widmet. Beide Produktionen werden im Rahmen des „Creative Europe Culture“-Projekts „Re-Imagine Europe“ sowie in Kooperation mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum realisiert. „Wir wollen Graz als Ort des interkulturellen Gedankenaustausches, des politischen Denkens und des gemeinsamen Entdeckens neuer zeitgenössischer Kunst fördern“, so die Festival-Leitung. Ein dabei wohl wesentlicher Aspekt: Sämtliche Vorträge, Diskussionen, Workshops und Filmscreenings können bei freiem Eintritt besucht werden.

Ein Forum für Graz

Einer der Austragungsorte des ­Elevate Festivals ist das Forum Stadtpark, das 2019 sein 60-jähriges Bestehen feiert. Der offene, diskursorientierte Ansatz steckt hier schon im Namen. Gegründet wurde das Forum Stadtpark 1959, unter anderem von Othmar Carli, Gustav Zankl, Siegfried Neuburg, Emil Breisach und Günter Waldorf, die das leerstehende Grazer „Stadtpark-Café“ für Kunstveranstaltungen ­adaptierten. Seit 2011 leitet Heidrun Primas das Haus, das sich als komplexes, vielstimmiges Gefüge versteht. Heute finden hier pro Jahr etwa 190 Veranstaltungen statt, der Großteil bei freiem Eintritt. Als Produktions- und Präsentationsort für zeitgenössische Kunst fungiert das Forum vor allem für die Freie Szene als zentraler Resonanzraum, zumal unterschiedlichsten künstlerischen Positionen Platz geboten wird: von Architektur, Literatur, bildender Kunst, Film und Fotografie über Medienkunst bis hin zu Gesellschaftspolitik, Musik, Theater, Performance und Theorie.

Seit 60 Jahren ist das Forum Stadtpark Produktions- und Präsentationsort für zeitgenössische Kunst.
Foto: Lena Prehal

Anlässlich des Jubiläums werden bis November 2020 regelmäßig Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden, die auch zum kritischen Blick in Gegenwart und Zukunft des Forum Stadtpark und darüber hinaus einladen. Raum für Diskurs zu aktuellen Fragestellungen gibt es bereits am 9. Februar wieder: Im Rahmen der vom Kollektiv zweintopf kuratierten „WERK“-­Serie wird eine Installation, Performance und Diskussion unter dem Titel Edgar Honetschläger: Nature is an ­Impossibility – ­GoBugsGo! präsentiert.

Forum Stadtpark

Inmitten der Gesellschaft

Diskurs ist auch im < rotor > fest verankert. Als Zentrum für zeitgenössische Kunst konzentriert man sich hier seit der Gründung im Jahr 1999 auf Positionen, die sich explizit mit sozialen, politischen, ökologischen und ökonomischen Fragen befassen. Themen wie urbane Transformationen, Nachbarschaft oder Gemeinwohlökonomie fallen am Standort Volksgartenstraße im lebendigen Annenviertel auf besonders fruchtbaren Boden. Auch das Forcieren von Zusammenarbeit und vernetzendes Handeln – vor allem über die Landesgrenzen hinaus – sind wesentliche Anliegen der < rotor >-Leitung ­mit ­Anton Lederer und Margarethe Makovec. Ein Beispiel ist das das Artist in Residence-Programm „Central & East Europe Calling“, das < rotor > 2018/19 mit sieben Ländern Zentral- und Südosteuropas koordiniert. Über die regelmäßigen Ausstellungen sollen Kunstschaffende in Dialog mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt treten. Denn: „Zeitgenössische Kunst kann eine Möglichkeit sein, sich mit dem gesellschaftlichen Wandel zu befassen. Oder mit anderen Worten: Kunst sollte eine ästhetische Bereicherung sein, sie kann aber auch dabei helfen, die Welt besser zu verstehen“, sagt Anton Lederer. 2019 feiert < rotor > sein 20-jähriges Bestehen. Die kommenden Ausstellungen widmen sich den Themen Feminismus, Vielfalt der Gesellschaft und Antirassismus. Auch die aktuelle Schau, die noch bis zum 16. Februar zu sehen ist, lädt gemäß der Gründungsidee zur kritischen Auseinandersetzung ein: Sie werden es nicht ertragen, sich hinter Mauern und Zäunen zu verstecken zeigt künstlerische Positionen, die sich antihumanistischen Tendenzen entgegenstellen.

Installation von Hannes Zebedin aus einer < rotor > Ausstellung.
Foto: Thomas Raggam

„Die Grazer Kulturlandschaft ist im Augenblick sehr breit gefächert“, findet Anton Lederer. „Es ist sehr erfreulich, dass es Kunstschaffende und Institutionen gibt, die sehr unterschiedliche Zugänge zu zeitgenössischem Kulturschaffen ermöglichen.“ Was in Graz jedoch fehle, sei eine Kunstschule auf akademischem Level, um kunstinteressierte junge Leute in Graz zu halten und etwa auch Studierende aus dem zentral- und südosteuropäischen Raum anzuziehen. Ein mögliches Zukunftsprojekt für Graz, um die Verbindung von Kunst, Kultur und Diskurs auf ein neues Level zu heben?

 

Kunst/Kultur/Diskurs findet statt

 

Forum Stadtpark, Stadtpark 1, 8010 Graz, www.forumstadtpark.at

7. März

Eröffnung der Ausstellung von Andreas Heller „SHOP“ (bis 16. März)

4. April

Eröffnung der Fotoausstellung „This is real magic“

 

Akademie Graz, Neutorgasse 42, 8010 Graz, www.akademie-graz.at

1.März 2019, 19 Uhr

Eröffnung: Ausstellung Fatema Hamidi „Licht und Schatten“ (bis 22. März 2019)

Elevate Festival für Musik, Kunst und politischen Diskurs

27. Februar bis 3. März 2019

Dom im Berg, Tunnel, Forum Stadtpark, Orpheum, Mausoleum, Uhrturmkasematten, Parkhouse, Greenhouse

Infos, Programm sowie Tickets für das ­Musikprogramm unter www.elevate.at

< rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst, Volksgartenstraße 6a, 8020 Graz, www.rotor.mur.at

8. März, 18 Uhr: Eröffnung der Ausstellung „Guerilla der Aufklärung. Wir Frauen* werden es uns nicht nehmen lassen, für unsere Rechte zu kämpfen“