Ein Vorzeigeprojekt: Das seit 2015 laufende Mentoringprojekt der Kunstuniversität Graz konnte bis dato mehr als 130 Studierende finanziell und persönlich unterstützen.
Text: Tabea Hänsel
Viele Musikstudierende, die zum Beispiel aus dem südosteuropäischen Raum stammen, stehen unter finanziellen Belastungen. Besonders für junge Menschen aus Nicht-EU-Staaten ist Studieren in Österreich oft kaum leistbar. Deshalb entstand die Idee, besonders begabten, aber bedürftigen Studierenden sowohl in finanzieller Hinsicht als auch auf einer persönlichen Ebene zu helfen, „damit sich die Studierenden mehr aufs Üben und Studieren konzentrieren können“, so Projektbetreuerin Daniela Eder im Gespräch mit „Achtzig“. Denn ein Fortkommen ist im äußerst herausfordernden Bereich der künstlerischen Ausbildung oft nur möglich, wenn man sich voll auf diese konzentrieren kann. Die Studierenden profitieren einerseits von mindestens 80 Euro pro Monat und andererseits von einer freundschaftlichen Beziehung auf Augenhöhe zu ihren Mentoren, die ihnen bei Alltagsproblemen zur Seite stehen und eine praktische Stütze sind. Die Grazer Wechselseitige ist langjähriger Partner der Kunstuniversität und unterstützt unter anderem die Redoute, die Abonnement-Reihe und das Mentoringprojekt. Kultursponsoring werde bei der Versicherung hochgehalten: „Das sind unsere Gene von Erzherzog Johann, die wir nicht abschütteln wollen“, weist Generaldirektor-Stellvertreter der GRAWE Gernot Reiter auf den Gründungsvater hin. Erzherzog Johann gilt auch als Gründervater der KUG und ist ihr auch durch den heutigen Standort – das von ihm errichtete Palais Meran – verbunden, außerdem ist die GRAWE stark in Südosteuropa engagiert. Diese gemeinsamen Wurzeln sowie die Internationalität führten zu der jetzigen Kooperation beim Mentoringprojekt, das ein „Vorzeigeprojekt“ sei.
Zwischen Zahnarztterminen und Konzerten
Die serbische Klavierstudentin Nadja Skokic´ ist Teil des Mentoringprojekts, sie ist in erster Linie dankbar für die mentale Unterstützung: „Ich habe einfach das Gefühl, dass ich mich auf jemand verlassen kann, dem ich meine Fragen stellen kann. Ich bin allein hierhergekommen, ohne Familie oder Freunde, jetzt eine Ansprechperson zu haben, ist sehr positiv“, meint die junge Musikerin. Ihr Ansprechpartner ist Generaldirektor-Stellvertreter Gernot Reiter. Ihm sind regelmäßige Treffen mit Skokic wichtig. Wenn es seine Zeit erlaubt, ist er Gast in ihren Vorspielstunden: „Man sitzt ganz vorne und drückt die Daumen, dass alles gut geht“, erzählt Reiter. Der Versicherungsexperte kann bei alltäglichen Problemen, wie bei der Suche einer leistbaren Studentenwohnung helfen, „oder ich helfe bei der Organisation kleiner Konzerte“, berichtet der Mentor. Er habe seinem ersten Mentee aus Bulgarien auch schon einmal einen Zahnarzttermin organisiert: „Das klingt jetzt lustig, aber das ist Realität, denn alltägliche Probleme können zu einer Herausforderung werden“, kommentiert Reiter.
Der Landesverkaufsdirektor der GRAWE, Franz Steiner, ist Mentor des ukrainischen Studenten Andrii Uhrak. Steiner weist ebenfalls auf die praktische Hilfe, die er weitergeben kann, hin: „Es geht um ganz normale, wirklich alltägliche Sachen. Beispielsweise: Wie schreibe ich einen Lebenslauf richtig? Ich habe einmal meinem Mentee geholfen, seinen CV optisch aufzubessern.“ Steiner sieht es außerdem als seine Aufgabe, ein Auge auf den Studienerfolg seines Mentees zu haben. Oft gehe es aber vor allem auch um persönliche Angelegenheiten, beispielsweise wie es seinem Schützling und dessen Freundin geht. „Man führt ein bisschen das Leben des Künstlers mit“, meint der Landesverkaufsdirektor. Er sieht es als große Bereicherung, die Kultur, das Land und seinen Mentee auf diese Art und Weise kennenzulernen. Und die Musik interessiere ihn persönlich ohnehin sehr, so Steiner. Reiter und Steiner sind sich einig, dass man als Mentor viel mehr zurückbekommt, als man in die Beziehung investiert. Es sei für sie eine große Freude, bei Konzerten, Aufführungen und beim Vorspielen dabei sein zu dürfen. „Und es ist sehr schön, wenn sich ein ehemaliger Mentee meldet, sich bedankt und sagt, er fühle sich sehr wohl bei meiner empfohlenen Stelle“, erzählt Reiter. Er gibt seinen Schützlingen auch Ratschläge bezüglich ihrer beruflichen Laufbahn. Denn mit 20 oder 30 Jahren Berufserfahrung habe man einen anderen Blick auf den Arbeitsmarkt, obwohl es um einen ganz anderen Bereich geht, meint der Generaldirektor-Stellvertreter der GRAWE.
Aufnahmekriterien für Mentoren und Mentees
Um als Mentee in das Programm aufgenommen zu werden, ist eine positive Stellungnahme des Studiendirektors zum allgemeinen Studienerfolg sowie der jeweiligen Hauptfachlehrerinnen und -lehrer zur künstlerischen Entwicklung nötig. KUG-Studierende können sich entweder direkt bei Daniela Eder bewerben oder Professoren empfehlen ihr einen Kandidaten. „Ich kenne die meisten Studierenden und unsere Mentoringpartner persönlich, da merkt man dann schon, wer zusammenpassen könnte“, meint die Projektleiterin, die auch für die Zusammenführung der Mentees und der Mentoren verantwortlich ist. „Wir haben zu diesen Ländern einen großen kulturellen Bezug. Ich persönlich bin immer wieder in Serbien und kann die serbische Kultur, Mentalität und Denkweise sehr gut verstehen. Daher passen wir gut zusammen“, kommentiert Gernot Reiter die Verbindung zu seinem serbischen Schützling Nadja Skokic´.
Mentorin oder Mentor könne jeder werden, der sich für die Studierenden der KUG, für Kunst und Kultur im Allgemeinen oder ein bestimmtes Land interessiere und jeder, der sich mit dem Haus verbunden fühle, erklärt Daniela Eder. „Die Bandbreite ist sehr groß“, sagt sie, „Studierende können bei Privatpersonen eine Art Familienanschluss finden oder bei größeren Unternehmen und Partnern wie der GRAWE das berufliche Netzwerk mitnützen.“ Eder ist immer auf der Suche nach neuen Mentoren, die sich für mindestens ein Jahr um einen oder eine Mentee kümmern, die Laufzeit kann allerdings auch verlängert werden.
Infos unter www.kug.ac.at